Theatergeschichte: das Deutsche Theater in London 1900 bis 1908

Ein Jahrzehnt deutschsprachige Theateraufführungen in London

– Das Deutsche Theater in der englischen Hauptstadt und eine Oper im Royalty Theatre – 

von Klaus J. Loderer


Neun Jahre existierte in London das Deutsche Theater, das wechselnde Theatergebäude bespielte. Von 1900 bis 1908 leistete es einen Beitrag deutsche Theaterautoren in England bekannt zu machen. Die Berliner Tageszeitungen berichteten hin und wieder über diese Aufführungen. Nachfolgend seien einige der Theaterkritiken zusammengestellt. Zur Geschichte des Deutschen Theaters hat Katja Krebs 2015 eine Übersicht veröffentlicht. Es gab übrigens schon ein früheres deutschsprachiges Theater in London. Theodor Fontane berichtete in „Ein Sommer in London“ 1854 darüber: „Die Deutschen in London, die es vor Zeiten für ihre Pflicht gehalten haben würden, vornehm auf die Sache herabzublicken, fanden jetzt eine Ehre darin, das Unternehmen um jeden Preis zu stützen und zu halten. Es war ein deutscher Theaterabend: auf den Foyers klangen einem alle Dialekte zwischen Oder und Rhein ans Ohr, der sächsische natürlich, wie der Ton einer Pickelflöte, jeden andren überpfeifend, und am Büffet hätte man glauben können in Dresden oder Berlin zu sein, wenn nicht die Ingwerbier-Flaschen gewesen wären und – die Londoner Preise.“ Das im St James Theatre spielende deutsche Theater wurde von Dr. Küntzel und Emil Devrient gegründet.


Über das neuerliche Projekt eines Deutschen Theaters in London findet man im Sommer 1899 in der in Berlin erschienenen Volkszeitung eine kleine Notiz: „Junkermann sen., der bekannte Reutervorleser und Darsteller Reuter’scher Gestalten, soll im nächsten Winter ein Deutsches Theater in London begründen und leiten.“ (Volkszeitung 24.7.1899) 


Die Nachricht erwies sich insofern als falsch, als nicht August Junkermann sondern sein Sohn Karl Junkermann gemeint war. Karl Junkermann war in Berlin durch die spektakuläre Pleite der Neuen Deutschen Oper im Belle-Alliance-Theater 1892 in die Schlagzeilen geraten. Die Gründung des Theaters in London stand aber tatsächlich bevor. Die Direktion bestand aus Konsul J. T. Grein als Intendant, H. A. Hertz und A. Schulz-Curtius. Acting Stage Manager war Karl Junkermann.


