Ausstellung über die Separatvorstellungen des bayerischen Königs Ludwig II. – Deutsches Theatermuseum München 2023

Imaginationen eines Königs 

– „In meiner Vorstellung – die Welt der exklusiven Aufführungen von König Ludwig II.“, eine Kabinettausstellung im Deutschen Theatermuseum München – 

von Klaus J. Loderer


Auf dem Plakat hält Ludwig II. die Augen geschlossen. Das stark bearbeitete Foto des bayerischen Königs greift den Titel der kleinen Ausstellung auf: „in meiner Vorstellung“. Doch der Satz ist vieldeutig. Denn es geht in der Ausstellung zwar um Imaginationen des Königs – aber um solche, die er visuell umsetzen ließ. Und „in meiner Vorstellung“ darf man bei einer Ausstellung des Deutschen Theatermuseums wörtlich im Sinne von Theatervorstellung und wörtlich im Sinne von Vorstellungen für einen einzelnen Zuschauer nehmen. Denn Ludwig II. besuchte das Theater bevorzugt in Privataufführungen, den sogenannten Separatvorstellungen, die im Residenztheater oder im Hof- und Nationaltheater stattfanden. Dass er diese Vorstellungen ohne störende Zuschauer, die ihn durch die Operngläser beobachteten, bevorzugte, kolportieren die Führer in den Königsschlössern genüsslich. Doch wird dabei die Dimension nicht so ganz deutlich. Denn in den Jahren zwischen 1872 und 1885 ließ er sich 209 Separatvorstellungen zeigen. Es waren zu Anfang Schauspiele und erst ab 1878 insgesamt 44 Opernaufführungen, darunter zwei Aufführungen von Wagners Ring. Viele dieser Produktionen wurden eigens für die privaten Aufführung erstellt.

Die Menge der Aufführungen verdeutlicht die Kabinettausstellung im Deutschen Theatermuseum mit einer eindrücklichen Installatation. Im dunkelblau gehaltenen Eingangsraum, der als Zwischenbereich vor der eigentlichen „Wissensausstellung“ fungiert, hängen runde Tafeln mit den Titeln der aufgeführten Stücke herunter. Auf kleineren runden Tafeln findet man die Aufführungsdaten.


Blick in die Ausstellung „In meiner Vorstellung“ im Deutschen Theatermuseum in München

Foto: kjl


Die eigentliche Ausstellung stellt dann einige dieser Stücke vor mit Bühnenbildentwürfen, Bühnenbildmodellen, Kostümfigurinen, Darstellerfotos und Besetzungszetteln. Auch wenn die Ausstellung eher klein ist, ist die Materialfülle üppig. So kann man sich geraume Zeit in die ausgestellten Dinge vertiefen. Der Kern der Exponate stammt natürlich aus der Sammlung des Theatermuseums, doch hat sie Kuratorin Susanne de Ponte mit Objekten aus anderen Sammlungen ergänzt. Zu den Blickfängern der Ausstellug gehört ein prachtvoller Gehrock aus dem Bayerischen Nationalmuseum, der eventuell im Ballett „Ein Ballett unter Ludwig XV.“ getragen wurde. Tatsächlich belegt ist der Entwerfer. Denn direkt daneben zeigt die Ausstellung den Entwurf von Franz Seitz. Diesen kennt man durch die von ihm gestaltete Gondel für die Venusgrotte in Linderhof. Der Zusammenhang zwischen den Aufführungen des Hoftheaters und den Schlossprojekten wird in der Ausstellung immer wieder deutlich. Ein großes Foto mit einem Bühnenbildmodell der Spiegelgalerie von Versailles von Christian Jank aus dem Jahr 1873 verweist schon auf das wenig später geplante Herrenchiemsee. In diesem Fall ging es Ludwig II. aber vor allem um eine realistische Kulisse für das Theaterstück „Das Alter eines großen Königs“.


Eingangsinstallation der Ausstellung mit einem Doppelporträt von Ludwig II. und Josef Kainz

Foto: kjl


Erinnerungsfoto einer besonderen Reise

Wie sehr Ludwig II. die Authentizität der Aufführungen wichtig war, zeigt ja auch die Reise, die er zusammen mit dem Schauspieler Josef Kainz an den Vierwaldstätter See unternahm, um Rezitationen aus Schillers „Wilhelm Tell“ an den Originalschauplätzen zu erleben. Die damals entstandenen Fotos von König und Schauspieler bilden das zentrale Motiv der Ausstellung. Das vergrößerte Foto zur Einstimmung zeigt den sitzenden König mit dem stehenden Schauspieler. Auf dem Foto auf dem Rückweg steht der König neben dem sitzenden Schauspieler. Die kleinen Originalabzüge findet man in einer Vitrine der Ausstellung. Besonders pikant ist, dass bei einem Bild eine berühmte Retouche vorgenommen wurde: So scheint Josef Kainz einfach hinter der König zu stehen. Dass eigentlich seine Hand auf der Schulter lag, ist in einem weiteren, nicht retuschierten Abzug zu erkennen. 


