Veranstaltung zur Opernsanierung in Stuttgart

Ist ein Baudenkmal bedroht? 

– Podiumsgespräch „Opernsanierung – ja, aber billiger und besser!“ von Aufbruch Stuttgart und dem Schwäbischen Heimatbund im Haus der Architektinnen und Architekten in Stuttgart – 

von Klaus J. Loderer


In Stuttgart steht die Sanierung des 1912 eröffneten Opernhauses an. Es sind aber immer noch viele Dinge unklar was die Maßnahmen und die Ersatzspielstätte angeht. Zu den umstrittenen Punkten gehört ein massiver Eingriff in die rechte Seitenfront. Der Risalit, an dem eine Säulenhalle noch davon kündet, dass da einmal der Eingang des Königs war, soll nämlich um einige Meter vorgeschoben werden. Dass da manche Bürger schlimmstes Unheil wittern, das konnte man bei einem Podiumsgespräch am 24. November 2022 feststellen, als einleitend Bildmontagen gezeigt wurden mit einem womöglich drohenden modernen Anbau. Es stellte sich zwar heraus, dass es sich dabei um keine konkreten Planungen handelt, aber zur Verwirklichung einer Seitenbühne ist auf jeden Fall ein starker Eingriff in die Bausubstanz notwendig, der eine maßgebliche Veränderung des Entwurfs des Architekten Max Littmann darstellen wird. Moderator Amber Sayah hob hervor, dass das sog. Große Haus das einzige größere öffentliche Gebäude sei, das in Stuttgart den Zweiten Weltkrieg unbeschädigt überlebt habe. Nun müsse man aufpassen, denn „im Namen der Funktionalität ist in Stuttgart schon manches zerstört worden.“


Historisches Foto des Opernhauses Stuttgart, das 1912 als Großes Haus der kgl. Hoftheater eröffnet wurde. Der Risalit mit dem Dreiecksgiebel soll bei der anstehenden Sanierung zum Einbau einer Seitenbühne um einige Meter nach links verlängert werden

Ist der geplante Umbau zu teuer?

Der Verein Aufbau Stuttgart und der Schwäbischen Heimatbund hatten genau zu dieser Fragestellung ins Haus der Architektinnen und Architekten eingeladen. Das Thema der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung „Opernsanierung – ja, aber billiger und besser!“ sorgte für volles Haus und heftige Dispute. Zum Aspekt „billiger“ referierte Eike Möller, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Baden-Württemberg, darüber, ob eine billigere Variante von den Bürgern überhaupt gewünscht wird, und stellte dazu eine Umfrage vor, deren Teilnehmer das Projekt größtenteils als zu teuer erachteten. 


Zum Aspekt „besser“ war ein Architekt anwesend, der in seiner beruflichen Laufbahn bereits Theatersanierungen durchgeführt hat. Ludwig Coulin kennt das Stuttgarter Große Haus aus seiner Zeit beim Staatlichen Hochbauamt Stuttgart, als d1983-1984 die Renovierung des Theaters mit der Rückführung des Zuschauerraums in den Originalzustand durchgeführt wurde. Er war von 1994 bis 2017 in Dresden als Baubeamter zuständig für die staatlichen Bauten und leitete die Sanierung des Schauspielhauses Dresden. Genau diese Sanierung führte er an als Beispiel für eine Baumaßnahmen ohne längere Schließung des Theaters. Vielmehr seien die Arbeiten vor allem in den Spielzeitpausen durchgeführt worden. „Da muss man eben gut planen“, sah Coulin die Voraussetzung für eine erfolgreiche Maßnahme. Damit könne man sich die Kosten für eine Ersatzspielstätte sparen. 

Kreuzbühne oder nicht?

In Stuttgart liegen die Hauptprobleme nach seiner Meinung in der Anlieferungs- und Vormontagezone. „Es ist furchtbar, dass da in dreißig Jahren nichts gemacht wurde,“ meinte er ernüchtert: „Diese technischen Probleme müssen dringend gelöst werden. Das könnte bei laufendem Betrieb gehen.“ Wegen vieler solcher Problembereiche sei dringend eine Sanierung notwendig. Aber solche Maßnahmen könnten in den Spielzeitpausen durchgeführt werden. Auf die Nachfrage der Moderatorin Amber Sayah, wie lange das dauern würde, war Coulin zuerst zaghaft, ließ sich nach mehreren Nachfragen dann aber doch auf die Äußerung „innerhalb dieses Jahrzehnts“ festlegen. Von der sog. Kreuzbühne, also einer von zwei Seiten- und einer Hinterbühne umgebenen Hauptbühne hielt er gar nichts, da diese in Stuttgart nicht getrennt bedient werden können. Er zeigte dazu am Beispiel der Staatsoper in Dresden, die er durch die Wiederherstellung nach dem Hochwasser gut kennt, dass dort die Bühnenbereiche separat beliefert werden können. Genau das sei aber in Stuttgart gar nicht möglich. Deshalb sollte man in Stuttgart gar nicht von einer Kreuzbühne sprechen. Sein Fazit: „Die geplante Kreuzbühne bringt nichts!“ Er stellte in seinem Vortrag auch noch Ideen für eine Erweiterung des Kulissen- und Werkstättengebäudes vor: „Die Seite zur Konrad-Adenauer-Straße bietet Möglichkeiten zur Entwicklung und Erweiterung und zur Verbesserung der optischen Wirkung.“ Auch das könnte unabhängig durchgeführt werden.


In der regen Diskussion stellten die Veranstalter noch einmal klar, dass auch sie sich eine Sanierung wünschen. Allerdings seien Kosten und Art der Maßnahmen diskussionswürdig. Und besonders dürfe die Architektur des Opernhauses nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Es war sogar von drohender „Zerstörung“ die Rede. Die Gäste waren durchaus gespalten. Die Mehrheit der Diskutanten lehnten einen sichtbaren Eingriff in die Bausubstanz ab. Allerdings waren auch Befürworter der bisherigen Planungen anwesend, die versuchten die Kompetenz der Referenten zu bezweifeln. Die Idee eines Bürgerentscheids wurde als indiskutabel abgetan. Massiv trat der Landtagsabgeordnete Martin Rivoir (SPD) als Mitglied im Verwaltungsrat der Staatstheater Stuttgart für die Planung ein. Er sprach sich klar für eine Verschiebung der Seitenfront aus. „Das wird man hinterher gar nicht mehr sehen,“ beschwichtigte er.

Was passiert mit Gottfried Böhms Pavillon?

Eher beiläufig klang an, dass der von Gottfried Böhm geplante Barpavillon abgerissen werden soll. Amber Sayah ergänzte dazu, dass dieser Architekt immerhin der einzige deutsche Pritzker-Preisträger sei. Er erhielt diesen renommierten internationalen Architekturpreis 1986.




Weiterführende Links


Sanierung des Opernhauses

https://opernloderer.blogspot.com/2018/01/bei-der-renovierung-des-stuttgarter.html


Ersatzspielstätte der Oper Stuttgart

https://opernloderer.blogspot.com/2018/02/ersatzspielstatte-der-oper-stuttgart-im.html


Ersatzspielstätte der Oper Stuttgart

https://opernloderer.blogspot.com/2018/05/stadt-und-land-uneinig-uber.html




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