Premierenkritik: Wagners Oper Die Walküre – Staatstheater Wiesbaden – 2017
Flucht, Krieg und schließlich eine Reithalle
– Premiere „Die Walküre“ am Staatstheater Wiesbaden –
von Klaus J. Loderer
Nach dem interessanten Rheingold-Auftakt des Rings hatte ich mir einen spannenden Abend versprochen. Schließlich erwartet man sich am Staatstheater Wiesbaden doch etwas mehr als in Mainz. Noch dazu wenn Uwe Eric Laufenberg inszeniert.
Gerd Grochowski als Wotan im Finale Walküre Foto: Karl Monika Forster |
Das Orchester war unter Alexander Joel spannungsreich. Und man hatte mit Richard Furman einen guten jungen Siegmund gefunden, der in der Rolle nicht nur gesanglich sondern auch optisch überzeugte. Auch sein Gegenspieler Hunding war mit Young Doo Park sehr gut besetzt. Sabina Cvilak war als Sieglinde passabel. Und Margarete Joswig gab eine gute kalte Fricka.
Als Szenerie entwarf Bühnenbildner Gisbert Jäkel für den ersten Akt ein Gasthaus, in dem nach Feierabend die Hocker gestapelt sind. Die noch nicht abgeräumten Biergläser an der Theke wurden wohl nur eilig abgestellt, weil die Trinker plötzlich aufbrechen mussten. Sie rennen eine Etage höher herum auf der Suche nach Siegmund, der oben und hinten auf der Bühne herumirrt, gejagt von schwarz-gekleideten Häschern. Die Figur des Hunding wurde durch Statisten ergänzt. Schließlich gerät dann Siegmund in die Gaststube und trifft dort auf Sieglinde. Die Geschichte entwickelt sich recht glaubhaft.
Der zweite Akt spielt dann in
einem großen Zelt, in dem sich ein riesiger Konferenztisch befindet. Soll das
im Zweiten Weltkrieg spielen? Man mag es als Kriegsmetapher nehmen und
Einstimmung auf die Auseinandersetzung, die da droht. Offiziere tun da
geschäftig. Einer davon ist Wotan im langen Offiziersmantel (Kostüme Antje
Sternberg). Fricka kommt in langem Kleid und Pelzmantel. Dann streitet man um
den Tisch herum. Auch das lässt sich nachvollziehen. Im Szenenwechsel wird die
Haut des Zelts abgezogen. Für die Todverkündung ist Regisseur Laufenberg eine
schöne Idee eingefallen: wenn Brünnhilde von den Wonnen Walhalls erzählt,
drapieren sich auf dem Konferenztisch dekorativ Wunschesmaiden und nehmen
Helden und Wotan und Fricke Platz. Das Ende des zweiten Akts ist dann schon
weniger glücklich. Wie Siegmund erschlagen wird, ist, da es hinter dem Tisch
geschieht, nicht so ganz wahrnehmbar. Hundings Mannen legen den Sterbenden auf
den Tisch, wo Wotan von ihm Abschied nimmt. Allerdings würde Sieglinde den
Sterbenden nicht alleine lassen und einfach so davongehen. Und völlig albern
ist der Zweikampf Hunding-Siegmund mit Gewehr gegen Schwert.
Der dritte Akt spielt dann in
einer Reitschule. Dafür hatte man sich sogar ein echtes Pferd geholt, das
allerdings weniger gut dressiert war als die Sängerinnen und die
Regieanweisungen erst einmal kurzerhand verweigerte. Aber wenn schon Pferd,
dann doch bitte mehrere, denn eigentlich haben doch alle Walküren ein Pferd.
Die Mode, daß die Walküren mit Leichenteilen herumwerfen, macht man nun auch in
Wiesbaden mit. Es mag plakativ sein, aber es leuchtet nicht ein. Die Walküren
sollen doch ganze Helden nach Walhall bringen und sind doch keine Aasgeier –
auch wenn sie nach Leichen gieren, wie Siegmund so schön erkennt.
An dieser Stelle könnte man nun
trefflich über das Thema der vierten Wand im Theater diskutieren. Wenn ein Raum
als völlig geschlossen dargestellt wird, können sich doch nicht die Walküren an
den vorderen Bühnenrand stellen und in den Zuschauerraum, also in die Ferne
starren. An dieser Stelle kann doch in diesem Raum gar kein Fenster sein. Besonders
albern ist das, wenn dann Brünnhilde von hinten auftaucht. Und die
Feuerschalen, die später hereingebracht werden, sehen ja dekorativ aus, aber
wenn sie schon brennen, bevor Wotan Loge herbeiruft, nimmt das Musik und Text
die Wirkung. Und in diesem Fall ist das Feuer ja wirklich komponiert.
Brünnhilde wird schließlich in einer Germania-Figur eingeschlossen. Wozu man
allerdings das Feuer überhaupt benötigt und in diesem Fall nicht einfach das
Tor der Reithalle abschließt, kann man sich natürlich auf fragen. Und gleich
noch eine Frage des banalen Zuschauers: Wie kam eigentlich Wotan aus der
Reithalle raus, wo doch die Walküren das einzige Tor von außen verschlossen
haben. Hat sich der Regisseur etwa im eigenen Regiekonzept verstrickt?
Die Oper endet mit Projektionen
einer beleuchteten Großstadt und dann vergrößert einer großstädtischen Straße.
Was sagt uns das? Flieht Sieglinde nicht in den Wald sondern in den
Großstadtdschungel? So richtig neugierig bin ich nicht, wie das weitergeht.
Tragisch für das Staatstheater
ist, daß der Wotansänger Gerd Grochowski nach der Vorstellung plötzlich verstorben
ist.
Besuchte Vorstellung: Premiere 15. Januar 2017
Staatstheater
Wiesbaden
Über das Rheingold am Staatstheater Wiesbaden können Sie hier lesen
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