Bei der Renovierung des Stuttgarter Opernhauses droht eine starke Veränderung der historischen Bausubstanz
Das „Große Haus“ soll größer werden
– Bei der Renovierung des Stuttgarter Opernhauses droht eine starke Veränderung der historischen Bausubstanz –
von Klaus J. Loderer
Die Stuttgarter nennen ihr Opernhaus ganz bescheiden „Großes
Haus“. Dies in Unterscheidung zum „Kleinen Haus“. Zusammen waren sie die beiden
unterschiedlich groß dimensionierten Zuschauerräume eines 1912 als königliches
Hoftheater eröffneten Doppeltheaters mit Verwaltung und technischen Räumen
zwischendrin. Ursprünglich war das Konzept so gedacht, dass man in beiden Theatern
sowohl Schauspiel wie Oper und Ballett spielt. Aber schon bald erfolgte die
Trennung so, dass im „Großen Haus“ Oper und im „Kleinen Haus“ Schauspiel gegeben wurde. Auch zu Zeiten der „Württembergischen
Staatstheater Stuttgart“ blieb die traditionelle Benennung lange Zeit. 1985
fiel das „württembergische“ aus dem Namen und die „Staatsoper“ wurde zur „Oper“
reduziert. Dann wurde zuerst das „Kleine Haus“ in Schauspielhaus umbenannt, was
sofort für Verwirrung sorgte wegen des ähnlich klingenden „Alten
Schauspielhauses“, und später erhielt das „Große Haus“ den Namen Opernhaus. Wohl um auf die Pluralität
von Opern, Ballett und Schauspiel hinzuweisen, ist der übergeordnete Begriff
sogar seit 2011 „Die Staatstheater Stuttgart“. Das kennt man von „Die Bahn“.
Deren Endloskostensteigerungsbaustelle am Stuttgarter Hauptbahnhof möchte man
wohl wenig entfernt nachmachen.
Denn nun steht die Sanierung des „Großen Hauses“ an. Doch um
die Finanzen geht es mir hier nicht. Ich möchte auf einen anderen kritischen
Punkt hinweisen, der in der bisherigen Diskussion völlig unter den Tisch
gefallen ist.
Die Leitung der Oper hat die Politik in Stadt und Land
bearbeitet und überzeugt, dass neben der eigentlichen technischen Sanierung
auch eine Erweiterung des Gebäudes notwendig sei. Und dazu verfiel man auf die
Idee, die Seitenfassade im Bühnenbereich kurzerhand einige Meter
hinauszuschieben.
Das Theater besitzt nur auf der linken Seite eine
Seitenbühne. Rechts schlossen sich an die Bühne ursprünglich der Eingang, eine
Treppe und Nebenräume für den König an. Diese sind aber schon längst nicht mehr
vorhanden. Immerhin ist der Fassade immer noch eine dorische Halle
vorangestellt, die ursprünglich als überdachte Vorfahrt für den König diente.
Ein Krönchen an der inzwischen blinden Tür deutet das noch an. Dieses
fünfachsige Fassadenstück mit Dreiecksgiebel, das seither kaum aus der
Seitenfassade hervortritt, soll nun um einige Meter versetzt werden, um
dahinter eine rechte Seitenbühne unterzubringen.
Das wäre nach der Verstümmelung des Stuttgarter
Hauptbahnhofs innerhalb kürzester Zeit das zweite Mal, dass die staatliche
Denkmalpflege in Baden-Württemberg die starke Veränderung eines
denkmalgeschützten öffentlichen Gebäudes hinnimmt.
Natürlich kann man argumentieren, dass das doch eigentlich
nur eine kleine Veränderung ist und man das in architektonischer Anpassung mit
entsprechendem Sandstein auch gar nicht erkennen werde. Wobei man da auch
stutzt. Denn eigentlich ist die Denkmalpflege doch normalerweise strikt gegen
Rekonstruktionen und noch mehr gegen stilistische Nachbildungen. Aber die
Verschiebung des Fassadenstücks würde doch eine merkliche Veränderung der
Proportionen des gesamten Gebäudes bewirken. Und damit wäre der Originalentwurf
des Architekten Max Littmann maßgeblich beeinträchtigt.
Nach dem Totalverlust des „Kleinen Hauses“ durch den Abbruch
der Kriegsruine sollte man nun nicht am „Großen Haus“ herummurksen, das den
Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat. Zudem handelt es sich überhaupt
um eines der wenigen großen Theatergebäude in Deutschland, das den Zweiten
Weltkrieg unbeschadet überstanden hat. Daneben kann man nur das Staatstheater
Wiesbaden und das deutsche Schauspielhaus Hamburg nennen. Das Nationaltheater
in München und die Staatsoper Dresden wurden beim Wiederaufbau stark verändert.
Und auch was die zahlreichen Theater Max Littmanns angeht, wurden mehrere im
Zweiten Weltkrieg zerstört. Insofern stellt das „Große Haus“ in Stuttgart eine
Besonderheit dar. Dass die Politik in Land und Landeshauptstadt das architektonische
Erbe nicht zu schätzen weiß, stellt allerdings eine andere Besonderheit dar.
Arno Lederer, Architekt und Architekturprofessor an der
Universität Stuttgart hat den vernünftigen Vorschlag gemacht, dass man statt
eines teuren Interimstheaters doch gleich ein neues großes Opernhaus bauen
könnte und das „Große Haus“ in seiner jetzigen Form belässt. Das ist eine gute
Idee. Der Haken daran ist aber, dass er dafür ein anderes historisches Gebäude,
nämlich das Königin-Katharina-Stift opfern würde. Und in Stuttgart sollte man
eigentlich achtvoll mit den historischen Bauwerken umgehen, deren Zahl
schrumpft.
Veranstaltung zur Opernsanierung
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