Buchbesprechung: „Tiepolo – der beste Maler Venedigs“

 Ein Meister leuchtender Farben und flüchtiger Skizzen 

– Der Stuttgarter Ausstellungskatalog „Tiepolo – der beste Maler Venedigs“ – 

von Klaus J. Loderer

Die Stuttgarter Tiepolo-Ausstellung konzentrierte sich auf Zeichnungen und Ölbilder und musste gerade die Bildwerke, für die der venezianische Maler Giovanni Battista Tiepolo schon zu Lebzeiten berühmt war, ausblenden, nämlich die Fresken. Um die gezeigten Skizzen mit dem Treppenhausfresko der Würzburger Residenz in Beziehung zu setzen, war in der Ausstellung an der Decke ein Riesenfoto aufgehängt. Der Ausstellungskatalog kann diese Lücke schließen und stellt die Fresken den Entwürfen und Skizzen gegenüber. Und der Katalogband geht mit seinen Aufsätzen auch mehr auf den Freskenmaler Tiepoloein, als es die Ausstellung tun konnte.

Würzburg zeigte 1996 die Tiepolo-Ausstellung „Der Himmel auf Erden“, die von den Würzburger Fresken ausging. Der Anlass damals war der 300. Geburtstag Tiepolos. Den feierte auch das Ca’Rezzonico in Venedig mit einer umfassenden Ausstellung, die anschließend auch in New York zu sehen war. Auch in diesem Jahr stand ein Gedenktag an. Der Todestag jährte sich am 27. März zum 250. Mal. Die Kunsthalle Hamburg setzt Tiepolo gerade in Bezug zu Goya und Fragonard. Die Staatsgalerie Stuttgart aber würdigt Tiepolo in seiner gesamten Schaffenszeit. 

Ich habe an anderer Stelle bereits auf die Ausstellung aufmerksam gemacht, nun noch einige Worte zum Katalog. Sechs Aufsätze nähern sich unterschiedlichen Aspekten zu Tiepolos Werken. Corinna Höper stellt die Zeichnungen im Bestand der Staatsgalerie vor. Es ist wenig bekannt, dass es sich um den bedeutendsten Bestand an graphischen Arbeiten Tiepolos überhaupt handelt. Bemerkenswert ist die unglaubliche Flüchtigkeit der Feder- und Kreidezeichnungen. Diese war durchaus typisch für Venedig und wurde auch schon von Zeitgenossen bemerkt und auch kritisiert. Corinna Höper leitet ihren Aufsatz deshalb mit einigen markanten Zitaten zu dieser Skizzenhaftigkeit ein. Besonders locker sind die Federzeichnungen, mit denen Tiepolo besonders erste Ideen zu Papier brachte. Bei Studien zu Figuren und Details arbeitete er eher in schwarzer Kreide und Rötel.

Vor der Ausstellung wurden drei Gemälde Tiepolos kunsttechnologisch untersucht. Die Ergebnisse fassten Anne Künzig, Katja van Wetten und Annette Hojer in einem Aufsatz zusammen. Bei den Untersuchungen konnte man neue Erkenntnisse zur Arbeitsweise Tiepolos gewinnen. Auch entdeckte man verschiedene Korrekturen gegenüber den ursprünglichen Entwüfen und Übermalungen. Die Untersuchungen zeigten auch, dass Tiepolo nass in nass malte, damit sich die neuen Farbschichten mit den schon vorhandenen vermischten. Und es stellte sich heraus, dass er sehr früh Berliner Blau (Preußisch Blau) verwandte. Diese 1710 entdeckte Farbe hatte eine intensive Farbwirkung, war aber wesentlich preisgünstiger als Ultramarin.

Den Hauptteil des Bands nimmt der Katalog ein, der 52 Nummern umfasst. Insgesamt sind es aber wesentlich mehr Werke, da die graphischen Serien jeweils unter einer Nummer zusammengefasst wurden. Den Ölentwürfen für Fresken sind auch Bilder der ausgeführten Fresken zugeordnet, etwa dem Ölbild mit der Apotheose der Familie Pisani aus dem Museum in Angers das Deckenbild in der Villa Pisani in Strà.

Auch die Arbeiten des zeitgenössischen Künstlers Christoph Brech sind im Band zu finden. Sie sind schon optisch von den Tiepolo-Werken abgesetzt, da hier ein schwarzer Grundton für die Seiten gewählt wurde. An vier Stellen waren in der Ausstellung Arbeiten Brechs eingefügt, mit denen er einen Dialog zu den historischen Bildern aufnahm. Das geschah etwa bei Tiepolos Bild „Apelles malt das Bildnis der Campaspe“ mittels eines polierten Edelstahlblechs, das wie ein verzerrender Spiegel wirkte und „Porträts“ der Ausstellungsbesucher produzierte.


Tiepolo
Der beste Maler Venedigs
Staatsgalerie Stuttgart
[Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung „Tiepolo – der beste Maler Venedigs, Staatsgalerie Stuttgart 11.10.2019 – 2.2.2020]
Mit Beiträgen von Andrea Gottdang, Corinna Höper, Annette Hojer, Alexander Linke und Andreas Schumacher und vier Interventionen von Christoph Brech
Sandstein Verlag Dresden
2019
239 S., zahlr. Ill.
Museumsausg.: ISBN 978-3-95498-510-4
Buchhandelsausg.: ISBN 978-3-95498-506-7

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