Richard Wagners „Tristan und Isolde“ – Bayreuther Festspiele – 2017
Und Marke holt sich seine Braut
Richard Wagners „Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen
Wie schon im Premieren-Jahr beeindruckte und berührte mich die Inszenierung von Festspielleiterin Katharina Wagner sehr. Ihr Konzept ist überzeugend und durchdacht, und regt vor allem zum Nachdenken an. Das schöne bei ihren Inszenierungen ist auch, dass man beim Wiedersehen immer neue Aspekte und Impulse entdeckt, die einem vorher noch nicht aufgefallen waren. So ist es mir auch diesmal wider ergangen, und vor allen Dingen schätze ich ihre Intelligenz und Feinfühligkeit. Man fühlt sich, im Gegensatz zu anderen Operregisseuren, nicht für „blöd verkauft“, oder „verarscht“, nein, auch diese Inszenierung regt zur Diskussion an.
Ihr Protagonistenpaar agiert im ersten Akt auf Brücken, die mit Treppen verbunden sind. Tristan und Isolde möchten „zusammen sein“, doch das wird mit aller Gewalt verhindert. Treppen brechen weg, auf denen sie zueinander gelangen könnten, erreichen sie einander, küssen sie sich, halten sich fest. Sie brauchen Brangänes Liebestrank nicht, sie verschütten ihn, sie sind bereits verliebt (wissen wir ja aus der Vorgeschichte). Ihnen ist klar das sich ihre Liebe nicht erfüllen wird, die Zeit ist knapp, denn König Marke weiß bereits von ihrer Beziehung. Im zweiten Akt sind sie Gefangene in einem geschlossenen Raum, von einer Brücke werden sie von König Marke und seien Mannen beobachtet. In der Wand Gestänge, beim Versuch daran hinaufzusteigen brechen die Stangen aus der Wand unmöglich diesem Raum zu entfliehen. Sie ergeben sich ihrem Schicksal, sie wissen das ihre Zweisamkeit im Leben nicht lange dauern wird. Wie schon im Premieren-Jahr rührt mich die Projektion, in denen Tristan und Isolde als zwei schwarze Gestalten ihren Weg zurück gehen, immer jünger werdend, das Leben noch einmal Revue passieren lassend, dazu diese zärtliche Musik, da geht sehr viel emotionales in mir vor. Da sie auch immer wieder von Spots angestrahlt werden, bauen sie sich mit einem Tuch einen kleinen Rückzugsort, um wenigstens einmal ungestörte Zweisamkeit erleben zu dürfen. Doch das wird dann mit dem Erscheinen von Marke und seinem Gefolge zunichte gemacht. Wer ist Marke, ein König, er gibt doch seine Braut nicht einfach kampflos einem dahergelaufenen Brautwerber hin. Und er reicht Melot das Messer, mit dem er den Gegenspieler ausschalten soll. Dieser tut es. Im 3. Akt erleben wir noch die Phase Tristans zwischen Leben und Tod, in Dreiecken sehen wir, wie er seine Isolde zu fassen versucht, aber ihr Fällt der Kopf ab, sie versinkt im Boden oder beim Versuch sie zu umarmen fallen die Kleider ohne Körper ins ich zusammen. Isolde kommt, bittet Tristan noch zu bleiben, wenigstens eine Stunde, doch er ist bereits tot. Marke schnappt sich seine Braut und führt sie fort. Das der Abend aber kein Fest wird, ist der musikalischen Seite anzulasten.
Petra Lang ist alles, nur keine Isolde. In der Mittellage spricht sie, singen kann man das nicht nennen. Die Töne sind überhaupt nicht miteinander verbunden, es ist eine art heiseres Gurgeln, gallig, hässlich. Hin und wieder keift sie mit großem Kraftaufwand laute Töne heraus, gerne neben dem Ton. Die leisen Passagen sind ausschließlich gebrüllt, denn ein Piano, wo soll das her kommen? Dazu müsste man „auf dem Atem“ singen. Die Sprache in der sie singt, nicht auszumachen. Meine Lieblingsstelle im 3. Akt, das „ich bin’s, ich bin’s, süßester Freund“, diese rührendste aller Passagen der ganzen Oper, ohne Orchester, brüllt sie ihrem verblichenen Geliebten entgegen, ihr Liebestod eine Qual, und das laute Buuuh am Ende ihrer Arie, noch während laufender Musik, ist völlig gerechtfertigt! Der einäugige unter den Blinden ist der Tristan von Stephen Gould, der zwar in der Mittellage ordentlich singt (auch bei ihm kein Wort zu verstehen) aber er hat starke Probleme bei den hohen Tönen seiner Partie. Wie singen geht zeigt den jungen Leuten dann Bayreuth Urgestein René Pape als Marke. Man versteht auf einmal den Text, es wird gesungen, obwohl er erkältet ist. Da gibt es ein zurücknehmen da gibt es ein Piano, da gibt es Legato, absolut Makellos. Und auch etwas anderes zeigt er mit Bravour: wie man trotz einer Erkältung kultiviert singt (ja, mit der richtigen Technik geht das), und einen Husten sogar noch darstellerisch in die Partie einarbeitet! Bravo. Eine schöne Stimme, und ihre Partnerin völlig an die Wand singend, Christa Mayyer als Brangäne. Getrübt ihr Gesang leider auch durch Probleme in der Höhe. Eher blass der Kurwenal von Iain Paterson. Erstaunlich flott das Dirigat von Christian Thielemann, hervorragend das Orchester. Aber das was mich an diesem Abend am traurigsten macht ist, das man die musikalische Seite bejubelt, als ob wir einer Weltsensation beigewohnt hätten, und die wirklich großartige Regieleistung ausgebuht wird. Verkehrte Welt!
Matthias Woehl
Besuchte Vorstellung: 26. Juli 2017
Festspielhaus Bayreuth
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