Premierenkritik: Nino Rotas „Il Cappello di paglia di Firenze“ – Musiktheater im Revier Gelsenkirchen – 2016

Großartiger Wurf mit kleinen Mängeln 

Premiere von Nino Rotas „Il Cappello di paglia di Firenze“ (Der Florentinerhut) im Musiktheater im Revier Gelsenkirchen 

– von Matthias Woehl – 

Wir alle kennen seine Filmmusik von „Krieg und Frieden“, „Der Pate“, und von sämtlichen Fellini-Filmen. Ich dachte, ich hätte von ihm noch nie eine Oper gehört, aber das stimmt gar nicht, doch dazu später. Es ist so eine süße Geschichte, um den jungen Ferdinand, dessen Esel auf dem Weg zu seiner Hochzeit den Strohhut der verheirateten Anaide auffrisst, und deren Liebhaber ihn zwingt, den Hut sofort zu ersetzen. Der Hut ist ein Geschenk ihres eifersüchtigen Ehemannes, und Anaide darf nicht ohne ihn nach Hause kommen. Aber es gibt unglaubliche Verwicklungen bei der Wiederbeschaffung des Hutes.

Ferdinand (Ibrahim Yesilay) auf der Party der Baronessa di Champigny (Noriko Ogawa-Yatake) in Nino Rotas "Il Capello di paglia di Firenze" in Gelsenkirchen
Foto: Malinowski

Das ganze wurde durch die Kurzoper „Die Fahrschule“ von Nino Rota als Vorspiel ergänzt, und es passt wundervoll als Einleitung in das Verwirrspiel. Rotas Musik klingt wie eine wundervolle Mischung aus Mozart, Rossini, Bellini und seiner eigenen Filmmusik. Regisseurin Sonja Trebes setzt das mit viel Witz und einer gehörigen Portion Erotik und Romantik in Szene. Ihr stehen auch ein spielfreudiges Ensemble zur Seite. Ibrahim Yesilay gibt einen zauberhaften Ferdinand, der (getrieben von Emilio als auch dem künftigen Gangster-Schwiegervater) seine Abenteuer durchleidet. Er besitzt einen herrlichen Tenor mit wundervoller Höhe. Seine Elena Bele Kumberger spielt zwar ihre Rolle in köstlicher Manier, aber stimmlich ist sie leider sehr grenzwertig. Glanz in die Hütte bringt Noriko Ogawa-Yatake als Baronessa di Champigny. Da sieht man mal wieder, was langjährige Ensemblemitglieder so zu leisten in der Lage sind! Mit viel Aplomb gibt sie absolut überzeugend die große Dame, und ist herrlich erschüttert, wie die Ferdinand verfolgende Hochzeitsgesellschaft auf ihrem Fest einfällt, und es auseinander nimmt. Auch schon lange im Ensemble: Anke Sieloff, die an diesem Abend mit ihrem herrlichen Mezzosopran die Anaide gibt. Köstlich, wie sie in ihrem engen Rock versucht durch ein Fenster zu steigen. Noch besonders zu erwähnen ihr eifersüchtiger Ehemann Beaupetuis hervorragend gestaltet und gesungen von Urban Malmberg.

Der Chor ist nicht nur stimmlichgut aufgestellt (Leitung Alexander Eberle), sondern spielt so engagiert, wie ich lange keinen Operchor mehr erlebt habe. Grandios die Hochzeitsgesellschaft, und besonders köstlich ist es eine Choristin zu beobachten, die im Hause von Ferdinand eine Gerte findet, und den dazu passenden Popo unter den Kollegen zu finden versucht. Doch wirklich schade an der Sache: Warum auf Italienisch? Karlsruhe hat das Stück in den 1950er Jahren einmal auf Deutsch gespielt, es muss also eine Übersetzung geben. Es handelt sich um eine Verwechslungskomödie, und endlich ist mal was los auf der Bühne. Doch um in der Geschichte zu bleiben, muss man dauernd nach oben auf die Übertitel schauen. Wie ärgerlich, denn in der Zeit verpasst man wieder etwas auf der Bühne.

Ich dachte ja ich hätte noch nie einen „Florentinerhut“ von Rota gehört, aber das stimmt nicht. Im Regal bei mir daheim steht eine Aufnahme mit keiner geringeren als Magda Olivero als Baronessa di Champigny (aus Brüssel 1976), und die höre ich gerade. Dauernd lacht das Publikum, und ich erinnere mich an das, was in entsprechender Szene in Gelsenkirchen so zu sehen war. Großes Theater, das muß man gesehen haben! Auf Kinder, ab in den Pott!

Besuchte Vorstellung: Premiere 19. November 2016

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