St. George’s Hall am Langham Place in London

Eröffnung des Deutschen Theater in der St. George’s Hall

Die Eröffnung des Deutschen Theaters erfolgte am 31. Januar 1900 in der St. Georges Hall. Als Eröffnungsvorstellung gab es einen Prolog mit Jubel-Ouverture und anschließend das Schauspiel „Mein Leopold“. Das Berliner Tageblatt berichtete über die Eröffnungspremiere: „Ein deutsches Theater in London. In der im Westende gelegenen St. George’s Hall (Langham place) fand heute die Eröffnungsvorstellung des unter der Leitung Karl Junkermanns stehenden neuen deutschen Theaters mit der Aufführung von L’Arronges „Mein Leopold“ statt. Dem Stück ging der Vortrag der Jubelouvertüre von Weber und eines Prologes von Heinrich Blau voran. Letzterer, eine „Captation benevolentiae“ an das englische Publikum, sich von der deutschen Kunst für die deutsche Freundschaft erobern zu lassen, war nicht besonders geschmackvoll, jedenfalls nicht so geschmackvoll, wie das sehr gefällig gezeichnete Programm. […] Das sehr geräumige, der für Salonstücke erforderlichen Traulichkeiten entbehrende Theater war bis auf wenige Plätze gefüllt. In der Proszeniumsloge links saß das deutsche Generalkonsulat, und die Sperrsitze waren von hervorragenden Vertretern der deutschen Kolonie und auch einigen englischen Familien genommen. Erfreulich war es, zu sehen, wie dicht die Galerie besetzt war, und mit welchem Interesse dort der Gang der Handlung verfolgt wurde. Gespielt wurde vortrefflich, und man sah infolge dessen gern über die recht mangelhafte Ausstattung hinweg. Die Gesellschaft, die in Deutschland zusammengestellt worden ist, hat heute einen sehr glücklichen Anfang gemacht und wurde von zwei Gästen, Herrn August Junkermann und Fräulein Josefine Dora (die ich mich erinnere, vor längerer Zeit am Adolf Ernst-Theater gesehen zu haben) thatkräftig unterstützt. Namentlich spielte und sang sich Fräulein Dora sofort in die Gunst des hiesigen Publikums hinein, das sie mit Beifall überschüttete. Herr Junkermann, der seinen Ruf hier durch seine Reuter-Vorstellungen wohl begründet hat, wird keinen Eintrag dadurch erleiden, daß er seine Rolle erst kräftig berlinerisch anfaßte, dann aber, als sie in Pathetische, um nicht zu sagen Larmoyante, fiel, überflüssig gebildet sprach. Ob es geschmackvoll war, daß er in einem Kuplet „Alte Liebe rostet nicht“ erst die Liebe der Engländer fürs Gas, dann für das Glas und schließlich die Liebe der Königin von England für den Prinz-Gemahl besang, soll dahin gestellt bleiben. Auch die Leistungen von Fräulein Nilasson (Clara), die übrigens auch den Prolog sprach, und Georg Worlitzsch (Rudolf Starke) ernteten wohlverdienten Beifall. Als Regisseur erwies sich Herr Worlitzsch nicht gerade als erfindungsreicher Odysseus. Wir wollen im Interesse des jungen Unternehmens von Herzen wünschen, daß der Besuch des Theaters sich in dem Umfange erhalte, wie er in der ersten Vorstellung stattfand. Die treue Hingabe sämmtlicher Schauspieler an ihre heutige Aufgabe verdient, wenn fortgesetzt bekundet, die Anerkennung und eine rege Betheiligung des Publikums, welches das Theater in behaglicher Stimmung verließ.“ (Berliner Tageblatt 1.2.1900)

 

Die 1867 eröffnete und 1966 abgerissene Konzert- und Theatersaal St George’s Hall befand sich an Langham Place, dem geschwungenen Verbindungsstück zwischen Regent Street und Portland Place. Im 19. Jahrhundert fanden dort die German Reed Entertainments statt. Ab 1933 diente der Saal als Aufnahmestudio der benachbarten BBC. 1943 wurde der Saal durch deutsche Bomben beschädigt.

 

In der bis zum 26. Mai 1900 dauernden Saison wurde ein umfangreiches Repertoire mit 33 verschiedenen Stücken gespielt.


Comedy Theatre (heute Harold Pinter Theatre) in der Phantom Street in London

Comedy Theatre

In der nächsten Saison spielte das Deutsche Theater vom 12. Oktober 1900 bis zum 9. April 1901 im Comedy Theatre. Im umfangreichen Repertoire kam Goethes „Faust I“ auf immerhin sieben Vorstellungen. Das Royal Comedy Theatre in der Pantom Street am Haymarket im Londoner Westend wurde 1881 eröffnet. 1898 erwarb der Theaterunternehmer William Greet 1851-1914), dessen Name mit zahlreichen Londoner Theatern verbunden ist, das Theater. Das Deutsche Theater war nur kurz in diesem Theater, denn bereits 1901 veranstaltete Sir Francis Benson dort eine Shakespeare-Saison. 2011 wurde das Theater in Harold Pinter Theatre umbenannt. 

