Premierenkritik: Gian Carlo Menottis selten gespielte Oper „Der Konsul“ am Theater Krefeld-Mönchengladbach – 2017
Einem menschenverachtenden System ausgeliefert
– Premiere von Menottis Oper „Der Konsul“ des Theaters Krefeld-Mönchengladbach –
von Matthias Woehl
Menottis Meisterwerk berührt sicher deswegen so sehr, weil
das Sujet einfach so greifbar, so nachvollziehbar, und auch so nahe ist. Der
Protagonistin Magda Sorel ist ab einem bestimmten Punkt einfach „nicht mehr zu
helfen“, und das nicht, weil (wie bei vielen anderen Opern) die Dame das Falsche
tut, macht, denkt oder sagt, sondern weil sie an einem System scheitert, dem
das persönliche Schicksal eines Menschen völlig egal ist. Eigentlich ist die
Oper für sensible mitfühlende Menschen überhaupt nicht auszuhalten! Menotti hat
das richtige sensible Händchen sein Libretto mit der richtigen Musik zu
untermalen. Er ist irgendwie eine Fortführung von Puccini und Strauss, und man
kann sich fast gar nicht entscheiden, ob er oder sein langjähriger
Lebensgefährte Samuel Barber der eigentliche Erbe der beiden Vorreiter ist.
Regisseurin Katja Bening inszeniert einen klassischen „Konsul“, wie es Menotti
auch ausdrücklich vorgeschrieben hat. Lediglich ihre Personenführung lässt hier
und da Wünsche offen. Musikalisch bietet Mönchengladbach Großartiges! Allen
voran Izabel Matula als Magda Sorel. Sie singt mit hervorragendem Sporan, der
nötigen Bedeutungsschwere in der Stimme, ist absolut höhensicher, und besonders
in ihrer eindrucksvollen großen Szene „mein Kind ist tot“ rührt sie einen zu Tränen.
Andrew Nolen ist ein ebenso berührender und darstellerisch starker John Sorel.
Die Sekretärin von Janet Bartolova besticht besonders durch ihre szenische
Darstellung. Diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Einzelschicksal ist schon
eiskalt, aber sie versteht auch den Wandel der Figur glaubwürdig darzustellen,
das Mitleid nach dem Tod der Anverwandten, die Unfähigkeit zu helfen, wenn John
vom Agenten der Geheimpolizei abgeführt wird, als auch ihr „zu spätes
reagieren“, alles sehr eindrucksvoll. Überhaupt ist es der Abend für
Singdarsteller: Debra Hayes als Italienerin, Satik Thumyan als Mutter und
Gabriela Kuhn als Anna Gomez – alle stellen ihre Figuren nachvollziehbar dar.
Großartig singt und spielt auch Matthias Wippich den Agenten (macht wirklich
Angst), traurig stimmt einen Hayk Deinyan als Kofner.
Einziges Problem: trotzdem man die Oper (sinnigerweise) auf
Deutsch spielt (hier ist ja verstehen auch unbedingt nötig) ist außer Markus
Heinrich als Nika Magadoff „keiner“ zu verstehen! Schade, wieder klebt man an
der Übertitelung!
Grandios auch das Orchester unter der Leitung von Diego
Martin-Etxebarria. Das einzige Problem, das ich mit der Oper habe, ist auch
schnell gesagt: alles ist extrem bedrückend, extrem mitreißend, traurig. Es
wäre nicht nötig gewesen, in der letzten Szene alle Toten noch einmal Revue
passieren zu lassen. Das ist fast etwas zu viel! Überhaupt, nach dem Tod des
Kindes ist Pause, und auch am Ende traut man sich aus Anstand fast nicht zu
klatschen. Bis ins Mark gerührt verlasse ich nach tränenreichem Abend das
Theater und es passierte etwas, das Jahre nicht passiert ist: ich konnte
bestimmt eine Stunde nicht sprechen. Ein großer Opernabend!
Besuchte Vorstellung: Premiere 4. Februar 2017
Theater Mönchengladbach Foto: Klaus J. Loderer |
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