Foto-Ausstellung: Otto Kaiser – Ungarisches Kulturinstitut Stuttgart 2020
Über den Dächern von Budapest
– Ausstellung „Tausend Wunder des Karpatenbeckens“ mit Fotos von Ottó Kaiser im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart –
von Klaus J. Loderer
Ottó Kaiser gehört zu den renommierten Fotografen Ungarns. Bekannt sind seine prägnanten Schwarz-Weiß-Fotos von Budapest. Bei der Ausstellung im ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart standen Motive aus dem ländlichen Bereich des Karpatenbeckens im Zentrum. Ottó Kaiser hat über mehrere Jahre in acht Ländern des Karpatenbeckens Motive gesammelt, wodurch er einen bemerkenswerten Querschnitt der Kultur eingefangen hat.
Ausstellung im Ungarischen Kulturinstitut in Stuttgart mit Fotos von Ottó Kaiser |
Scharfkantig und kontrastreich bildet er die Architektur von Dorfkirchen ab. Harte Schlagschatten vermitteln Räumlichkeit. Er spürt die Stille einer Dorfkirche auf und zeichnet architektonische Details mit der Kamera nach. Ein Alter mit Altartuch, Kerze und Kreuz in einer grob gekalkten Apsis wird zum Stilleben. Geradezu liebevoll nähert er sich den Bauern bei ihren Tätigkeiten.
Das stimmungsvolle Bild eines schneebedeckten Hügels, dessen Bodenwelle sich scharfkantig weiß gegen den Himmel abzeichnet, hat das UKI als Blickfänger im Eingangsbereich aufgehängt. Nu ein einsamer Baum sticht schwarz vor dem Himmel ab. Überhaupt zeigt er gerne das schwarze Astgespinst eines winterlich kahlen Baumes hart abgesetzt von Himmel und Landschaft. Ottó Kaiser mag diese scharfen Kontraste. Immer wieder reduziert er die Welt auf grafische Muster. Das kann die Gliederung der Landschaft in Felder sein. Zur schwarzen Silhouette reduziert zeigt er uns den Blick durch einen Bogen in eine alte Stadt. Die Wirkung als Schwerenschnitt wird noch durch ein einzelnes beleuchtetes Sprossenfenster verstärkt. Dass sich Kaiser im Titel dieses Fotos auf einen Roman von Mór Jókai bezieht, erstaunt da nicht.
Doch kann Otto Kaiser auch weich zeichnen. Er tut das etwa beim die Kuppeln des Baus umwölkenden Dampf des Wassers im Außenbecken des Széchényibads in Budapest. Diese weichen grauen Flächen kontrastieren mit dem gegenlichtig schwarzen Vordergrund, mit der Balustrade und den geschwungenen Sprossen des Fensters, durch das das Foto aufgenommen ist. Geradezu sureal wirkt das perspektivisch stark verkürzte Fliesenmuster der Terrasse und ein diese querender Mensch. Dieser erstaunt umso mehr, als Kaiser seine Architekturfotos sonst völlig menschenleer aufnimmt. Der Mensch bleibt wie ausgeblendet in diesen von Menschen für Menschen erschaffenen Kunstwelten.
„Von der Fischerbastei, die sich über der Hauptstadt erhebt, ist die gesamte Pester Seite zu sehen“ – Foto von Ottó Kaiser |
Dieses Bild gehört zu einer Reihe von Budapestbildern. Noch bei einem anderen Budapestfoto spielt Kaiser mit hart und weich. Es ist ein Blick durch drei Bögen der neoromanischen Fischerbastei auf der Burg auf das Parlament, dessen Kuppel gerade noch sichtbar genau in der Mmitte des Bildes aufscheint. Die Architektur hat Kaiser in exakter Symmetrie und harter Schärfe abgebildet. Den Vorderbildergrund bildet eine zur unscharfen Wolke gewordene Menschenmasse, die sich drängt, um den Ausblick zu erhaschen. Sie ist für den Fotografen genauso unwichtig wie für uns und kann deshalb unscharf bleiben. Man findet auch das bekannte Foto eines Blicks über das dunstige Pest. Die Dächerlandschaft wirkt wie gerafft in ihrer großstädtischen Dichte. Dächer und Türme versuchen sich gegenseitig zu übertrumpfen. Und doch hat es Otto Kaiser geschafft das scheinbare Durcheinander in einen symmetrischen Bildaufbau zu bringen, denn er hat erkannt, dass es in diesem Dachgewimmel ein symmetrisches System gibt. Die seitliche Rahmung des Fotos bilden im Vordergrund die Türme der beiden Klothilden-Paläste am Pester Brückenkopf der Elisabethbrücke. Sie gehen fast in der grauen Masse unter. Im Hintergrund stechen genau in der Mitte zwei Kugeln hervor, die Türme der Synagoge in der Tabakgasse (Dohány utca).
„Das einheitliche Gesicht von Budapest gestaltete sich dank des Aufschwungs zwischen dem Ausgleich und dem Zweiten Weltkrieg“ – Foto von Ottó Kaiser |
Der Fotokünstler Otto Kaiser war als Fotograf, Fotoreporter, Bildredakteur und Chefredakteur tätig und ist Gründer mehrer Kultur- und Fotomagazine. Mehr als vierzig Foto- und Bildbände gestaltete er. Seine Fotos waren schon in mehr als fünfzig Ländern zu sehen. Die wichtigsten Einzelausstellungen fanden in Budapest, London, Florenz, Stuttgart, Klausenburg (Cluj, Kolosvár), Neusatz (Novisad, Újvidék), Odorhellen (Odorheiu Secuiesc, Székelyudvarhely), Belgrad, Ankara, Laibach (Ljubljana), Warschau, Montréal, Tirana und Sarajevo statt. Zu den Preisen gehören 2009 das ungarische Goldkreuz pour le Merite (Magyar Köztársasági Arany Éremkerezst), 2010 der ungarische Kunstpreis (Magyar Müvészetért Díj), 2019 der Preis für das ungarische Kulturerbe (Magyar Örökség Díj).
Die Corona-Reiseeinschränkungen verhinderten, dass Ottó Kaiser persönlich zur Ausstellungseröffnung am 21. Oktober kommen konnte. Er schickte ebenso eine Videobotschaft wie Staatssekretär Árpád Potápi. Für die musikalische Umrahmung sorgte der Jazzpianist Péter Sárik.
Ausstellung
Ottó Kaiser
Tausend Wunder des Karpatenbeckens
Ungarisches Kulturinstitut
Christophstr. 7, Stuttgart
21. Oktober – 20. November 2020
Frühere Ausstellung im ungarischen Kulturinstitut Stuttgart
Gert Fabritius und Ákos Matzon 2020
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Máté Orr 2020
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