Dokumentarfilm „Spiel des Schicksals“ von Éva Hübsch
Verbundenheit mit der Heimat
– Ein Dokumentarfilm von Éva Hübsch über Neusatz – Filmvorstellung im Liszt-Institut in Stuttgart –
von Klaus J. Loderer
Um drei Frauen geht es in dem 2019 gedrehten Dokumentarfilm „Spiel des Schicksals“. Alle drei haben eine Verbindung zur Wojwodina, der nordwestlichen Region Serbiens, die früher einmal zum Königreich Ungarn gehörte. Die Regisseurin Éva Hübsch, die auch selbst im Film mitspielt, lebt und arbeitet in Neusatz (serbisch Novi Sad, ungarisch Újvidék). Ria Schneider erlebte ihre Kindheit in der Stadt. Elisabeth Müller hat familiäre Beziehungen dorthin. Wir erfahren von den engen emotionalen Beziehungen der Frauen zu dieser Region. Für Ria Schneider ist Neusatz die Heimat geblieben.
Foto: Éva Hübsch |
Es ist ein kurioses Zusammentreffen, das die Basis für diesen Film gelegt hat. Bei einer Veranstaltung in Deutschland lernte die Regisseurin Ria Schneider kennen. Sie erfuhr, dass ihr Vater vor dem Zweiten Weltkrieg Zahnarzt in Neusatz gewesen sei. Sie bemerkte ihre tiefe Verbundenheit mit der Stadt. Éva Hübsch lud Ria Schneider nach Neusatz ein. Dass die Zahnarztpraxis in einem Gebäude war, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg Hübschs Großeltern gelebt hatten, war ein interessanter Zufall, der die Regisseurin bestärkte, darüber einen Film zu machen. Doch die Sache wurde noch spannender. Wir erleben, wie Ria Schneider in Neusatz ankommt. Sie erkennt das Haus ihrer Jugendzeit wieder. Und sie weist zur Wohnung der Eltern. Es stellt sich heraus, dass das exakt die Wohnung ist, in die sie Éva Hübsch führen wollte. Diese im Zustand von Hübschs Großeltern konservierte Wohnung stellt dann im Film eine Zeitreise in die Vergangenheit dar. Die Ölporträts, die alten Möbel und die Fotos, die von den bürgerlichen Bewohnern zeugten – Hübschs Großvater war ein Arzt, dessen Sanatorium in Werschetz durch den kommunistischen Staat enteignet worden war, und der dann am Krankenhaus in Neusatz tätig war – lassen in eine vergangene Zeit eintauchen.
Es kommt zu weiteren Überschneidungen in der Biografie der beiden Frauen. Ria Schneider erzählt davon, dass sie als kleines Mädchen aus einem der Fenster Richtung Rathaus einmal die jugoslawische Königin habe vorbeifahren sehen. Bei einer Filmvorstellung im Liszt-Institut in Stuttgart, bei der die Regisseurin, die wegen der deutschen Corona-Verordnungen nicht persönlich nach Deutschland kommen konnte, online zugeschaltet war, erzählte Éva Hübsch, dass sie sich bei dieser Situation daran erinnert habe, dass sie bei einem Besuch bei den Großeltern einmal aus diesem Fenster Tito gesehen habe. Mit Ria Schneider spaziert sie durch Neusatz und lässt sich von ihren Erinnerungen erzählen, an das Baden in der Donau im Sommer, an die Agraria, aber auch an die Ausschreitungen 1942 nach der Besetzung durch Ungarn. Sie erzählt von der abenteuerlichen Flucht ohne den Vater nach Wien, von der Rückverschickung nach Serbien, von der dramatischen Flucht aus dem Transport, wie sie sich in Ungarn durchgeschlagen haben und schließlich nach Deutschland kamen. Der Vater konnte zwar in Deutschland wieder als Zahnarzt praktizieren, doch habe er nie mehr eine solch respektable soziale Stellung gehabt wie in Neusatz. Dafür habe die Mutter Annemarie Ackermann eine politische Karriere als Bundestagsabgeordnete gemacht.
Die Regisseurin macht sich im Film auch auf die Suche nach den Donauschwaben in Deutschland. Sie besucht Veranstaltungen, die Theateraufführung einer Trachtengruppe und das Haus der Donauschwaben in Sindelfingen. Immer wieder trifft sie dort auf Ria Schneider und Elisabeth Müller. Sie besucht die beiden auch in ihren Wohnungen und stellt ihre Biografien vor.
Elisabeth Müller hat noch familiäre Beziehungen in die Wojwodina. Ihre wesentlich ältere Halbschwester lebt noch dort. Der Film begleitet sie nach Stanischitsch (Stanišić), einer kleinen Gemeinde bei Sombor nahe der Grenze zu Ungarn. Den Heimatort ihres Vaters lernte sie bei vielen Besuchen in ihrer Kindheit kennen. Noch heute hat sie ein besonderes Gefühl für die ebene Landschaft der Batschka.
Beim im Anschluss an die Filmvorführung im Liszt-Institut am 9. Dezember 2021 durchgeführten Nachgespräch befragte Christian Glass, der Leiter des Donauschwäbischen Zentralmuseums in Ulm, die Regisseurin zur Entstehung des Films. Sie ging dabei auch auf die Stellung der Minderheiten in der Wojwodina ein. Bei der letzten Volkszählung 2011 bekannten sich dort etwa 4000 Menschen als Angehörige der deutschen Minderheit. Derzeit bereitet sich Neusatz darauf vor, das Kulturhauptstadtjahr 2021 im Jahr 2022 nachzuholen.
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