Ausstellung „Hauptsache“ – Bayerisches Nationalmuseum München

 Was man auf dem Haupt trägt 

– Ausstellung „Hauptsache – Hüte. Hauben-Hip-Hop-Caps“ gibt eine Übersicht zur Geschichte der europäischen Kopfbedeckung – 

von Klaus J. Loderer


„Doch heut auf die Wiese begleitest du mich;
mit Blumen und Bändern putz dich fein:
sollst mein stattlicher Herold sein!“


So lässt Richard Wagner im dritten Aufzug seiner Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ Hans Sachs zu seinen Lehrbuben David sagen. Es wird deutlich, dass diese Bedeutung von putzen anders ist als die biedere heutige. In Goethes Faust erzählt der Theaterdirektor im Vorspiel auf dem Theater: „Die Damen geben sich und ihren Putz zum besten und spielen ohne Gage mit.“ Auf diese alte Bedeutung von Putz und putzen deutet eine zierliche Porzellanfigur aus dem 18. Jahrhundert hin, die Putzmacherin, die in der Ausstellung „Hauptsache“ im Bayerischen Nationalmuseum in München zu sehen ist. Dort geht es um die Dinge, die eine Putzmacherin oder Modistin herstellt, nämlich Hüte.


Voller Begeisterung stürmt eine Frauengruppe in den Salon mit hohen Spiegeln. Dort stehen Hüte zur Anprobe bereit. Die einfachen Topfhüte und die weichen Herrenhüte finden schnell einen Kopf. Der Traum aus rosa Federn harrt weiter der Dame und ein schwarzer Zylinder bleibt ebenso stehen. Man fotografiert sich gegenseitig und in Grüppchen. Das Ambiente ist ein klassizistischer Salon im Bayerischen Nationalmuseum.


Die Hüte der eigentlichen Ausstellung darf man aber (leider) nicht aufsetzen, da sie gut geschützt hinter Glas verwahrt sind. Diese interessante Ausstellung gibt einen anschaulichen Überblick zur widmet Geschichte der europäischen Kopfbedeckungen. Mögen die Beispiele aus früheren Jahrhunderten wie aus fernen Welten scheinen, bezieht der letzte Teil der Ausstellung die Gegenwart mit ein.


Hauben in der Ausstellung „Hauptsache“ im Bayerischen Nationalmuseum in München
Foto: kjl

Von Kronen, Hauben und Hüten

Ist ein Hut einfach ein Schutz gegen Sonne, Kälte und Regen oder ein Würde erheischendes Machtsymbol? In der Geschichte verdeutlichte die Kopfbedeckung die gesellschaftliche Stellung einer Person. Die Ausstellung in München beginnt deshalb mit einem Kaiserporträt (Krone), einem Kardinalshut und anderen Kopfbeckungen geistlicher Herren. Der Schwerpunkt liegt zwischen dem 16. Jahrhundert und der Gegenwart. Die Ausstellung macht schnell deutlich, dass trotz aller Wechsel in den Hutmoden bestimmte Grundformen sich über Jahrhunderte erhalten haben. 


Immerhin 250 Objekte sind in der Ausstellung zu sehen, ein großer Teil aus eigenen Beständen, wodurch erstmals für das Publikum sichtbar wird, welch bedeutende Hutsammlung das Bayerische Nationalmuseum besitzt. In einem Nebenraum gibt es Informationen zur Herstellung von Hüten, etwa Filme des Hutherstellers Stetson wie Filzrohlinge hergestellt und Panamahüte geflochten werden. Vor allem geht es in der Ausstellung aber um die Inszenierung von Kopfbedeckungen. Diese werden im älteren Teil mit Gemälden, im neueren Teil mit Fotos ergänzt. Prachtvolle Hauben zeugen vom Wohlstand in den Reichsstädten in Franken und Schwaben. Besonders eindrucksvoll ist eine im 17. Jahrhundert hergestellte Flinderhaube aus Nürnberg mit vergoldeten Kupferplättchen. Bermerkenswert ist die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Hauben. Natürlich gibt es zahlreiche Hauben mit Stickereien zu sehen. Bemerkenswert ist ein Metallgerüst, das dazu dient, das Spitzengespinnst in einer bestimmten Form zu halten. In Linz gab es die Sonderform der Goldhaube. Eine Sonderform stellt das manchmal mit Federn geschmückte Barett dar, das sowohl von Herren wie von Damen getragen wurde. Das zeigen die Porträts von Pfalzgraf Philipp dem Streitbaren und von Herzogin Maria Jacobäa von Bayern. Auch der klassische weiche Männerhut kann genauso als Damenhut dienen.


