Filmbesprechung: „Louis van Beethoven“

Viele Klischees in hübschen Kostümen

– Nikolaus Stein von Kamienskis Fernsehfilm „Louis van Beethoven“ – 

von Klaus J. Loderer


Die Erwartungen an diesen Beethovenfilm waren wohl etwas anders als die Intentionen des Regisseurs. Für das Fernsehpublikum war es ein Film über das Genie Beethoven zu dessen 250. Geburtstag. Der Film von Nikolaus Stein von Kamienski spart allerdings mit der wichtigen Schaffensphase der Wiener Zeit die interessanteste Phase komplett aus und konzentriert sich auf Kindheit und Jugendzeit in Bonn.


Ausgehend von einem Aufenthalt Beethovens bei seinem Bruder in seinem letzten Lebensjahr, wirft der Film Rückblicke auf die Kindheit und Jugendzeit. Die Reibereien mit Bruder, Schwägerin und Neffe und die Komposition an den Streichquartetten F-Dur und B-Dur laufen als Handlung parallel zu den Rückblicken, was durchaus verwirrend wirken kann. 


Inschrift am Geburtshaus Ludwig van Beethovens in Bonn
Foto: Klaus J. Loderer

Da Ludwig van Beethoven üblicherweise als solitäres Genie ohne familiäre Bindung dargestellt wird, ist es eine ungewöhnliche Perspektive ihn als Familienmenschen zu zeigen. Allerdings ist durch die Überlieferung der Briefwechsel bekannt, dass Beethoven zu seinen Brüdern und zu seinem Neffen Karl ein enges, wenn auch spannungsgeladenes Verhältnis hatte. Dass Beethoven seine beiden Schwägerinnen nicht ausstehen konnte, machte die Sache nicht einfacher. Das wird im Film deutlich durch die Schwägerin Therese, die „Hexe“, wie sie Beethoven gerne nannte. Sie kommt im Film allerdings nur als zickig und geizig vor, während die Unstimmigkeiten nicht zuletzt daher rührten, dass Beethoven die Heirat massiv hintertrieben hatte.


Die Rahmenszenen des Films mit dem alten Ludwig van Beethoven spielen zwar nicht direkt an seinem Lebensende aber wenige Monate zuvor während eines Aufenthalts im Gut Wasserhof bei seinem Bruder. Schloss Wasserhof in Gneixendorf bei Krems an der Donau, war von 1819 bis 1836 im Besitz von Ludwigs Bruder Nikolaus Johann van Beethoven, der als Apotheker in Linz zu Vermögen gekommen war. Dieses Schlösschen steht noch und wurde vor einigen Jahren restauriert. Die dort spielenden Filmszenen wurden allerdings in Schloss Arff in Köln gedreht. Die Innenräume dieses Hauses aus dem 18. Jahrhundert dienten auch noch für weitere Szenen des Films.


Der größte Teil des Films entstand in Tschechien. Die Szenen im Bonner Theater wurden im Schlosstheater in Krumau (Český Krumlov) gedreht. Dort gibt es ja immerhin noch Kulissen aus dem 18. Jahrhundert, die man schön im Film sieht. Die Gassen mit Arkaden passen allerdings nicht wirklich, denn solche gab es in Bonn nicht. Statt einer böhmischen Stadt wäre eine Stadt mit einem eher französischen Charakter, wie Bonn ihn besaß, passender gewesen. An einigen Stellen sieht man im Film historische Ansichten von Bonn, die als Computersimulationen interessante Bilder ergeben. So fällt der Blick in einer Szene von Beuel über den Rhein und man sieht im Hintergrund die Stadtsilhouette mit den markanten Türmen des Schlosses. Weniger geglückt ist eine doch sehr künstlich aussehende rekonstruierte Gesamtansicht des Marktplatzes mit dem heute noch stehenden Rathaus.


Für den Selbstmordversuch des Neffen, der im Film in einem ruinösen Gutshaus spielt, wäre natürlich der Originalschauplatz möglich gewesen. Schließlich ist bekannt, dass Karl van Beethoven den missglückten Selbstmordversuch in der Burgruine Rauhenstein bei Baden bei Wien unternahm.


