Mozarts „Così fan tutte“ – Hessisches Staatstheater Wiesbaden – 2018

Theater im Theater 

Uwe Eric Laufenbergs überrascht mit seiner Inszenierund von Mozarts „Così fan tutte“ im Hessischen Staatstheater Wiesbaden 

von Klaus J. Loderer 

Der Vorhang offen, der Orchestergraben von einem Laufsteg umgeben und gar kein Bühnenbild. Doch halt. Das Proszenium ist gewissermaßen verdoppelt: den vergoldeten Bühnenrahmen, der Bogen und die Logen hat Bühnenbildner Matthias Schaller etwas verkleinert in den großen Rahmen gestellt. Man blickt vom Zuschauerraum in den Zuschauerraum – ein Effekt, der durch einen großen Spiegel im Hintergrund entsteht, in dem sich der echte Zuschauerraum spiegelt. Und um das zu verdeutlichen, ist die Bühne in ein zweites Parkett verwandelt, in dem auch Zuschauer sitzen. Bei beleuchtetem Zuschauerraum setzt die Ouverture ein und dann sollte die Oper anfangen, doch das verhindern drei diskutierende Herren in der ersten Reihe, die aufspringend sich um die Treue von Frauen streiten, einer hält alle Frauen für untreu, zwei verteidigen ihre Verlobten. Man einigt sich auf eine Wette, dann nehmen sie brav wieder Platz. Die Oper könnte nun einsetzen, doch nun fällt es zwei Frauen im Parkett auf der Bühne ein, von ihren Verlobten zu schwärmen, genauer gesagt von den zwei jungen Männern im gegenüberliegenden Parkett, die dann männlich posieren, damit die Damen mit ihren Mobiltelefonen Fotos machen können. Die Soufleuse in der linken Loge verlässt irgendwann entnervt ihren Platz.

Natürlich wird die Vorstellung von „Così fan tutte“ nicht gesprengt von diskutierenden Zuschauern. Das ist Teil der Inszenierung des Intendanten Uwe Eric Laufenberg. Schließlich singen die genannten fünf ihre Texte, und die perfide Geschichte um die Wette auf die Treue von Fiordiligi und Dorabella ist ja genau die von Lorenzo da Ponte entwickelte Handlung der Oper. Aber man ist dann doch überrascht, wie sich die Handlung als Theater im Theater entwickelt. Überraschend entpuppt sich dann ein Teil des Publikums auf der Bühne als Chor. Diesen hat Antje Sternberg mit heutiger Kleidung als gegenwärtige Opernbesucher kostümiert. Und die Souffleuse ist das Hausmädchen Despina, das irgendwann, gekleidet wie das Wiesbadener Vorderhauspersonal, mit einem Tablett mit Schokolade (so das Libretto) und Champagner (passt ja zum Opernbesuch) wieder auftaucht. So geht es weiter, Don Alfonso quetscht sich schon mal durch die Parkettreihen durch. Teile des Publikums sind ziemlich nah dran am Geschehen, Despina setzt sich dann auch mal auf den Schoß eines Zuschauers.

Inzwischen haben die Bühnenarbeiter die beiden feschen Mädels in der ersten Reihe entdeckt und fangen an zu baggern. Zwei davon machen sich besonders ran. Es sind die als Bühnenarbeiter verkleideten Ferrando und Guglielmo, die mit ihren falschen Bärten, Sonnenbrillen und Mützen auch mal wirklich anders aussehen als vorher. Auf Geheiß von Don Alfonso sollen sie ihre Verlobten verführen. Um den Reiz der Geschichte zu steigern, verschiebt er die beiden Jungs so, dass sie nun auch noch jeweils die Verlobte des anderen anbaggern. Dass die beiden Frauen am Ende dann nicht so genau wissen, in wen sie jetzt eigentlich verliebt sind und etwas betreten zwischen beiden wechseln, ist dann nicht erstaunlich. Aber schließlich leert man zusammen die Flasche Rotwein, die Don Alfonso am Anfang als Wetteinsatz eingebracht hat. Und die beiden Damen scheinen nun auch Don Alfonso sympathisch zu finden, an den sie sich am Ende ankuscheln. Eine Menage-à-six?

Dass den Sängern dieses Spiel einen ziemlichen Spaß bereitet, ist offensichtlich. Deren gute Laune breitet sich dann auch schnell im Publikum aus, das eifrig klatscht und ob der Gags kichert. Cristina Pasaroiu ist am Ende des ersten Akts sogar kurz vor einem Lachanfall, obwohl sie Ferrando eigentlich ganz böse anschauen soll.

Und auch musikalisch ist die Aufführung sehr erfreulich. Konrad Junghänel leitet das Hessische Staatsorchester Wiesbaden sehr einfühlsam – ergreifend gestaltet die traurigen Momente, mit erquickender Fröhlichkeit die ausgelassenen Momente. Nur kurze Abschnitte hat der Chor in „Così fan tutte“ zu singen, aber er ist in Wiesbaden den ganzen Abend auf der Bühne präsent, und besonders die Damen sind spielerisch viel im Einsatz, etwa, wenn sie den auf die untreuen Frauen schimpfenden Guglielmo aus dem Theater rauswerfen.

Auch die Auswahl der Solisten ist überaus glücklich: ein durchweg gut singendes und gut agierendes Ensemble. Da ist der Bassbariton Thomas de Vries, als langjähriges Ensemblemitglied dem Wiesbadener Publikum durch unzählige Auftritte bekannt, als hier doch sehr charmanter Intrigant Don Alfonso – solide und gut wie immer. Wir haben Cristina Pasaroiu als Fiordiligi mit vielen anrührenden Momenten. Ihr steht Silvia Hauer als Dorabella nicht nach. Ioan Hotea als Ferrando ist ein in der Höhe sicherer Tenor. Ebenso präzise singt Alexander Knight den Guglielmo. Und Stella An mischt als Despina, Ärztin und Notarin eifrig in der Intrige mit.

Besuchte Vorstellung: 21. Januar 2018
(Premiere 1. November 2015)
Hessisches Staatstheater Wiesbaden, Großes Haus

Hier gelangt man zur Kritik von Matthias Woehl von "Così fan tutte"

Bühnenarrangement von Matthias Schaller für „Così fan tutte“ im Hessischen Staatstheater Wiesbaden
Foto: Klaus J. Loderer

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