 

Über die erste Aufführung brachte die Berliner Börsenzeitung eine Kritik: „Das „Deutsche Theater in London“ hat nun auch seine Vorstellungen eröffnet, und zwar im Comedy Theatre, also auf einer regulären Londoner Bühne. Die erste Aufführung am 13. d. M. brachte ein vollbesetztes Haus. Zur Aufführung kamen das Vorspiel auf dem Theater zu Faust und Fuldas Lustspiel „Jugendfreunde“. Es wurde mit Beifall nicht gekargt und auch die Englischen Blätter stellen sich im Ganzen zu den Leistungen recht freundlich. Wie so häufig, begegnet man bei dieser Gelegenheit recht scurrilen Betrachtungen in der Englischen Presse, die den geringen Grad der Kenntniß Deutscher Literatur komisch illustrieren.“ (Berliner Börsenzeitung 17.10.1900)

 

Auch über die Premiere von Sudermanns „Johannisfeuer“ am 18. Januar 1901, das mit sieben Aufführungen sehr erfolgreich war, findet man in der Berliner Börsenzeitung eine Kritik: „Sudermanns „Johannisfeuer“ wurde am Freitag Abend in London im Comedy Theater aufgeführt. Es war das die erste Aufführung des Stückes in England überhaupt. Das Spiel der Deutschen Gesellschaft wird gelobt, besonders, Georg Worlitzsch als Vogelreuter und Josephine Dora als Mutter Marikkes. Die beiden Darsteller der im Mittelpunkt des Stückes stehenden Personen, Hans Andresen und Else Gademann, gefielen nicht ganz so sehr. Die Aufnahme des Stückes seitens des zahlreich erschienen Publicums war eine sehr warme.“ (Berliner Börsenzeitung 23.1.1901)

 

In der Berliner Börsenzeitung erfährt man außerdem„Hartlebens Officirstragödie „Rosenmontag“ wurde in London von der Deutschen Gesellschaft im Comedy-Theater zur Aufführung gebracht und machte auf die sehr zahlreich erschienenen Zuhörer einen sehr tiefen Eindruck. Auch die Englische Kritik rühmt das Stück und das ausgezeichnete Spiel.“ (Berliner Börsenzeitug 24.3.1901)

German Dramatic Society

Ab dem 4. Oktober 1900 gab es auch noch die Deutsche dramatische Gesellschaft (German Dramatic Society) in der St. Georges’ Hall unter der Direktion von Carl Schönfeld und der Oberriege von Jacques Goldberg.

Wieder in der St. George’s Hall

Auch das Deutsche Theater spielte in der nächsten Spielzeit wieder in der St. George’s Hall. Die Saison war nun kürzer und dauerte nur vom 29. September 1901 bis zum 28. Februar 1902. Die Berliner Börsenzeitung berichtete über eine Aufführung von Ernst von Wildenbruchs „Haubenlerche“ am Beginn der Saison: „Anläßlich der Eröffnung der Deutschen Theatersaison in London fällen die „Daily News“ folgendes bemerkenswertes allgemeines Urtheil über das Deutsche Theater: „Die ausgezeichnete kleine Gesellschaft Deutscher Schauspieler, die im ganzen vorigen Winter im Comedy Theatre gespielt hat, wurde von dem großen Publicum, das die St. Georges Hall am Dienst Abend füllte, herzlich bewillkommnet. Die Unterstützer des Deutschen Theaters in London halten eine Organisation aufrecht, durch die dem Englischen Publicum eine sehr interessante Gelegenheit geboten wird, die werthvolle Arbeit deutscher Schauspieler und Dramatiker zu studiren, die viel dazu gethan haben, die für die dramatische Behandlung für geeignet gehaltene Lebenssphäre zu erweitern. Besonders haben die Deutschen uns gezeigt, daß das Leben der mittleren und niederen Lebensklassen ebenso geeignet zur theatralischen Darstellung als das der reicheren und mächtigeren Klassen ist, und es war sehr passend, mit einem Stück, das diese Thatsache beweist, die Londoner Saison wieder zu eröffnen.“

(Berliner Börsenzeitung 3.11.1901)

