Stadt und Land uneinig über Ersatzspielstätte für die Oper Stuttgart

Die Opernhausrenovierung wird schon vor Beginn zur Opernhauskrise 

Nun doch keine Ersatzspielstätte für Oper und Ballett im ehemaligen Paketpostamt am Rosensteinpark in Stuttgart – oder etwa doch? 

– von Klaus J. Loderer – 

Mit einem baldigen Beginn der Renovierung des Stuttgarter Opernhauses ist nun eventuell nicht mehr zu rechnen. Denn erst einmal bräuchte man eine Ersatzspielstätte für Oper und Ballett. Doch die Planungen für eine Ersatzspielstätte für Oper und Ballett sind vielleicht an den Anfang zurückgeworfen worden. Am 27. November 2017 hatten die baden-württembergische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Theresia Bauer (Grüne) und der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) euphorisch das ehemalige Paketpostamt als Ersatzspielstätte verkündet. Und noch vor wenigen Wochen wischte Kuhn jegliche Kritik daran zu Seite: „Der Zug Richtung Paketpostamt ist abgefahren. Es gibt keinen Rückfahrschein.“ Der Zug ist zwar abgefahren aber Kuhn ließ ihn noch im Bahnhof entgleisen. Denn die drohenden Kosten von 116 Millionen Euro seien der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln, so Kuhn am 9. Mai. Für eine Nutzung von nur sieben Jahren seien die Kosten zu hoch. Externe Gutachter kamen auf diese Kosten für den Umbau des Paketpostamts. Bei 55 Millionen Euro hatte die Kostenschätzung der Abteilung Vermögen und Bau des Finanzministeriums gelegen. Die Stuttgarter Zeitungen meldeten schon das Aus der Interimsoper im Paketpostamt. Droht nun eine Verzögerung des Beginns des Umbaus der Stuttgarter Oper auf 2025?

Nach Meinung der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst ein idealer Standort für Oper und Ballett – nach Meinung des Oberbürgermeisters sind die Kosten dafür dem Bürger nicht vermittelbar
Foto: kjl

Oder war Kuhns Absage doch zu voreilig? Denn bei der Stuttgarter Oper handelt es sich nicht um ein Stadttheater sondern um ein Staatstheater und da bestimmt das Land Baden-Württemberg auch mit. Und das Gutachten interpretiert man im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst scheinbar ganz anders. Ministerin Theresia Bauer teilte am 11. Mai in einer Pressemitteilung mit: „Auch wenn uns diese Kostendimension für das Interim noch einmal zum Nachdenken zwingt – die Sanierung der Württembergischen Staatstheater duldet keinen Aufschub. Es ist wichtig, dass wir an den bisherigen Planungen für das Gesamtprojekt festhalten. Das schulden wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Künstlerinnen und Künstlern und dem begeisterten Publikum.“

Auch die Staatssekretär im baden-württembergischen Finanzministerium, Gisela Splett, schrecken die Kosten nicht: „Das Gutachten liefert uns eine wesentliche Grundlage für das weitere Vorgehen. Es zeigt auf, mit welchem Kostenrahmen wir für die Anforderungen des Staatstheaters rechnen müssen. Arbeitsplätze, Sitzplätze, Bühne, Orchestergraben – all das wird an jedem möglichen Standort einer Interimsspielstätte gebraucht.“

Ministerin Bauer ist noch immer angetan vom Opernstandort im Paketpostamt: „Es ist mir bewusst, dass derartige Summen eine sinnvolle Nachnutzung nahelegen. Unter diesem Aspekt könnte die Ehmannstraße allerdings ein geeigneter und attraktiver Standort für eine Interimsspielstätte sein“, sagte Bauer. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass eine Nachnutzung des Paketpostamts gar nicht möglich ist, denn es soll abgerissen werden, da die Fläche als grüne Erweiterung des Rosensteinparks vorgesehen ist (als Ersatz für von Stuttgart 21 verbratene Grünflächen). Und die Lage eines Theaters im Niemandsland zwischen Hauptbahnhof und Rosensteinpark ist auch problematisch.

Im Verein „Aufbruch Stuttgart“ witterte man durch des Oberbürgermeisters Absage an die Ersatzspielstätte Paketpostamt schon Morgenluft. Der Fernsehmoderator Wieland Backes und der Architekt Arno Lederer favorisieren eine ganz andere Idee, nämlich an der Stelle des Königin-Katharinen-Stifts ein neues Opernhaus zu bauen. Dafür müsste allerdings mal wieder ein denkmalgeschütztes Gebäude geopfert werden, wogegen sich schon Widerstand in der Stadt formiert. Oberbürgermeiste Kuhn meinte gar, der Verein müsse sich mit diesem Vorschlag eher „Abriss Stuttgart“ nennen.

Am 18. Mai trifft sich der Verwaltungsrat der Staatstheater. Wir sind gespannt, wie es weitergeht. Zumindest scheinen sich der grüne Oberbürgermeister und die grüne Ministerin gerade nicht so ganz grün zu sein.

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