Richard Wagners „Tristan und Isolde“ – Bayreuther Festspiele – 2017
Festspielhaus Bayreuth – Foto: Klaus J. Loderer |
Im Treppenlabyrinth
Beklemmende Inszenierung von Katharina Wagner von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ bei den Bayreuther Festspielen
von Klaus J. Loderer
Dass Katharina Wagner in Bayreuth für ihre Regiearbeiten praktisch immer ausgebuht wird, ist man ja inzwischen gewohnt. Obwohl ich das sehr ungerecht finde, denn sie schafft es doch immer wieder, das Publikum mit ihren Interpretationen zu Diskussionen anzuregen. Ich erinnere nur an das unendliche Gezetere, das nach jeder Aufführung ihrer Meistersinger durch Bayreuth wogte. Dagegen fand ich ihren Tristan beim ersten Sehen vor zwei Jahren geradezu blaß. Nun, beim zweiten Sehen, konnte ich der Inszenierung schon mehr abgewinnen.
Sind es nach den Szenenvorgaben Wagners ein Schiff auf der Überfahrt von Irland nach Cornwall, ein Garten in der Burg von König Marke und eine Burg auf den Klippen am Meer, die den Rahmen der Handlung von „Tristan und Isolde“ bilden, entführt die Bayreuther Inszenierung in eine surreale Welt. Bühnenbilder Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert schufen für den ersten Aufzug ein verwickeltes vielgeschossiges Treppensystem mit geradezu labyrinthischen Verstrickungen. Wäre dieses Treppensystem regelmäßig, könnte man es mit der Bibliothek in Umberto Ecos „Name der Rose“ vergleichen. Das Treppensystem scheint weder Ein- noch Ausgänge zu haben und auch keine Räume zu erschließen. Und doch könnte man durch den nach hinten spitz zulaufenden Grundriß und die heb- und senkbare Brücke entfernt den Innenraum eines Schiffs assoziieren. Während Kurvenal und Tristan sich gezielt in diesem System bewegen, scheinen Brangäne und Isolde darin eher herumzuirren. Bildet das Treppenhaus das komplizierte Geflecht der Beziehungen zwischen den vier Personen im ersten Aufzug ab? Der Versuch Isoldes, über bestimmte Treppen zu Tristan zu gelangen, scheitert dann auch daran, daß diese Treppen plötzlich abbrechen. Die Frauen werden schließlich sogar aus dem Treppensystem ausgestoßen. Es ist das Thema der Furcht Tristans, auf die die Inszenierung abhebt, der von Isolde provokativ artikulierten Furcht Tristans, was passieren wird, sollte er Isolde nah kommen. Das Treppensystem verhindert diese Begegnung einige Zeit, bis Isolde gewissermaßen die Regie übernimmt. So bedarf es dann auch keines Liebestranks, damit sich Tristan und Isolde schließlich in den Armen liegen.
Noch bedrohlicher ist die Szenerie im zweiten Aufzug: ein spitz zulaufender dunkler Raum, dekoriert mit Metallringen, die an einen Maschinenraum erinnern. Hoch oben gibt es einen Umgang, auf dem Beleuchter mit Scheinwerfern stehen. Sie folgen den erbarmungslos in diesen Raum gestoßenen Personen in allen Bewegungen nach. Isolde baut sich schließlich aus einer Decke eine Art Zelt, unter das sie mit Tristan flüchtet, um so etwas wie Intimität zu gewinnen. Es ist kein freiwilliges, heimliches Rendezvous. Brangäne versucht sich unter Metallringen zu verstecken. Kurvenal versucht vergeblich, aus diesem Raum zu fliehen. Die Ringe brechen ab, wenn er vorsucht an ihnen die Wand hinauf zu klettern. Andere Ringe fahren aus der Wand und setzen ihn gar gefangen. Tristan und Isolde versuchen schließlich – passend zur Todessehnsucht des Textes – durch Selbstmord diesem Gefängnis zu entfliehen. So ist es wohl gar nicht das Stelldichein der verbotenen Liebe sondern der Versuch sich dem System zu entziehen, das, was Melot dem König präsentiert. Dieser ist hier nicht der schwache, milde König, sondern ein harter Machthaber. Marke zwingt Isolde zum Blowjob, Melot sticht Tristan in den Rücken.
In tiefes Dunkel ist der dritte Aufzug gehüllt. Vier Männer, darunter Kurvenal und der Hirte, sitzen um den immer noch am Boden liegenden Tristan. Rote Totenlichter brennen. Totenwache für Tristan? Ist es eine Rückblende, wenn Tristan erwacht? Die vier Männer bemerken das nicht. Es gibt das den ganzen Akt dauernde Siechtum Tristans in dieser Inszenierung schlichtweg nicht. Wir sehen in Zeitlupe die Sekunden des Sterbens Tristans. Im Dunkel der Bühne werden nacheinander Dreiecke sichtbar, in denen Tristan Isolde zu sehen wähnt. Doch sind es Traumvisionen, Spukgestalten ohne Inhalt. Eine fährt in die Tiefe, einer fällt der Kopf ab, eine ist eine leere Hülle. Alle entziehen sich seinen Annäherungen – Visionen eines Alptraums oder die Visionen des sterbenden Tristan. Das Auftauchen Isoldes schließt dann zeitlich an das Ende des zweiten Akts an. Ich verweise nur auf den durch den Film „Brazil“ berühmt gewordenen Kunstgriff. Dass Kurvenal Melot umbringt, ist hier als direkte Reaktion auf die Tag Melots am Ende des zweiten Akts zu sehen. Marke läßt Tristan aufbahren, Isolde will nicht wahrhaben, daß Tristan tot ist. Am Ende stirbt sie auch nicht den vorgesehenen Liebestod, sondern wird von König Marke hart von der Bühne geführt.
Was den Gesang angeht, waren die Leistungen durchaus unterschiedlich. Hervorzuheben ist der wunderbare René Papa, der den König Marke mit Wohlklang gestaltete – und das, obwohl er wohl etwas erkältet war. Auch Raimund Nolte sang die Rolle des Melot gut. Und Iain Paterson ist als Kurvenal zu loben. Christa Mayer als Brangäne war passabel. Stephen Gould (Tristan) fing jeden Akt sehr erfreulich an, geriet dann aber nach einiger Zeit leider in jedem Akt in eigentümliche Stimmformationen. Und dann gibt es natürlich auch die Rolle der Isolde. Die Leistung Petra Langs kann man leider nur als unschönes Geschrei bezeichnen (bei übrigens jeglicher Unverständlichkeit des Textes), das niemals im Bayreuther Festspielhaus hätte erklingen dürfen. Werten wir das in das Orchesterfinale hineinplatzende Buh (sehr ungewöhnlich in Bayreuth) als gerechten Ausgleich. Beim Schlussapplaus war Petra Lang allerdings nicht etwa zerknirscht sondern suhlte sich selbstzufrieden grinsend im Schlamm des unverdienten Beifalls.
Das Orchester war eine erfreuliche Komponente, von der man ins Schwärmen kommen kann. Christian Thielemann leitete das Festspielorchester sicher. Kann man ihm manchmal vorwerfen, allzu getragen zu dirigieren, war er hier von einer stürmischen Leidenschaft getragen und artikulierte gleichermaßen fein die Nuancen der Orchesterpartien.
26. Juli 2017
(Premiere 2015)
Festspielhaus BayreuthHier kommen Sie zur Besprechung von Matthias Woehl
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