Ausstellung: Bilder von Karsten Kretschmer und Gez Zirkelbach im Museum am Widumhof in Urbach – 2021

Die Künstler spielen mit unseren Assoziationen 

– Ausstellung »Two of Art – jetzt« mit gemeinsamen Arbeiten von Karsten Kretschmer und Gez Zirkelbach im Museum am Widumhof in Urbach – 

von Klaus J. Loderer


»Two of Art« bedeutet nicht, dass Werke zweier Künstler in einem Raum versammelt sind. Es bedeutet in diesem Fall vielmehr, dass die Arbeiten gemeinsam von zwei Künstlern geschaffen wurden. Das ist ungewöhnlich. Karsten Kretschmer und Gez Zirkelbach pflegen diese gemeinsame Kunstschöpfung aber schon seit vielen Jahren. Als »Two of Art« sind sie ein fester Begriff. Allerdings arbeiten sie nicht ausschließlich zusammen. Beide Künstler führen durchaus noch ihr Eigenleben. Nun präsentierten sie wieder einmal ihre neuesten gemeinsamen Arbeiten. Ziemlich genau nach fünfzehn Jahren stellten sie wieder in Urbach aus. 2006 haben sie ihre Bilder schon einmal in Urbach gezeigt. Damals war der 2004 gewählte Begriff »Two of Art« noch recht neu, die Zusammenarbeit geht aber schon bis in die Mitte der 1990er-Jahre zurück. Am 1. Oktober wurde die Ausstellung im Museum am Widumhof in Urbach eröffnet. Die stellvertretende Bürgermeisterin Ursula Jud begrüßte die Gäste und Richard Horn versuchte eine Annäherung an »Two of Art«. Der Sänger, Gitarrist und Performer Axel Nagel aus Schwäbisch Gmünd belebte die Vernissage mit seinen Songs musikalisch.


Ausstellung »Two of Art – jetzt« im Museum am Widumshof in Urbach

Foto: kjl


Die von Karsten Kretschmer und Gez Zirkelbach gemeinsam geschaffenen Bildwelten könnten unterschiedlicher nicht sein. Es sind Gemälde, Kollagen, übermalte Kollagen, überklebte Gemälde in allen Variationen. Die aufgeklebten Papiere sind zum Teil so stark übermalt, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Oder sie sind in ihrer Materialität und Struktur belassen. Was aufgeklebt und was gemalt ist, das verschwimmt oft völlig. 


Es sind fast rein abstrakte Bilder und doch schleicht sich immer mal wieder eine Figur ein. Oder wir deuten Motive als Figuren. Ist es ein Kopf mit Krone? Auch die Künstler lassen das offen und bleiben bei der Frage »Le Roi?« Mit diesem Bild irritieren sie uns mehrfach. Die Fließrichtung der verlaufenden Farbe zeigt uns, dass das querformatige Bild zwischendurch ein Hochformat war. 


Aber den Engel bestätigen uns die Künstler. »Treffen der Engel« Und wir sehen auf einer goldenen Wolke einen weißen Engel. Einen zweiten goldenen Engel können wir erahnen. Oder ist es doch nur ein goldenes Kreuz, das über einem roten Kreis schwebt. Die Künstler spielen mit unseren Assoziationen. Sie verstreuen zeichenhafte Symbole und Chiffren. Sie legen bildliche Köder aus und locken uns in Assoziationsfallen. Natürlich sehen wir nach Lesen des Titels »Alpine Cluster« im Bild Bäume und Landschaften. Man schmunzelt, wenn man den Titel »Kreisweg in der Lichtung« liest – als Deutung für einen grob gemalten Kreis. Darunter ist wieder ein kompliziertes System von Papierausrissen. Wie eine blaue Fläche hervorblitzt, das kann schon wie eine Waldlichtung wirken.


Als aufgeklebte Schnipsel sind Stadtplanausschnitte zu finden. Im großformatigen Bild »In the Lighthouse«, das mit einem orthogonalen System gegliedert ist, bilden die Rudimente von Aufrissen barocker Schlossfassaden nur einen scheinbaren Anhaltspunkt für den Bildtitel. Ein diagonal verlaufender weißer Farbstreifen könnte als Lichtbündel des titelgebenden Leuchtturms sein. Man ist gar in Versuchung die leuchtend blaue Farbe als Wasser zu deuten. 


An einem anderen Bild hätte man ein System schwarzer Linien wohl einfach übersehen, wäre der Bildtitel nicht »Cezannes Lieblingsplatz«. Doch mit dem Bildtitel assoziieren wir die Linien als Cezanne-Zitat und als Detail eines Bildes des durch den französischen Maler berühmten Mont Sainte-Victoire.


»Cezannes Lieblingsplatz«, Gez Zirkelbach und Karsten Kretschmer, 2020

Foto: kjl


In vielen Bildern ist der Untergrund durch viele Schichtungen komplett verdeckt. Im Triptychon »Elk Thoughts« sind Maßerung und Astlöcher der Holzplatten als Bildelement eingesetzt und sogar noch betont. Die Materialität des Holzes kontrastiert mit der Immaterialiät einer Blattgoldfläche.


Der Ausstellungsraum ist durchaus eine Herausforderung für Ausstellungsgestalter. Mächtig sind die historischen Fachwerkbalken. Eine Wand dominiert ein Rautenmuster aus Balken. Davor scheinen die Bilder zu schweben. Dass die Bilder ungerahmt sind, gibt der Ausstellung einen Werkstattcharakter. In ihrem Rohzustand passen sie zum rohen Holzwerk. Die im Holz eingekerbten Spuren der Jahrhunderte korrespondieren mit den in den Bildern sichtbaren Arbeitsprozessen. Dicke Stützen teilen den Raum in zwei Schiffe. Die Künstler haben es vermieden, zwischen die Stützen Bilder zu hängen und bewahrten so die Durchlässigkeit des Raums. Nur an den Stützen selbst sind kleine Formate angebracht.


Das größte Bild erwartet die Besucher im Gewölbekeller. Dort sind eine ganze Reihe von Bildern als farbiges Band aufgestellt. Und man kann in einer Mappe mit Radierungen blättern. Den Raumabschluss bildet aber das großformatige Bild »Close to the edge – Anrufung«, genau genommen ein Triptychon.


»Close to the edge – Anrufung«, Triptychon von Gez Zirkelbach und Karsten Kretschmer, 2007

Foto: kjl


Ganz so ungewöhnlich ist es übrigens nicht, dass zwei Künstler an einem Bild wirken. Das Mauritshuis in Den Haag zeigt ein schönes Beispiel einer solchen Kollektivarbeit. Am »Garten Eden« malte Jan Brueghel der Ältere Landschaft und Bäume, während Peter Paul Rubens Adam und Eva in die Szene setzte. Und selbstverständlich wirkten an vielen bekannten Gemälden neben dem Meister auch noch eine ganze Schar an Gesellen mit. Allerdings ist es bei Karsten Kretschmer und Gez Zirkelbach eine gleichberechtigte Zusammenarbeit.

 


Ausstellung

Two of Art – jetzt

Karsten Kretschmer & Gez Zirkelbach

1. Oktober – 1. November 2021

Museum am Widumhof

Mühlstr. 11, Urbach



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