Ausstellung »Reise« in der Galerie Dengler und Dengler in Stuttgart – 2021

Von Reisen und Reisesehnsucht 

– Galerie Dengler und Dengler in Stuttgart präsentiert Gemälde von acht Künstlern in der Ausstellung »Reise« – 

von Klaus J. Loderer


Der Vulkan ist aktiv. Lava rinnt den düsteren Berg hinunter. Fast der ganze Himmel ist mit dunklen Wolken verhangen. Nur ein kleines Eckchen blauer Himmel ist noch sichtbar. Wir sehen den Vesuvausbruch des Jahres 1944. Eine dramatische Szenerie, die allerdings konterkartiert wird durch zwei Objekte, die für Erstaunen sorgen. Es fliegt links und rechts je eine Pizza. Wurden sie im Vesuv gebacken? Oder sind es unbekannte Flugobjekte in Pizza-Optik. Der ungarische Künstler András Pinczehely hat eine ganze Serie solch surrealistischer Pizza-Bilder geschaffen. Pizza findet sich bei ihm an jedem Ort. Zwei dieser Pizza-Bilder waren bei der Ausstellung »Reise« in der Galerie Dengler und Dengler in Stuttgart zu sehen. Die Gemälde Pinczehelyis waren schon in mehreren Einzelausstellungen in der Galerie zu sehen. Noch ein zweites Pizza-Gemälde ist in der Ausstellung zu sehen. Auf diesem bildet eine Pizza mit Scampi den Vordergrund zur Ansicht einer Barockkirche.


»Vesuvio«, Gemälde von András Pinczehely 2019

Gábor Záborszky

Es geht um das Reisen in dieser interessanten, von Steffen Dengler zusammengestellten Ausstellung. Noch ein weiterer ungarischer Künstler ist in der Ausstellung zu finden. Von Gábor Záborszky zeigt die Ausstellung das Bild »Hanumán«. Ein großformatiges Foto bildet den Bildgrund. Der Künstler hat es mit einigen Zusätzen versehen. Auf die riesenhaft vergrößerten Halme einer verdorrten Wiese, die auf dem Foto zu sehen sind, hat Záborszky in einem viel kleineren Maßstab weiße Silhouetten einer Rotwildherde aufgesetzt. Die Tiere springen durch die Savanne. Über ihnen schweben goldene Wölkchen. Der Goldton korrespondiert mit einem vergoldeten Stab, der mit einer Maske des hinduistischen Affengottes Hanuman aus dem Umfeld von Rama versehen ist. 

Cristina Barroso

Cristina Barroso weist in ihren Bildern kritisch auf die Folgen des Reisens und den Umgang des Menschen mit dem Globus hin. Eine gemalte Weltkarte bildet bei einigen ihrer Bilder die Grundlage zu weiteren Aussagen. Wie ein Netz fesselt auf einem Bild die Reisetätigkeit eines Menschen den Globus. Dass auf dem Bild »Spur« der Fingerabdruck golden ist, versüßt nur ästhetisch die Folgen des sog. ökologischen Fingerabdrucks eines Menschen.


»Spur«, Gemälde von Cristina Barroso 2021

Peter Schramm

Die Oberfläche von Stein interessiert Peter Schramm nicht nur als Bildhauer. Sie ist ihm auch in seinen Gemälden wichtig. Mit dem Pinsel fängt er die Lichtwirkung auf steinernen Oberflächen ein. Besonders angetan haben es ihm gotische Klosterruinen. Schroff stehen die Reste von Kreuzrippengewölben vor dem blauen Himmel. Schramm inszeniert die Schatten, und er spielt mit der räumlichen Wirkung. Die Rundung einer Vase in einem Park wölbt sich dem Betrachter geradezu entgegen.