Georg Worlitzsch

Zu den populären Schauspielern in den Anfangsjahren des Deutschen Theaters in London gehörte Georg Worlitzsch (1856-1902). Er begann seine Karriere am Residenztheater in Dresden und ging dann mit Anton Anno 1884 an das Berliner Residenztheater. 1887 wechselte Worlitzsch an das Wallnertheater, wo er bis 1892 tätig war. In der Folge spielte er am Central-, Neuen, Berliner- und Adolf-Ernst-Theater. 1897 bis 1899 war er am Thaliatheater. 1899/1900 begleitete er August Junkermann auf der Reuter-Tournee durch Westfalen, das Rheinland, Hannover und England. Ab dem Herbst 1900 war er Oberregisseur am Deutschen Theater in London. Seine Frau Josefine Dora spielte im Ensemble. Georg Worlitzsch starb am 22. Januar 1902 nach einer Vorstellung. Man erfährt im Nachruf im Neuen Theater-Almanach von 1903 über seinen Tod: Er hatte sich hier in das Fach der älteren humoristischen Charakterrollen eingespielt und hoffte bald nach Berlin zurückzukehren. Das Schicksal hatte es anders bestimmt. Nachdem er mit seiner Gattin Josefine Dora in dem Strande-Engels’schen Volksstück Ihre Familie eine Gesangs- und Tanz-Szene durchgeführt hatte, der Vorhang gefallen war, das Publikum stürmischen Beifall spendete, verschied der Künstler plötzlich am Herzschlag.

Penley Theatre (Novelty Theatre)

Doch auch in der St. George’s Hall blieb das Deutsche Theater nur eine Saison. Der Standort für die Spielzeit vom 29. November 1902 bis Mitte April 1903 war das Penley Theatre. Eröffnet wurde die Saison mit Franz von Schönthans „Im bunten Rock“, das auf elf Vorstellungen kam. Das erfolgreichste Stück war aber mit sechzehn Vorstellungen Wilhelm Meyer-Försters „Alt-Heidelberg“. Die Direktion bestand nun aus Hans Andresen und Max Behrend, der auch das Deutsche Theater in Manchester leitete. Sie reduzierten die Anzahl der Stücke, spielten sie aber öfters. Zu den Neuheiten der Saison gehörten „Das große Licht“, „Kreuzelschreiber“, „Es lebe das Leben“, „Gerechtigkeit“ und „Die tote Stadt“.

 

Beim Penley Theatre in der Great Queen Street handelte es sich um das  W. S. Penley gehörende, 1882 erbaute und 1898 umgebaute Novelty Theatre (ab 1900 Great Queen Street Theatre und ab 1907 Kingsway Theatre).  Das Theater schloss 1941 und wurde 1959 abgerissen. William Sidney Penley war berühmt als Darsteller in Gilbert & Sullivan Operetten und machte 1892 Furore als erster Darsteller von „Charley’s Aunt“. Das Stück setzte damals mit insgesamt 1466 Vorstellungen einen Rekord.

Royalty Theatre

Die nächste Spielstätte war das Royalty Theatre, in dem das Deutsche Theater vom 31. Oktober 1903 bis zum 19. März 1904 spielte. Die Saison wurde mit „Der Sturmgeselle Sokrates“ von Hermann Sudermann eröffnet. Häufigst gespieltes Stück war mit 29 Vorstellungen „Zapfenstreich“ von Franz Adam Beyerlein. Außerdem gab es „Kaltwasser“, „Zwillingsschwester“, „Strom“ und „Wappenhänse“.

 

Das 1840 eröffnete und mehrmals umgebaute Royalty Theatre in der Dean Street in Soho gehörte seit 1877 Miss Kate Santley. Nach einem Umbau wurde das Theater am 4. Januar 1906 wiedereröffnet. 1938 fand die letzte Vorstellung statt. 1953 wurde das Theater abgerissen.

 

