Verdis Oper Attila – Oper Bonn – 2017
Krieg in zerstörter Stadt
Bühnenbilder von Dieter Richter an der Oper Bonn für Verdis »Attila«
von Klaus J. Loderer
Sehr melodisch ist Verdis Oper. Einen schier unglaublichen Melodienreigen hat Giuseppe Verdi über seine Oper »Attila« ausgegossen, eine ist schöner als die andere. Dabei geht es in dieser Oper nicht gerade um nette Leute. Der Heerführer Attila durchzieht mit seinen Hunnen gerade metzelnd und mordend Europa. Ezio kommt das gar nicht ungelegen, könnte er doch so die Macht in Italien übernehmen und den römischen Kaiser beseitigen. Odabella und Foresto möchten Attila umbringen. Odabella verhindert aber Forestos Mordanschlag, indem sie Attila vor dem vergifteten Trank warnt – sie selbst möchte ihn umbringen.
»Attila« an der Oper Bonn: George Oniani als Foresto Foto: Thilo Beu |
Als Illustration für diese Oper prangt groß an der Fassade
der Oper Bonn Artemisia Gentileschis Gemälde »Judith und Holofernes«. Auf dem Gemälde wird der alttestamentarischen Erzählung
entsprechend gezeigt, wie Judith gerade dem Holofernes mit dessen Schwert die
Gurgel durchschneidet. Diese Entsprechung zum Mord in der Liebesnacht gibt es
tatsächlich auch in Verdis Oper, in der am Ende Odabelle Attila in der
Hochzeitsnacht umbringt. Und wie in der Judithgeschichte läßt sich auch
Odabella mit Attila ausschließlich deshalb ein, um ihn umzubringen – ein
interessanter Eheschließungsgrund. Diese Parallele dient für die Bonner
Inszenierung als Inspiration der Schlüsselszene, die der Zuschauer allerdings
gleich am Anfang andeutungsweise vorgespielt bekommt, wenn hinter der die Bühne
noch verschließenden Hausfassade ein Zimmer mit einem Bett auftaucht: ein Mann
mit nacktem Oberkörper legt sich auf das Bett, zwei Frauen setzen ein Schwert
an seinem Hals an. Immer wieder sieht man diese Szene wie einen Alptraum – aber
erst in der Schlußszene spritzt dann tatsächlich das Blut.
Dieser Mord soll tatsächlich historisch sein. Attila soll
von einer seiner Frauen umgebracht worden sein. Aus dem historischen
Hintergrund flossen zwei weitere Szenen in die Oper ein. Die Gruppe von
Flüchtlingen in der Lagune besingen mit dem Entstehen einer neuen Stadt
pathetisch die Gründung Venedigs, das hat das italienische Publikum der
Uraufführung natürlich verstanden. Und auch die Szene vor den Toren Roms, wenn
der Papst mit seinem Gefolge Attila entgegentritt und dieser auf die Knie fällt
gehört bildet ein wichtiges Detail römischer Kirchengeschichte oder ist
zumindest ein wichtiger Mythos.
Gönnt die Bonner Inszenierung der Lagunenszene den Pathos,
gibt Regisseur Dietrich W. Hilsdorf der in den Kostümen (Kostüme Renate
Schmitzer) prunkvollen Rom-Szene dann doch einen gehörigen Schuss Ironie bei,
wenn der Papst auf einem Hubwägelchen heroinkutschiert wird und der Fahrer dann
gelangweilt Zeitung liest.
Den Rahmen für die Bonner Inszenierung bildet ein grandioses
Bühnenbild von Dieter Richter. Mit feinem Gespür für die Stimmungen eines Stücks entwirft Dieter Richter phantasievolle Bühnenbilder. Zum Vorspiel ist die Bühne durch ein großes
Tableau verschlossen, das die Fassade eines großen Mietshauses zeigt. Im
Erdgeschoss sind Arkaden. Unsanft ist ein Garagentor eingebaut. Dahinein passt genau
ein Gestell aus Gerüststangen, das das Attilas Schlafgemach aufnimmt. Die
geöffnete Bühne gibt den Blick frei auf einen fast realistisch nachgebauten
Platz in einer Stadt, mit durch kriegerischen Beschuss arg in Mitleidenschaft
gezogenen Fassaden. Im Hintergrund sehen wir nun räumlich die anfangs gemalte
Fassade. Oben ist der Häuserblock schon eingestürzt, die Mauern ragen nur noch
als Ruinen auf. Dieser Platz bildet den Rahmen für die gesamte Aufführung. Den
Szenenwechsel auf die Lagune hat Dieter Richter geschickt gelöst, indem ein
Vorhang quer über die Bühne gezogen wird, der den Blick auf das Meer zeigt. Ein
nettes ironisches Element ist hinten links die Würstchenbude, die für die
Bewirtung beim Fest sorgt.
Soldaten rennen kämpfend durch die Stadt, Zivilisten
versuchen sich in den Ruinen zurechtzufinden. Um einen verheerenden Krieg geht
es in der Oper, wir sehen ihn deutlich, allerdings nicht in der Spätantike
sondern im 20. Jahrhundert. Geschickt bewegt Regisseur Hilsdorf die Chormassen,
ergänzt durch nicht wenige Statisten. So entsteht eine kurzweilige Aufführung,
der ohne Pause gespielten, ohnehin nur zwei Stunden dauernden Oper.
Die Figur des Attila steht im Zentrum der Oper. Sehr präsent
gestaltete Franz Hawlata diese Partie. Allerdings hat er sich mit dieser Rolle zumindest
in der Vorstellung am 5. Februar doch etwas übernommen, was schade ist, da man
ihn doch als guten Sänger in Erinnerung hat. Aber immerhin, er singt seine
Partie im Gegensatz zu den Mitsängern, die ihre Rollen vor allem mit Lautstärke
gestalten. Das ist nun leider ein Problem bei Yannick-Muriel Noah als Odabella
ebenso wie bei George Oniani als Foresto. Will Hamburg dirigierte das
Beethoven-Orchester Bonn.
Aber insgesamt eine eindrucksvolle Aufführung. Es fällt zu
Beginn die Kinnlade runter und dann guckt man staunend bis zum Ende.
Besuchte Vorstellung: 5. Februar 2017
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