o.T., Gemälde von Peter Schramm 2021

Rina Böcher

Pastelltöne dominieren Rina Böchers Gemälde. In »Nicole searching« steht eine schwrz gekleidete Frau an einer Straßenkreuzung. Sucht sie den richtigen Weg? Straßenbahngleise führen in die Tiefe des Bildes. Die städtische Szenerie hat Böcher einerseits detailliert gemalt, andererseits mit einer weiteren Farbschicht wieder verunklärt. Die Details sollen uns nicht ablenken. Da ist die Konkurrenz eines bunten Graffitis schon groß genug. Während die Häuser bläulich verschattet sind, führt die Perspektive der Straße in einen Bereich mit warmem Gelb. Dort – ziemlich genau in der Mitte des Bilds – scheint die Sonne. Eine Frau mit Hut betrachtet in »In meiner Kirche« konzentriert das Deckengemälde einer Kirche. Auf einem weiteren Bild spielt sie mit den Spiegelungen in einem Schaufenster. Wir sehen die Auslagen und die Fassaden der gegenüberliegenden Häuser, in deren Fenster sich der Himmel spiegelt.


»Nicole searching«, Gemälde von Rina Böcher 2019

Vitaly Medvedovsky

Eine geradezu surreale Welt der Reisesehnsucht stellt uns Vitaly Medvedovsky vor. Ein Eisenbahnzug, der eher wie ein Spielzeugzug wirkt, schlängelt sich über einen Damm. Ein irgendwie viel zu großer Junge schaut aus dem Fenster, in dem sich trotz Sonnenscheins ein düsterer Himmel mit den Silhouetten dunkler Bäume spiegelt. Auf einem anderen Bild sehen wir eine Art Rakete, die aus Schrottteilen zusammengefügt zu sein scheint. Warten die Knaben mit Helmen auf den Start dieser Rakete. Noch unwirklicher macht die Situation das Spiel von hell und dunkel. Medvedovsky malt die Wohnblocks des Hintergrunds im Sonnenschein, während die Rakete und der Vordergrund völlig verschattet sind. Im Bild »Meadow« hat ein Mann im Anzug einen Taucherhelm auf. Er steht im tiefen Schatten. Hinter ihm sieht man ein Gerüst mit Flaschenzug, auf dem ein geradezu aberwitziges Flugobjekt mit dem Triebkopf eines von Schiffsmasten überragten ICEs zu steht.


»Meadow«, Gemälde von Vitaly Medvedovsky 2020

Magda Korsinsky

Bei »Peru 1« hat Magda Korsinsky zwei Bilder von Bussen oder Straßenbahnzügen angefertigt, die sie anschließend zerschnitten und neu zusammengesetzt hat. In der Serie »New York« zeigt sie Details der Großstadt.

Volker Kaufmann

Selbstporträts zeichnet Volker Kaufmann mit dem Kugelschreiber. Im Spiegelbild sehen wir nicht nur ihn sondern auch die Dinge, die hinter ihm an der Wand sind. Auf einer Zeichnung sind das Ansichten von Erfurt, auf einem anderen Bild gemalte Skizzen aus der Toskana, die in der Ausstellung übrigens auch im Original zu sehen sind. Volker Kaufmann zeichnet aber auch akribisch seine Sammlung an Operationsmasken. Eine dieser Operationsmasken hängt auch im Bild »KB3« an der Wand. Man achtet aber vielleicht eher auf das weiß-schwarze-Fliesenmuster oder die an der Wand hängenden Handtücher. Kaufmann irritiert uns mit dem Bildaufbau, denn in der oberen Hälfte sehen wir einfach nur eine graue Fläche auf hellem Grund, geht der Blick nach weiter nach unten, tut sich eine dramatisch überzogene Perspektive auf.


Reisethemen sind die Gemeinsamkeit der Bilder der acht Künstler. Es geht um Sehnsucht und Aufbruchsstimmung. Mal sind die Bildmotive frei assoziiert, mal minutiös wiedergegeben. Man findet in Reiseskizzen verarbeitete Erlebnisse und Erinnerungen oder es sind auf Reisen empfangene Inspirationen, die künstlerisch umgesetzt wurden. Manche Themen finden sich mehrfach. Mehrere Künstler waren fasziniert von Spiegelungen in Fenstern, die sie ganz unterschiedlich umsetzten.

 


Ausstellung

Reise

23. September – 29. Oktober 2021

Galerie für schöne Künste Dengler und Dengler

Rosenbergstraße 102A, Stuttgart

Tel. 0711/62767577




 


 


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