Divertissementchen „Corona Colonia“ von Cäcilia Wolkenburg und der Oper Köln – 2021

Die Rache der heiligen Corona 

– „Das Zillche muss spielen“ – ohne Divertissementchen geht es nicht in Köln – 

von Klaus J. Loderer


Warum haben die Ehemänner Modelleisenbahn und Briefmarkensammlung aus dem Keller geholt oder legen gar ein Hochbeet auf dem Balkon an, darüber rätseln vier Ehefrauen. Im Quartett „Er geht nicht mehr ’raus“, unterlegt mit Rossinis Figaro-Arie und natürlich nicht in Schriftdeutsch sondern in Kölsch, schließt sich Cäcilia (Dirk Pütz) mit ihren Freundinnen Hertha, Walpurga und Gunni (Michael Friedrich, Patrick Lacroix, Knut-Ivar Østlingen) zusammen. Cäcilie platzt vor Eifersucht als sie hört, dass hinter den ganzen Merkwürdigkeiten eine gewisse Corona steckt. Denn wegen der Bedrohung durch dieser Corona (woraus im Kölner Dialekt das Corona wird) treffen sich die Männer (Johannes Fromm, Harald Butscheid, André Boeck, Vitus Schmitz-Zondervan) nicht mehr zum Singen in der Wolkenburg.


Die verwickelten Vierer- und Achtertelefonkonferenzen bilden den Anfang des diesjährigen Divertissementchens „Corona Colonia“, der Karnevalsoper der Bühnengemeinschaft Cäcilia Wolkenburg des Kölner Männer-Gesang-Vereins. Darin geht es darum, dass das „Zillche“, wie man auf Kölsch das Divertissementchen nennt, stattfinden muss.


Divertissementchen Cäcilia Wolkenburg „Corona Colonia“: Finale

© Paul Leclaire



Die Umstände waren nicht günstig und trotzdem hat der KMGV wieder ein Divertissementchen auf die Beine gestellt. In diesem Jahr ist die Oper Köln nicht nur Gastgeber sondern auch die Veranstalterin. Natürlich konnte die in der Karnevalssaison geplante Vorstellungsserie im Staatenhaus durch das Veranstaltungsverbot nicht stattfinden. Die Oper Köln hat sich mit einer Streaming-Möglichkeit beholfen. Bis zum 12. Februar kann man sich das Divertissementchen im Internet anschauen. Der KMGV und die Oper Köln hoffen aber, dass die Aufführungsserie später im Jahr im Staatenhaus durchführt werden kann. Durch die behördlichen Abstandsregelungen waren Massenszenen mit viel Chor und Ballett in diesem Jahr nicht möglich. Trotzdem ist eine kurzweilige, etwa eineinhalbstündige Show entstanden. Librettist und Regisseur Lajos Wenzel hat sich eine kurzweilige und heitere Geschichte mit durchaus ernstem Hintergrund ausgedacht, in der die Auswüchse der aktuellen Zustände in typisch kölscher Manier durch den Kakao gezogen werden. Auch der KMGV nimmt sich in einer Videogesangsprobe selbst auf’s Korn. Natürlich sind die Dialoge wieder auf witzige Weise mit Wortspielen und Zitaten gespickt. „Was willst Du mit den Briefmarken sprich?“ – heißt es da frei nach Schiller. Das musikalische Arrangement von Thomas Guthoff ist die bewährte Mischung bekannter Motive aus Klassik, Schlager, Rock und Pop mit verblüffenden Stilwechseln in den Melodienfolgen. Handels Halleluja am Beginn der Ouvertüre weicht schnell modernen Klängen. Johannes Fromm und Manfred Schreier haben den Melodien neue Liedtexte unterlegt. Die musikalische Leitung hat Steffen Müller-Gabriel. Es pielen die Westwood Slickers. Für ein kleines Ballett entwarfen Katrin Bachmann und Jens Hermes-Cédileau die Choreographien.

 

„Corona Colonia“: Die heilige Corona und ihre Assistenten Co und Vid

© Paul Leclaire


Dann kommen unter Blitz und Donner die Walküren, nein, eine Eiskönigin tritt zum Walkürenritt auf. Es ist die heilige Corona (Martin E. Hillebrand) mit ihren Assistenten Co und Vid (Benedikt Schwerdtfeger, Thomas Kirst) . Deren tragische Geschichte im alten Ägypten erfährt mit in einem lustigen Schattenspiel. Die heilige Corona ist seit zweitausend Jahren ungehalten, weil Kaiser Claudius die Stadt am Rhein nicht nach ihr Coronia sondern Colonia genannt hat. Die Reliquie kamen nur nach Aachen und nicht in den Kölner Dom und ihre Krone (=Corona) würde dem Kölner Stadtwappen doch viel besser stehen. Gerne hätte die heilige Corona Köln unter ihre Fittiche genommen, doch nach einer weiteren Zurückweisung will sie den Kölnern nun aus Rache das Feiern und die Freude verderben. Mit Corona-Freibier und Corona-Freizigaretten sollen die Kölner quasi per Schluckimpfung zu Verehrern der heiligen Corona gezwungen werden. Lajos Wenzel hat fleißig recherchiert, was alles den Namen Corona trägt.


