Konzert: Der Bariton Aris Argiris singt in Rolandseck – 2018

Der Gute unter den Bösen 

– Ein Abend mit dem Bariton Aris Argiris und Peter Bortfeldt am Klavier in der Reihe der Abonnementkonzerte der Johannes Wasmuth Gesellschaft im Arp Museum Bahnhof Rolandseck – 

von Matthias Woehl

Schaut man ins Programmheft ist man erstaunt. Etwas Verismo, etwas Bel-Canto, etwas Verdi, eine bunte Mischung aus dem Repertoire eines Baritons. Aber eben eine Mischung, nicht einzuordnen. Ist er jetzt ein lyrischer Bariton, ein dramatischer? Gerade eben hat Aris Argiris in Wien und in Chemnitz seine ersten hochdramatischen Erfahrungen als Wotan gemacht und damit das Publikum beeindruckt. Aber wie würde ich jetzt sagen: Früher waren Sänger des hochdramatischen Fachs, wie Hans Hotter, neben ihren großen Brocken durchaus in der Lage, noch Mozart und sogar Lieder zu singen. Aris Argiris hat sicher bei seinen hochkarätigen Lehrern (darunter z.B. der große Kostas Paskalis) gelernt, dass man seine Stimme geschmeidig halten muss, um nicht am Ende nur mit drei Partien auf der Bühne zu stehen.

Der Bariton Aris Argiris und Peter Bortfeldt am Klavier 

Foto Klaus J. Loderer

Sein Publikum begrüßt Aris Argiris mit dem Prolog aus Leoncavallos „I Pagliacci“, bei dem etwas sofort auffällt. Wie bei seinen Bühnenrollen stürzt er mit unglaublicher Körperpräsenz auf die Bühne, und gleich wird einem klar, das wird kein langweiliges Absingen irgendwelcher italienischer Arien am Klavier, das wird „großes Theater“.  Aris Argiris stellt dar, singt nicht einfach nur, er ist Mittler von Vorgängen, Worten und Gefühlen.  Das sieht man auch beim nächsten Stück, bei der Arie „Udite o rustici“ aus Donizettis „Elisir d‘ amore“. Wie überzeugend er uns seinen „Liebestrank“ verkaufen möchte, wie listig und gleichzeitig lustig sein wundervoller Bariton zu klingen vermag. Es sind eben Farben, die man geschickt einsetzen muss, wenn man es – wie Aris Argiris – kann. In Sekunden kann er aber auch wieder auf dramatisch umschalten, denn auf das Lustige folgt „Cruda, funesta smania“ aus Lucia di Lammermoor. 

Jetzt folgt ein erster Solo-Klavierbeitrag von Peter Bortfeldt, nämlich das zum Thema passende „Reminiscences de Lucia di Lammermoor“ von Franz Liszt. Hier zeigt er auf eindrucksvolle Weise, was für ein großartiger Solist er am Klavier ist.
Nach großem Applaus kehrt Aris Argiris auf das Podium zurück, um das letzte Stück vor der Pause anzukündigen. Überhaupt ist es schön, dass er seinem Publikum vor jedem Stück etwas über die Oper, aus der er singt, und über die Rolle die er darin verkörpert, erzählt. Das Ganze auf sehr sympathische und oft auch witzige Weise. Er gibt das „Te Deum“ die groß Szene des  Scarpia aus der Oper Tosca von Puccini, von dem er noch erzählte, dass jetzt wohl das große Orchester als auch der Chor fehlen würde. Doch er gibt die Szene dermaßen eindrucksvoll und mit solchem Nachdruck, dass einem gar nicht auffällt, dass da weder Chor- noch Orchesterwogen darunter liegen, was ihm das Publikum mit großem Applaus bestätigt. 

Der zweite Teil beginnt noch mit Puccini und einer Arie aus dem „Mantel“, und dann sind wir mit „Credo in un dio crudel“ aus Otello im düsteren Verdi-Block angekommen. Nach einem weiteren Intermezzo des Pianisten, der Johannes Brahms Ballade „Edward“ zum Besten gibt, kommt mein Highlight des Abends, das wundervolle „O Carlo ascolta … lo morrò“ aus der Oper Don Carlo. Nach einem herzzerreißenden Rigoletto beendet er aber den Abend etwas friedlicher mit „Falstaff“.

Der Bariton Aris Argiris und Peter Bortfeldt am Klavier 

Foto Klaus J. Loderer

Was für Fähigkeiten in diesem Mann stecken. Eines ist klar: er ist für die Bühne geboren, und er kann Gesang und Darstellung nicht voneinander trennen, was ihn zu einem idealen Sängerdarsteller macht. Wie aus einem inneren Bedürfnis heraus, muss er das, was er singt, auch  in Körperhaltung und im Gesicht ausdrücken. Deswegen kann man den Blick von ihm kaum abwenden, weil man Angst hat, irgendetwas zu verpassen. Doch das ist nicht alles, denn er hat auch stimmlich alle Fähigkeiten, um mit diversen Farben die jeweiligen Gefühlslagen hörbar zu machen. Fast umgehauen haben mich so manche hohen Töne, die einen dramatischen Tenor durchblicken lassen. Wie gut er seinen Stimmapparat im Griff hat, zeigt, dass er es nach einem so dramatischen, sich immer mehr hochschaukelnden Programm, als Zugabe sogar zwei wunderschöne ruhige Tosti Lieder singt. Hierfür kann er die Stimme auf ein Mindestmaß, eine ruhige, gar zärtlich Stimmung herunterschrauben, und das ist, gerade heutzutage, eine herausragende Fähigkeit und großartige Leistung. Da kann ein Mann in Schwarz an einem schwarzen Klavier auf der Bühne stehen, und es ist mehr Action zu hören und zu sehen, als bei so mancher Opernaufführung. Großer Jubel beendet diesen eindrucksvollen Abend! Danke dass ich dabei sein durfte.

Besuchte Vorstellung: 2. Juni 2018



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