Premierenkritik: Mit dem Rheingold beginnt der Ring im Staatstheater Wiesbaden – 2016

Orient in Bayern 

Wagners „Rheingold“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden 


Vom Textdetail des Auges ließ sich Bühnenbildner Gilbert Jäckel wohl inspirieren zum Eingangsbild des neuen Rings am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, der am Sonntag mit der Premiere von „Das Rheingold“ anlief. Alberich raubt dann nicht einfach das Gold, sondern buddelt in der Tiefe. Doch was der Archäologie (er sollte in seiner europäischen Kleidung des 19. Jahrhunderts wohl an Schliemann erinnern) fand, zeigt sich erst in der vierten Szene, wenn er das trojanische Goldgewand einem machtgierigen Nomadenhäuptling ausliefern muss, der ihn in einem Käfig entführt hat. Auch der Tarnhelm verstärkt die Antikenreminiszenz.

Rheingold am Staatstheater Wiesbaden: Gloria Rehm
Foto: Karl Monika Forster
Die Lichtalben sind nun orientalische Nomaden. Wotan ist der schon genannte Nomadenfürst, der mit Frau Fricka, Sippschaft und Kinderschar in einem großen weißen Zelt lebt. Das zeigt einen schön altmodischen und dekorativen Orientalismus. Doch man möchte das Nomadendasein beenden und träumt von einem festen Haus, das ihm die Riesen, hier Osmanen, errichtet haben. Das Modell ist die ganze Zeit sichtbar, ein großer dorischer Tempel soll es werden. Der wird dann am Schluss auch in voller Größe sichtbar, wenn die Rückwand des Zelts verschwindet und man dann endlich Walhall zu sehen bekommt. Walhall liegt dann doch nicht im Orient sondern im tiefsten Bayern. Man erkennt die Walhalla bei Regensburg, zumindest den Fuß der Säulen, einen Teil der Eingangstür und schließlich deren Innenraum. Lakaien schaffen die Umzugskisten hinein, dann zieht Wotan mit Sippschaft zum monumentalen Schlussmarsch ein. Doch von der klassizistischen Walhalla ist es hier auch ein direkter Weg zur neoklassizistischen Reichskanzlei Adolf Hitlers, denn die wird hier den Flügeltüren sichtbar.

Über die weitere Deutung des Regisseurs Uwe Eric Laufenberg darf man gespannt sein.


Musikalisch hat Alexander Joel mit flotter und prägnanter Orchesterführung für ein kurzweiliges Musikereignis gesorgt. Unter den Sängern ist besonders Thomas de Fries als Alberich mit sehr markantem Bass hervorzuheben – und ebenso der Tenor Thomas Blondelle als Loge.

Klaus J. Loderer


Besuchte Vorstellung: Premiere 13. November 2016

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