Über die letzte Vorstellung der Saison erfahren wir aus der Berliner Börsenzeitung, die besonders hervorhebt, dass der Daily Graphic das Theater gewürdigt habe: „Das Royalty Theatre in London war am Sonnabend, wo die diesjährige Saison des Deutschen Theaters zum Abschluß gebracht wurde, bis zum letzten Platz ausverkauft, und der Beifall wollte am Schlusse der Aufführung von „Im bunten Rock“ kein Ende nehmen. Herr Behrend hielt eine Ansprache theils Englisch, theils Deutsch, in welcher er dem Publicum für das Interesse dankte, das dem Unternehmen entgegengebracht wurde. In zwanzig Wochen, sagte er, seien 25 Stücke der verschiedensten Richtungen zur Aufführung gebracht worden. Er schloß mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß im October dieses Jahres eine neue Saison beginnen werde. Zu den größten Erfolgen der Saison muß sicherlich „Der Zapfenstreich gerechnet werden, und „Hannele“ war künstlerisch jedenfalls die vollendetste Darbietung. Es wurden in diesem Jahre weniger ernste Stücke aufgeführt als in den vorhergehenden Jahren – das Publicum will es einmal so. Jedenfalls muß man es den Künstlern und Künstlerinnen des Theaters lassen, daß sie bei den schwierigen Verhältnissen, mit denen sie zu kämpfen hatten, Alles Mögliche geleistet haben. Der „Daily Graphic“, der der Deutschen Theatersaison einen Leitartikel widmet, sagt, das Großartige in diesem Unternehmen liege darin, daß hier wirklich die Kunst gepflegt worden sei, man habe nicht versucht, das Publicum mit ungeheuren Decorationen oder überhaupt mit Aeußerlichkeiten allein in das Theater zu locken, oder es nur zu amüsiren, sondern man sei von einem rein künstlerischen Standpunkt ausgegangen. Daß man etwas ähnliches in den Englischen Theatern nicht erreichen könne, sei gerade das Unglück des Englischen Dramas, aber das Blatt meint, wenn es den Deutschen Künstlern im Kleinen gelungen sei, dann werde es sicherlich auch einem Englischen Director im Großen gelingen, wenn sich nur einer finden würde, der den Muth hätte, ein solches Experiment zu unternehmen und durchzuführen. Nothwendig allerdings würde es sein, daß er die Unterstützung ebenso gut ausgebildeter Künstler habe wie sie die Deutsche Direction zur Verfügung gehabt habe.“ (Berliner Börsenzeitung 24.3.1904)

 

Auch die Hamburger Zeitung berichtete über das Ende der Saison: „Die fünfte Saison des deutschen Theaters in London schloß am Sonnabend im „Royalty-Theater“ mit der Aufführung von „Im bunten Rock“. Zum Schluß herrschte große Begeisterung. Herr Behrend und Herr Andresen hielten Ansprachen. Die nächste deutsche Saison wird im Oktober beginnen. Die Direktoren sind mit dem Ergebnis der eben geschlossenen Saison zufrieden. Künstlerisch war sie sicherlich ein Erfolg. Die Bruttoeinnahmen haben allerdings abgenommen; aber berücksichtigt man die allgemeine Depression in der Londoner Theaterwelt, so haben die Deutschen gut abgeschlossen.“ (Hamburger Zeitung 24.3.1904)

„Alt-Heidelberg“

Außerdem erfährt man in der Nachricht auch noch von einer Premiere im St James Theatre. Dort fand am 17. März 1904 die Premiere eines deutschen Stücks statt, das schnell durch das Erfolgsstück Alt-Heidelberg ersetzt wurde: „Infolge des Mißerfolgs von Hartlebens „Rosenmontag“, der im „St. James-Theater unter dem Titel „Loves Carnival“ aufgeführt wurde, hatte Mr. George Alexander es für Montag zum letzten Male angesetzt, um dann wieder „Alt-Heidelberg“ auf den Spielplan zu setzen. „Rosenmontag“ wurde am vorigen Donnerstag zum ersten Male in englischer Übersetzung gegeben, ist also nur viermal gespielt worden.“ (Hamburger Zeitung 24.3.1904)

Eine Oper von Alick Maclean im Royalty Theatre

Noch ein kleiner Exkurs zum Royalty Theatre. Im Mai 1904 erschien in der Berliner Börsenzeitung noch eine Notiz zum Royalty Theatre. Diese Nachricht bezog sich zwar nicht auf das Deutsche Theater, da dessen Saison schon beendet war. Aber da es sich um ein kleines Detail zur Operngeschichte handelt, sei es hier erwähnt. Es geht um eine am 29. April 1904 uraufgeführte Oper: „Im Royalty-Theater ging am Freitag-Abend zum ersten Male eine neue Englische Oper „Der Preis des Königs“ zur Aufführung, deren Text sich auf den Roman „Quentin Durward“ von Walter Scott stützt. Der Componist Mr. Maclean hat bereits eine gewisse Berühmtheit dadurch erlangt, daß er im verflossenen Jahre den von der Moody-Menners-Operngesellschaft ausgesetzten Preis von 100 Guineen für eine einactige Englische Oper ohne Chor gewann. Mr. Maclean hat offenbar ein nicht zu unterschätzendes Talent und seinen zukünftigen Leistungen kann man mit Interesse entgegen sehen.“ (Berliner Börsenzeitung 4.5.1904)