Während im Film viele Personen vorkommen, die tatsächlich in einer Beziehung zu Beethoven standen, etwa Joseph Haydn, der im Zuge einer Englandreise durch Bonn durchkam, ist ein sehr breit ausgewälzter Szenenkomplex historisch ziemlich fragwürdig. Und das ist die Frage, ob Ludwig van Beethoven jemals mit Mozart zusammengetroffen ist. Im Film erfahren wir gar, dass Beethoven die Noten von „Don Giovanni“ kopiert habe. Mozart (Manuel Rubey) flattert nach den üblichen Klischees durch den Film. Da konnte sich der Regisseur nicht vom Vorbild Miloš Forman lösen. Dass Mozart es wirklich gewagt hätte, ein Konzert in Anwesenheit des Kaisers zu stören, ist ziemlich unglaubwürdig und leicht als Effekthascherei durchschaubar.


Wegen der weiten zeitlichen Spanne des Films wird die Rolle der Titelfigur von drei Schauspielern gespielt. Colin Pütz spielt den Knaben, Anselm Bresgott den jungen Mann und Tobias Moretti den alten Beethoven. Ziemlich irritierend dabei ist der nicht nachvollziehbare Sprachwechsel. Der kleine Ludwig spricht Schriftdeutsch, der junge Mann rheinisch und der alte Beethoven wieder Schriftdeutsch. Nun hat man sich für eine Szene, in der der alte Beethoven nach vorn gebeugt in Mantel und Zylinder gegen den Regen ankämpft, ein Bild nachgestellt, das von einer Skizze überliefert ist. Ansonsten spielt Tobias Moretti eher Tobias Moretti als Beethoven.


Eine wichtige Rolle im Film spielt Helene von Breuning, die den jungen Beethoven förderte und in die Gesellschaft einführte. Das Verhältnis zu dieser Familie ist im Film arg plakativ und klischeehaft. Das kumuliert in einer Szene, in der Beethoven gar einen anderen Gast des Hauses niederschlägt. Helene von Breuning (Silke Bodenbender) unterbindet das Techtelmechtel zwischen Töchterchen Eleonore (Caroline Hellwig) und Beethoven im Film aus Standesdünkel. Das hätte ein interessantes Thema sein können, denn Ludwig van Beethoven war bei seinen eigenen Familienmitgliedern selbst ein heftiger Snob. Die echte Eleonore heiratete übrigens schließlich ganz und gar nicht standesgemäß einen Freund Beethovens. Im Film dient die ganze Eleonoren-Affäre aber nur dazu sie von einer Jugendliebe zur einzigen Liebe Beethovens hochzujubeln. Noch so ein plattes Klischee.


Es wirkt im Film so, als wäre es zum völligen Bruch mit der Familie Breuning gekommen. Ludwig van Beethoven war allerdings zeitlebens mit Stephan von Breuning befreundet, der nach Karls Selbstmordversuch sogar dessen Vormund wurde. Der im Film erfolgende Abschied von Bonn war zwar endgültig, da zwei Jahre nach Beethovens Abreise nach Wien Bonn von französischen Truppen besetzt wurde. Allerdings kamen die beiden Brüder nach Wien nach.


Und was lernt man im Film? Ludwig van Beethoven war also unausstehlich. Und er war durch Eleonore so traumatisiert, dass er keine Beziehung zu einer Frau eingehen konnte. Und so ganz nebenbei wird uns weisgemacht, dass ihm schon in Bonn die Melodie zu Schillers „An die Freude“ gekommen sein soll. Dabei ging es durchschaubar wohl nur darum, die bekannteste Melodie Beethovens im Film unterzubringen. So ganz überzeugt dieser Beitrag zum Beethovenjahr nicht.

 

Fernsehfilm

Louis van Beethoven

Deutschland, Tschechien

2020

120 Minuten

Regie und Drehbuch: Nikolaus Stein von Kamienski

Produktion: Ernst Ludwig Ganzert

Kamera Arthur W. Ahrweiler

Schnitt: Jan Henrik Pusch

Premiere: 27. Oktober 2020 bei den 42. Biberacher Filmfestspielen

Ausstrahlung: ORF 23. Dezember 2020, ARD 25. Dezember 2020

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