Premierenkritik: Glucks „Armide“ – Staatstheater Mainz – 2017
Oper im Möbellager
Langweilig geriet Glucks „Armide“ am Staatstheater Mainz
Man kann sich beim heute gar so prüden sog. nahen Osten kaum mehr vorstellen,
daß diese Region als Orient hierzulande einmal als Synonym für fremdartige
Erotik stand. Solchen Gefahren sind die Kreuzritter, die in Torquato Tassos
Epos sich auf den Weg nach Jerusalem machen, durchaus ausgesetzt. Die Zauberin
Armida, die den Helden Rinaldo verführt, ist ein solches Beispiel, und besonders im 18.
Jahrhundert populär, weil man mit dieser Geschichte Opern in exotischem Milieu
und prachtvollen Bühnenbildern ansiedeln konnte. Kein Wunder, daß die
Geschichte so oft vertont wurde. In Glucks Oper „Armide“ heißt das Paar dann
französisch Armide und Renaud.
Glucks Oper „Armide“ am Staatstheater Mainz Foto: Andreas Etter |
Wenn man nun eine Geschichte leicht
in die Gegenwart übertragen könnte, dann diese, denn sie spielt ja in der Nähe
von Damaskus, wo man sich ja gerade mal wieder eifrig mit Kriegsspiel
beschäftigt. Geht es bei Tasso um den Konflikt zwischen christlichen
Kreuzrittern (die Macht des Guten) und Muselmanen, denen Zauberei und gar die
Dienste der Hölle zugeschrieben werden, erfand man in Mainz einen Gegensatz
zwischen der Gegenwart und einer antik-barockisierenden Welt. So weit so gut.
Das ist gerade einer der üblichen Inszenierungsansätze für Barockopern. Das
ermöglicht den Einsatz barockisierender Kostüme und man kann immer noch
entschuldigen, das sei ironisch gemeint. Allerdings hätte man die Wertung dann
ruhig dem Zuschauer überlassen können. Dem wird aber in Mainz wohl keine
Meinung zugetraut (sonst hätte das Publikum die Barockwelt vielleicht sogar
noch hübsch gefunden). Diese antik-barockisierende Phantasiewelt ist gleich
eindeutig negativ, mit ihrer Neigung zum Kanibalismus (die Kriegsgefangenen
werden geschlachtet und dann lustvoll verspeist) geradezu ekelerregend
gezeichnet. Dazu wurde der Chor mit dicken Bäuchen, goldenen Penissen und
wabernden Hängebusen ziemlich grotesk antikisch angehaucht ausstaffiert
(Kostüme Gianlucca Falaschi). Man hat sich wohl von Fellinis Film Satyricon
inspirieren lassen. Obersatyr ist dann Arides Onkel Hidraot mit goldenem
Widdergeweih.
Armide ist mit ihrem eher aus dem
19. Jahrhundert abgeleiteten Kleid gleich als nicht so ganz zu dieser
Gesellschaft zugehörig gezeichnet. Ihr Zauberschloß, das sie zu Beginn
herbeizaubert ist ein Halbkreis hoch aufgestapelter Barockschränke und Kommoden
(Bühne Katrin Kersten). Das sieht hübsch aus und ist sogar benutzbar. Die
Schranktüren lassen sich öffnen. Das hätte für überraschende Auftritte sorgen
können, hätte man das heranmarschierende Personal nicht immer schon vorher
gesehen. Zwischendrin befindet sich auch noch die Karosserie einer Kutsche,
wohl als Liebeslaube zur Verführung des Renaud gedacht, der aber eigentlich
immer nur gelangweilt drinnen saß. Überhaupt schlug die Regie Lydia Steiers
nach dem anfänglichen Orgienversuch dann schnell in Langeweile um. Dazu trug
auch das uninspirierte Dirigat Clemens Schludts nicht unwesentlich bei.
Nadja Stefanoff als Armide am Staatstheater Mainz Foto: Andreas Etter |
Am Ende wird Armide dann in einen
Käfig gepackt. Das Möbellager verschwindet in den Hintergrund.
Nadja Stefanoff ist ein Glücksfall
für die Partie der Armide. Ausdrucksstark und mit sicherer Höhe interpretiert
sie diese nicht einfache Partie. Ferdinand von Bothmer musste sich am Ende
verdientermaßen einige Buhs abholen. Ansonsten hüllen wir die musikalischen
Leistungen lieber in diskretes Schweigen.
Klaus J. Loderer
Besuchte Vorstellung: Premiere 14.
Januar 2017
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