Bei der Uraufführung handelte es sich um „The King’s Price“ von Alick Maclean (1872-1936). Mit dem Stoff von Sir Walter Scott hatte dieser sich schon für seine Oper „Quentin Durward“ (1893) auseinandergesetzt. Weitere Opern Macleans sind „Petruccio“ (1895) und „Maître Seiler“ (1909), wie bei all seinen Opern mit einem Libretto von Sheridan Ross. Zwei seiner Opern wurden übrigens in Mainz uraufgeführt: 1906 „Die Liebesgeige“ und 1913 „Die Waldidylle“.


Allerdings scheint, was den Moody-Menners-Preis angeht, eine Verwechslung mit Colin McAlpin (1870-1942) vorzuliegen. Dieser bekam 1903 den Preis für seine Oper „The Cross and the Crescent“. Die Moody-Manners Company führte die Oper in Covent Garden auf. McAlpins Oper „King Arthur” wurde 1903 im Royalty Theatre aufgeführt. Weitere Opern von ihm sind „Fingal“, „Ingomar“ (1910) und „The Vow“ (1915).

Great Queen Street Theatre

Dann zog das Theater für immerhin drei Spielzeiten wieder in die Great Queen Street. Die Neuheiten vom 7. November 1904 bis zum 17. März 1905 dauernden Saison waren „… so ich Dir“, „Zapfenstreich“, „Sein Prinzeßchen“, „Rose Berndt“, „Traumulus“. Der größte Erfolg war aber wieder „Alt-Heidelberg“ mit elf Vorstellungen. Die nächste Saison ging vom 30. Oktober 1905 bis zum 4. Mai 1906. Die Saison 1906/1907 begann erst im April 1907. Zwischen dem 5. und dem 26. April 1907 wurden immerhin sechs verschiedene Stücke gespielt.

Royalty Theatre

Auch die letzte Spielzeit des Deutschen Theaters war nur kurz. Sie ging vom 27. April 1908 bis zum 4. Mai 1908. Drei verschiedene Stücke kamen in insgesamt fünfzehn Vorstellung auf die Bühne des Royalty Theatres. Die Berliner Börsenzeitung berichtete über die neue Theatersaison und bemerkte besonders die positive Kritik in der Times: „Aus London schreibt man uns: Am Montag abend begann, diesmal im New Royalty Theatre, die für dieses Jahr nur auf zwei Wochen ausgedehnte deutsche Theatersaison. So großen Erfolg im künstlerischen Sinne auch die bisherigen Versuche, ein deutsches Theater hier zu errichten, gefunden haben, die materiellen Ergebnisse sind leider immer recht ungünstig gewesen, und so verdient Herr Andresen, der in diesem Jahre wenn auch im bescheidenen Umfange den deutschen Theater- und Kunstfreunden einige genußreiche Abende zu bereiten unternommen hat, in jedem Betracht die Anerkennung und Unterstützung der deutschen Presse, zumal er auch für diese kurze Saison einen Apparat gerüstet hat, der unter allen Umständen auch sehr viel größeren Ansprüchen genügt, als man sie an eine so kurze und schier improvisierte deutsche Saison zu stellen berechtigt wäre. Die Knappheit der zugemessenen Zeit hat dazu gezwungen, nur zwei und zwar ganz harmlos heitere Gaben des deutschen Repertoires nach London zu bringen, den Kadelburgschen Schwank „Der Weg zur Hölle“ und Skowronneks „Panne“ (Puncture). Der Eröffnungsabend war nicht so gut besucht, wie dies unter allen Umständen zu wünschen gewesen wäre, aber die glänzende Darstellung des Kadelburgschen leichten und lustigen Schwankes, namentlich in den Hauptrollen, die Frau Elsa Gademann und die Herren Hans Andresen und Karl William Bueller verkörperten, werden hoffentlich dazu führen, daß auch der materielle Erfolg nicht ausbleibt. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß seit langer Zeit zum ersten Male selbst die „Times“ soweit aus ihrer berufs- und gewohnheitsmäßigen Stellung gegenüber allem Deutschen sich hinauswagt, um der Darstellung der deutschen Künstler ein reiches Maß aufrichtigster Anerkennung zuteil werden zu lassen. Der Kritiker des großen Cityblattes hat herzlich mitgelacht, behauptet zwar, daß man sich nachher des Lachens ein wenig schämen müsse, aber über diesen Gewissenszwang wird am Ende ein jeder hinwegkommen, der das Lachen als eine gesunde Gymnastik ansieht. Die Hochherzigkeit eines deutschen Mitbürgers hat übrigens Direktor Andresen in den Stand gesetzt, Nachmittagsvorstellungen von Lessings „Minna von Barnhelm“ zu veranstalten, die namentlich der deutschen Jugend willkommen sein sollen. Hoffen wir, daß der wagemutige Unternehmer durch den Erfolg, den er diesmal ei seinem kurzen Besuch erntet, in dem Bestreben unterstützt werde, das deutsche Theater wieder zu einer dauernden Einrichtung zu machen.“ (Berliner Börsenzeitung 1.5.1908)

