Ausstellung „ Ernst Hövelborn, Krieg und Frieden 1947 bis 2019“ – Galerie Helferhaus Backnang – 2020
Von der Gegenwart des Mythos
– Ausstellung „Krieg und Frieden“, Malerei und Zeichnung von Ernst Hövelborn in der Galerie im Helferhaus Backnang –
von Klaus J. Loderer
Es erstaunt nicht, dass es zu jedem Bild auch Lesestoff gibt. Hövelborn holt sich die Inspiration oft aus Literatur und Philosophie. Seine weit reichende Belesenheit merkt man seinen Einführungsvorträgen an, mit denen er schon zahlreiche Ausstellungen eröffnet hat. Diese literarische, philosophische und kunsthistorische Bildung sprudelt aber auch aus den Bildern, die gespickt sind mit Andeutungen und Zitaten. Ernst Hövelborn geht es immer um eine Bildaussage. Die kann durchaus verstörend sein. Er möchte uns eher aufrütteln als uns genießen lassen. Er möchte zum Denken anregen. Da kommt der Pädagoge durch. Und er erzählt in seinen Bildern fast immer eine Geschichte. Da kommt er der mittelalterlichen Tafelmalerei nahe, auch wenn er stilistisch ganz im 20. Jahrhundert steht. Es ist die Art, wie er gleichzeitig verschiedene Dinge dargestellt, ganz unterschiedliche Blickwinkel kombiniert und die Größenverhältnisse nach der Bedeutung bemisst, die manche seiner Bilder an mittelalterliche Altarbilder erinnern lassen. Gleichzeit scheint Picassos kubistische Deformation mit einer bewussten Naivität der Darstellung durch. Wilde Dramatik durchzieht diese Bilder.
Ernst Hövelborn: Krieg & Idylle, Kentauer Cheiron und Achilleus, Tempera auf Leinwand, 2018 |
Der von Ernst Jünger inspirierte „höllische Tanzplatz des Todes“ steht in der Tradition der drastischen Darstellungen des jüngsten Gerichts in manchen gotischen Kirchen. Die Hölle ist hier aber nicht ein undefinierbar entlegener Ort. Diese Hölle spielt sich auf der Erdoberfläche statt. Das Höllenfeuer hat Landschaft und Häuser erfasst, ein Pferde hat sich im Stacheldraht verfangen, ein einsamer Soldat schaut dem Treiben zu. Die düstere Farbgebung mit dunkler Tönung mit einer Dominanz von rot und grau lässt sich auch in anderen Bildern finden, in denen Hövelborn die Schrecken des Krieges reflektiert.
Immer wieder findet man Motive aus der griechischen Mythologie. Der Kentauer kann bei Hövelborn durchaus als Kriegsmaschine vorkommen oder geradezu idealisiert als Erzieher. Im Bild „Krieg & Idylle“ ist es der gute Kentauer Cheiron, der den jungen Achilleus erzieht. Nicht von ungefähr hat Hövelborn direkt dahinter ein Selbstporträt platziert. Wie oft bei Hövelborn besteht dieses Bild aus zwei Teilen. Man könnte die beiden Leinwände getrennt aufhängen oder zusammen. In der Mitte trennt ein Vorhang die beiden Bildhälften. Links sieht man ein rotes Kriegsflugzeug inmitten von riesigen Bestien, rechts ein Landschaftsidyll. Der Ritter in Rüstung und das Skelett mit Stahlhelm scheinen wie eine moderne Fassung von Ritter, Tod und Teufel.
Ernst Hövelborn: Idylle – Krieg – Mythos: Kreta, Tempera/Öl auf Leinwand, 2019 |
Ein weiteres antikes Motiv ist der Bezug zu Kreta. Die Touristen, die in „Idylle – Krieg – Mythos: Kreta“ unter einem roten Sonnenschirm sitzen, sind hier inmitten aller Mythen, die mit der Insel verbunden sind, gelandet. Man sieht den Hirtengott Pan, den weißen Stier und den abstürzenden Ikarus. Hövelborn hat aber auch die neuere Geschichte eingebaut. Im Hintergrund landen deutsche Fallschirmjäger als Symbol der Besetzung Kretas im Zweiten Weltkrieg. Das Zentrum des Bilds, das man als Triptychon trennen könnte, bildet aber eine große Darstellung des Minothaurus.
Die über Kreta abgeworfenen deutschen Fallschirmjägern findet man auch im Bild „Krieg & Opfer“. Die weißen Berge tragen bei Hövelborn Trauer und sind schwarz. Das Zentrum des Bildes ist die Schindung des Marsyas, also jene Geschichte, in der Apollo nach einem musikalischen Wettbewerb dem ihn herausfordernden Satyr die Haut abzieht. Es ist aber kein antiker Gott, der den Satyr hier quält, es ist ein Wehrmachtssoldat – womit wieder ein Bezug zur neueren Geschichte hergestellt wird. Ein in Ockerfarben gefasstes weiteres Bildmotiv zieht sich wie ein Filmstreifen quer durch das Bild. Wie in einer Kollage ist links ein weiteres Bild aufgesetzt mit einem Fotografen, der die grausame Aktion in der Mitte fotografiert. Der Filmstreifen zieht sich übrigens durch eine ganze Reihe von Bildern, womit diese untereinander in Bezug gesetzt werden.
Den Frieden muss man in der Ausstellung eher suchen. Es gibt aber ein paar Bilder, die schon durch ihre leuchtenden Farben herausstechen. „Das sittliche Wesen“ fällt schon durch die Ruhe der Komposition hervor. Rotbackige Äpfel hängen von einem das Bild überspannenden Ast. Zwei Vogelschwärme ziehen den Blick nach rechts, wo eine Gruppe von Menschen andächtig einem Redner lauscht.
Ausstellung Ernst Hövelborn im Helferhaus Backnang |
Wenn die Ausstellung einen Zeitrahmen von 1947 bis 2019 benennt, so weist die erste Jahreszahl auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hin. Konkret ist damit aber tatsächlich gemeint, wie Ernst Hövelborn Gesehenes und Phantasie in Zeichnungen umsetzte. Es ist ungewöhnlich, in der Ausstellung eines Künstlers Zeichnungen aus Kinder- und Jugendzeit zu zeigen, doch hat das hier durchaus seine Berechtigung, haben Hövelborn doch schon damals Motive interessiert, die auch später immer wieder auftauchen. Zwei Schwärme von Vögeln ziehen unseren Blick nach rechts, wo Menschen andächtig einem Lehrer lauschen.
Die Ausstellung würdigt Ernst Hövelborn zu seinem 80. Geburtstag. Er wurde 1940 in Stuttgart geboren. Ab 1961 studierte er an den Kunstakademien in Nürnberg und Stuttgart und an den Universitäten Tübingen und Stuttgart. 1966 machte er sein Staatsexamen in Kunsterziehung. Von 1969 bis 2004 unterrichtete er am Max-Born-Gymnasium in Backnang. Ehrenamtlich prägte er mehrere Jahrzehnte lang als Vorsitzender den Heimat- und Kunstvereins mit. Ungezählt sind seine Einführungsreden bei den Ausstellungseröffnungen im Helferhaus. Nun ist es Hövelborns Schaffen selbst, das im Helferhaus zu sehen ist.
Ausstellung
Krieg und Frieden
Malerei und Zeichnung von Ernst Hövelborn
9. bis 23. August 2020
Galerie im Helferhaus
Petrus-Jacobi-Weg 5
Backnang
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