Linzer Goldhaube, entstanden um 1830/1840
Foto: kjl

Hüte des bayerischen Königs Ludwig I.

Eine ganze Reihe von Kopfbedeckungen der Ausstellung wurden vom bayerischen König Ludwig I. getragen. Er hinterließ dem Bayerischen Nationalmuseum 1868 45 Kopfbedeckungen. Aus seiner Zeit als Kronprinz stammen die Schrimmütze aus grünem Leder und ein Samtbarett. Seinen hellgrauen Filzhut – aus der Zeit nach seiner Abdankung – könnte man heute noch tragen. Natürlich besaß er auch diverse Zylinder, den typischen herrschaftlichen Herrenhut des 19. Jahrhunderts. Der Strohzylinder wirkt etwas ungewöhnlich, war im Sommer aber sicher angenehm zu tragen. Eine ganze Reihe früher Zylinder sind in einer Reihe versammelt. Eleganter als diese wirken die späteren Zylinder, die entweder aus Haarfilz oder aus Seide waren. Letztere waren als Chapeau Claque konstruiert. Die Ausstellung zeigt die Unterkonstruktion eines solchen Klappzylinders. 


Zylinder in der Ausstellung „Hauptsache“ im Bayerischen Nationalmuseum in München
Foto: kjl

Auch die Hüte einer anderen wichtigen historischen Persönlichkeit kann die Ausstellung bieten: nämlich Kopfbedeckungen des Reichskanzlers Otto von Bismarck, darunter eine Schirmmütze. Sein schwarzer Schlapphut stammt von der Hutfabrik Heinrich Schuchard in Darmstadt. 


Vom bayerischen Königshof stammt ein dunkelblauer Samthut des Prinzen Leopold, das zum Ornat des Großpriors des Hausordens vom Hl. Georg gehörte. Ein Herold des St.-Hubertus-Ritterordens trug eine mit Posamenten verzierte Mütze. 


Puppenhaus als Hutladen, entstanden um 1809 in Süddeutschland
Foto: kjl


Reizend ist ein Miniatur-Hutgeschäft in Form eines 1809 entstandenen Puppenhauses. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verschwand die Haube als die Ehelichkeit verkündendes Kleidungsstück in der städtischen Mode, blieb aber bei den Trachten üblich. Zum Ende des Jahrhunderts wurden die Damenhüte immer größer und wuchsen zu weit ausladenden Gebilden an, die mit Hutnadeln in den hochgesteckten Frisuren befestigt wurden.


Zylinder, Melone und Homburg waren auch im zwanzigsten Jahrhundert die Formen des förmlichen Herrenhuts. Allerdings setzten sich bei den Männern weiche Hüte durch. Dazu trugen sicherlich auch populäre Schauspieler bei. Auch wenn die Details, Höhe und Breite der Krempe variieren, blieben Formen wie Fedora, Trilby und Porkpie sogar bis ins einundzwanzigste Jahrhundert modern.


Bei Frauen wurde in den 1920er-Jahren der topfförmige Glockenhut modern, der eng anliegend den Kopf umschließen konnte, da mit dem Bubikopf nun Kurzhaarfrisuren die hoch gesteckten Frisuren ersetzt hatten. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg waren Pariser Modistinnen weiterhin führend. Von Christian Dior stammt ein schwarzer Strohhut mit roter Seidenblume. Die elegante Dame legte Wert auf ein Zusammenspiel des Kleides mit passenden Accessoires. Eine Krise der Hutmode brachten die 1960er-Jahre, in denen die Frisur wichtiger wurde. 


Hüte von Irena van Vught und Philip Treacy
Foto: kjl

Fascinator

Die Ausstellung endet mit Designerhüten für Frauen. Darunter findet sich auch ein Fascinator, eine Art Haardekoration, die um die Jahrtausendwende aufkam. Bereits in den 1960er-Jahren entstand Ina Böcklers roter Filzhut mit angesetzem Nackenteil. Ein ganz neues Modell ist ihr Hut aus grünem Haarfilz, um den sich ein Schleier violetter Federn mit einer Pfauenfeder legt. Die klassische Form eines flachen Huts mit weit ausladener Krempe übertrug Philip Treacy in eine neue Form. Irene van Vugt spielt mit Stroh und Leder. Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, kann sich im Museumsladen gleich mit einem Hut ausstatten.

 


Ausstellung

Hauptsache

Hüte. Hauben-Hip-Hop-Caps

20. Oktober 2022 – 30. April 2023

Bayerisches Nationalmuseum 

Prinzregentenstraße 3

München

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