Mit diesem Foto spielt auch der Schluss der Ausstellung. Eine Rauminstallation soll die Besucher zu eigenen Fotos ermutigen. Sie dürfen die Rolle des Schauspielers Kainz einnehmen und mit dem König posieren. Den effektvollen Hintergrund bildet das Bühnenbild Angelo II. Quaglios zu „Herodias“, einem Schauspiel von Gottfried von Böhm. Die geplante Aufführung am 13. Juni 1886 konnte der König nicht mehr sehen, da er, inzwischen entmündigt, auf Schloss Berg unter Hausarrest einquartiert war und genau an diesem Tag im Starnberger See starb. Die Premiere von „Herodias“ fand erst im Folgejahr im Hof- und Nationaltheater statt.


Figurine des Lohenrin, Kostümentwurf von Franz Seitz von 1867 für Richard Wagners Oper „Lohengrin“ (Deutsches Theatermuseum)


Separatvorstellungen von Wagner-Opern

Natürlich findet man in der Ausstellung Exponate zu den Wagner-Aufführungen. Aber diese stellten unter den mehr als zweihundert Aufführungen nur einen kleinen Teil dar. Allerdings gehört Wagners „Tristan und Isolde“ zu den mehrfach in Separatvorstellungen gezeigten Werken. Die Wagner-Aufführungen waren mit ihren aufwendigen Bühnenbildern und komplizierten Umbauten kostenintensiv. Wagner war von Ludwigs Aufführungspraxis auch nicht immer angetan. Da er nicht auf das restliche Publikum Rücksicht nehmen musste, da keines vorhanden war, konnte er nach Belieben in die Aufführung und ihre Abfolge eingreifen. Als der König am 12. November 1880 das Parsifal-Vorspiel wiederholen ließ und dann gleich noch ein Lohengrin-Vorspiel zum Vergleich hören wollte, passte das dem anwesenden Komponisten überhaupt nicht. Der schlug die Einladung zur „Aida“ am Folgetag dann demonstrativ aus. Die Verdis „Aida“ war übrigens die erste Oper in der Reihe der Separatvorstellungen. Auch bei dieser Aufführung am 8. Mai 1878 ließ der König zum Vergleich vor der Verdi-Oper Wagners Siegfried-Idyll spielen.


Bewusst setzte Kuratorin Susanne de Ponte bei der Auswahl der dargestellten Stücke einen Schwerpunkt in den Stücken, die sich um den französischen Königshof der Bourbonen drehen. Daran hatte Ludwig II. bekanntermaßen ein großes Interesse. Und entsprechend legte er großen Wert auf stilistisch stimmige Kostüme und Kulissen. So macht die Ausstellung deutlich, dass Ludwig II. nicht nur passiver Betrachter sondern vielmehr aktiver Gestalter in seinen Theaterprojekten war.


Fotografie mit dem Schauspieler Ernst von Possart als Narziss und Figur einer Wackelkopfpagode

Foto: kjl


Immer am 9. Mai

Der Spitzenreiter bei den Separatvorstellungen war Albert Emil Brachvogels Schauspiel „Narziss“. Es hatte eine Sonderstellung im Spielplan des Hoftheaters, da es seit 1870 immer am 9. Mai gespielt wurde, zuerst öffentlich und dann als Privatvorstellung des Königs. Der 9. Mai war der Todestag der Madame de Pompadour, um die es im Stück auch geht. Diese Rolle ließ Ludwig II. immer wieder von anderen Darstellerinnen spielen, darunter von bekannten Schauspielerinnen anderer Theater. Zu diesem Stück gehört ein weiteres auffälliges Exponat: eine Wackelkopfpagode, die sitzende Figur eines Orientalen, wie sie als Requisit auf einem den Schauspieler Ernst von Possart in der Rolle des Narziss zeigenden Foto zu sehen ist. 

  


Kabinettausstellung

In meiner Vorstellung

Die Welt der exklusiven Aufführungen von König Ludwig II.

19. April – 30. Juli 2013

Deutsches Theatermuseum 

Galeriestraße 4a, 80539 München

 

 

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