Neben der Ebene der vier Paare mit schriller Sechzigerjahre-Spießigkeit (Bühne Tom Grashof) und der Show-Welt der heiligen Corona als Dame-Edna-Verschnitt (Kostüme Judith Peter mit Marette Oppenberg und Ute Hafke) ist mit den Fernsehnachrichten von Corona-Television noch eine dritte Ebene eingeführt mit köstlichen Parodien auf Fernsehgewohnheiten. Da kumuliert die Sondersendung zur Sondersendung der Sonder-Sondersendung. Bierologen und Expertenexperten erklären die Welt. Natürlich darf ein Seitenhieb auf das Kölner Opernrenovierungsdesaster nicht fehlen. Der chinesische Botschafter findet die Idee, dass chinesische Bauarbeiter die Oper fertigstellen könnten, nicht für interessant hält, da diese schon in drei Tagen fertig wären.


Fast klappt das mit dem Freibier auch. Jeder Kölner Haushalt erhält täglich eine Kiste Freibier. Schon bald torkeln die Männer besoffen herum. Doch die Wolkenburg (das ist ein traditioneller Kölner Hausname) entwickelt sich zum Widerstrandsnest gegen Corona. Die Männer retten mit ihrem Kölsch-Konsume die einheimischen Brauereien (da darf ein Seitenhieb auf die Düsseldorfer, die Coronabier lieber mögen als ihr „fürchterliches Dunkelbier“, nicht fehlen). Passend ist der Bierkutscher (Christoph Müller-Frank) mit dem Müllkutscherlied aus „My Fair Lady“ unterlegt.


Die Frauen wollen endlich ihre freien Abende zurück, wenn die Männer normalerweise bei der Chorprobe sind. Sie sind sich einig, dass man die Männer dazu bringen muss, dass sie wieder singen – und darum muss das Divertissementchen unbedingt stattfinden. Denn dann seien die Ehen gerettet. „Unsere Männer singen und der Herrgott singt mit“ singt man zu Wagners Meister-Choral.


Divertissementchen „Corona Colonia“: Cäcilia Wolkenburg rettet Köln

© Paul Leclaire

 


Corona greift zur nächsten Maßnahme. Um die drohende Probe von Cäcilia Wolkenburg doch noch platzen zu lassen, verlockt Corona die Männer mit der Eitelkeit und veranstalte den Wettbewerb „BMBW – best men best women“. In dieser Parodie auf derzeitige Privatsendershows soll hier für das beste Travestiekostüm Corona-Ehrenkränze geben. Corona macht den makabren Seitenhieb, dass der Kranz leicht am Grabstein befestigt werden kann. Wieder sind es die Frauen, die dafür sorgen, dass die Männer für das Divertissementchen proben und sie an ihre künstlerische Bestimmung erinnern.


Mit dem Triumpmasch aus „Aida“ steigert sich heilige Corona zur Rachegöttin. Corona verflucht Köln, die Bühne verdunkelt sich, düstere Musik. Rettung naht durch den Deus ex Machina aus dem Kölner Himmel: Mutter Colonia (Peter Klaff) greift persönlich ein, beschwört auf die Einigkeit in der Stadt und erinnert an die Macht des Lachens. Als Vorschlag der Einigung schlägt sie vor, dass das Divertissementchen mit dem Titel „Corona Colonia“ die heilige Corona versöhnen soll. Das Divertissementchen zieht zwar über alles her – aber es endet immer mit einer Hymne auf Köln. Die per Video eingespielten Sänger stimmen in ihren Wohnungen den Gesang an (Videos Michael Schwertel), bis dann festlich alle zusammen eine Apotheose auf das „Zillchen vom Rhein singen. „Ja, wir werden uns bestimmt bald wiedersehen!“  ist den pathetischen Klängen aus Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ unterlegt.


Das fröhlich beschwingte Reprisenfinale mit dem traditionellen Schlusslied „Zillche vun Kölle wäre unter anderen Umständen von stürmischem Beifall gefeiert worden und mehrmals wiederholt worden. So sorgte ein neuerliches Divertissementchen aber immerhin bei den Zuschauern daheim für gute Laune und Freude. In Köln, der Stadt der unverbesserlichen Optimisten – wie Mutter Colonia im Stadt sagt – lässt man sich die gute Laune eben nicht nehmen, auch wenn ausgelassene Feiern gerade verboten sind. Wie meint einer der Sänger: er hat sich in jedem Zimmer zwei Kölsch aufgestellt, damit er einen Kneipenbummel machen kann.

 

Premiere: 18. Januar 2021 im Staatenhaus

 

Bis zum 12. Februar 2021 kann man das Divertissementchen auf der Homepage der Oper Köln im Stream anschauen:

https://www.oper.koeln/de/

 

Das WDR-Fernsehen zeigt die Produktion am Samstag 13. Februar 2021 um 11 Uhr



Divertissementchen 2019

https://opernloderer.blogspot.com/2019/03/amusantes-divertissementchen-offenbach.html


Divertissementchen 2016

https://opernloderer.blogspot.com/2017/11/cecilia-wolkenburg-koln-2016.html

 

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