 

Auch eine weitere Kritik ist in der Berliner Börsenzeitung zu finden: „Lessings „Minna von Barnhelm“ wurde dieser Tage im Londonder Royalty-Theater von der deutschen Gesellschaft aufgeführt, die unter dem Namen „Deutsches Theater in London“ während einer kurzen Saison jetzt dort Vorstellungen gibt. Die Aufführung war sehr gut und das Haus voll besetzt. Herr Max Schiefer spielte den Tellheim, und Frl. Elsa Gademann war eine sehr gute Minna. Sie verstand es, besonders viel aus der Szene zu machen, in welcher Minna sich weigert, von Tellheims Ring zurückzunehmen. Am heutigen Donnerstag sowie am Sonnabend wird „Minna von Barnhelm“ wiederholt werden, ein Entschluß, der um so lobenswerter ist, als die außergewöhnlich billigen Preise es auch den minder bemittelten Mitgliedern der deutschen Kolonie in London ermöglichen, wieder ein deutsches Theater zu besuchen.“ (Berliner Börsenzeitung 7.5.1908)

 

Diese Hoffnung wurde nicht erfüllt. Es gab keine nächste Saison. Das war aber noch nicht das Ende deutschsprachiger Theateraufführungen in London. Parallel existierte 1908 noch das Deutsche Volkstheater der Theatergruppe des 1884 gegründeten Deutschen Gewerbe- und Theatervereins. Die Aufführungen waren zuerst im Cripplegate Institute in der Golden Lane. 1909 fanden die Aufführungen im Court Theatre am Sloane Square statt. Da die Miete des Theaters aber dauerhaft zu hoch war, kehrte man 1910 ins Cripplegate Institute zurück. 1910 wurde der Deutsche Bühnenverein London gegründet und veranstaltete ebenfalls Theateraufführungen im Cripplegate Institute. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und den englischen Restriktionen gegenüber feindlichen Ausländern (Alien Restriction Act) 1914 musste das deutschsprachige Theater in London seine Tätigkeit einstellen.

 

Literatur

Diana Howard: London Theatres and Music Halls 1850-1950. London 1970.

Ronald Bergan: The Great Theatre of London. London 1987.

Katja Krebs: German Language Theatre in the West End. In: Paul S. Ulrich [Hrsg.]: Im Spiegel der Theatergeschichte, deutschsprachiges Theater im Wechsel von Raum und Zeit = In the Mirror of Theatre History. Berlin 2015 (Thalia Germanica; 15)

 

 

Weitere Informationen zu August Junkermann findet man hier:

https://opernloderer.blogspot.com/2021/03/theatergeschichte-berlin-der.html

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