Premierenkritik: Glucks Oper „Armide“ – Staatstheater Mainz
Männer sind fett und Frauen sind Milchkühe
Premiere von Glucks „Armide“ im Staatstheater Mainz
– von Matthias Woehl –
Eine Oper über den Konflikt zweier Glaubensgruppen, eine Zauberin, Liebe, Leidenschaft, Verführung... und eine Regisseuse! Ja schade, so ein schönes Stück, so viele Möglichkeiten, doch Lydia Steier fällt dazu nicht allzu viel ein. Dicke barocke Männer, oder schlanke mit großen goldenen Dildos vor den Latz genäht, Frauen mit überdimensionalen Titten. Also wir lernen: Männer sind fett und Frauen sind Milchkühe. Von einer Zauberin, Verführungskünsten, gar der Liebe zwischen Armide und Renaud, gibt es wenig zu sehen. Eine Beziehung baut sich weder auf, noch geht etwas in die Brüche, bei Wutausbrüchen steht man gelangweilt herum, eigentlich findet die Geschichte kaum statt. Doch zu einem ist das Szenenmädel doch in der Lage: bei dem Paar, bei dem es am wenigsten passt, da kann man schönen Schwachsinn zeigen: Sidonie nimmt ihrem Artemidore (der ja eigentlich geil auf sie ist) das „Gewehr“ ab (Entmannt, grandios!) , er quiekt, als sie ihm zwischen die Beine greifen will, er wird dann (ohne sein Geschoss) zum Stiefellecker, und darf dann den Kopf mal zwischen ihre Schenkel legen (Gähn)! Außer Geschlechterkampf kann Lydia Steier noch politisch, denn es gibt sogar traumatisierte Kämpfer! Es wird dem Hass an den Titten gesaugt, es wird dem Lustgeist an den Titten gegrabscht, ideenlose Lücken füllt man mit Drehbühneneinsatz, das war dann der ganze Zauber.
Stephan Bootz in „Armide“ am Staatstheater Mainz Foto: Andreas Etter |
Nadja Stefanoff singt aber eine wundervolle Armida, in allen
Lagen wohltönend, aus einem Guss, mit sauberen Läufen, mit der Fähigkeit zu
Gestaltung allein durch die Stimme, und das alles mit Legato! Ihr nimmt man die
Figur auch ab, sie gestaltet, liebt, leidet, ist wütend, ja es macht einfach
Spaß ihr zuzusehen. Das ganze Gegenteil ihr Renaud (ich kann weder sagen
gesungen noch gestaltet) von Ferdinand von Bothmer. Selten einen so jaulenden
und wimmernden Tenor gehört, Höhe ist nicht vorhanden, Tiefe eigentlich auch
nicht... die Mittellage war manchmal sogar da. Seine Buhrufe erhielt er beim
Schlussapplaus zu Recht (nein, nicht von mir). Wunderbar Stephan Bootz als
Aronte, der ja seinen Mund nur zu öffnen braucht, und es tönt herrlichste Musik
heraus. Unfassbar auch Genevieve King als Hass. Ihr Stimme ist ausschließlich
in der Mittellage ordentlich geführt, hohe Töne kommen eher nicht, und eine
effektvolle abfallende Skala gerät zum Lacher des Abends. Sie singt diese zwar,
aber keinen Ton richtig (selten so etwas unschönes gehört). Der Rest der Damen
und Herren sind alle einem Staatstheater unwürdig besetzt.
Daß es nicht einen
einzigen Applaus nach einer Arie gab, nicht einen nach einem Akt, nur
schleppend ein Applaus aufkam zur Pause, das mag auch an dem unglaublich
langweiligen und undifferenzierten Dirigat von Clemens Schuldt gelegen haben
(man gähnte um uns herum, schaute auf die Uhr, schlief), und das
Philharmonische Staatsorchester tönt beherzt (besonders im ersten Teil) daneben.
Armida ist nun wirklich keine lange Oper, aber man fühlt sich, als hätte man
einen Parsifal ausgesessen.
Besuchte Vorstellung: Premiere am 14. Januar 2017
Staatstheater Mainz
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