Opernkritik: „Salome“ von Richard Strauss – Theater Krefeld-Mönchengladbach – 2019

Salome steigt hinab 

– Anthony Pilavachi und Markus Meyer versetzen „Salome“ im Theater Mönchengladbach in die mondäne Welt der Zwanzigerjahre – 

von Klaus J. Loderer

Sieben goldene Flügeltüren bilden das dominante Element des Salome-Bühnenbilds im Theater Mönchengladbach. Sie sind den berühmten Art-Deco-Aufzugtüren im 1931 eröffneten Essex House in New York nachempfunden. In diesem Luxushotel feiert der neureiche Herodes eine Party – zwar im schwarzen Frack aber mit goldenen Schuhen, Goldkettchen und vielen Ringen an den Fingern nicht wirklich geschmackvoll. Herodias ist eine elegante Dame, mit langer Zigarettenspitze und engem Kleid und mit bombastischem Federschmuck bekrönt. Von Charlestonzeit und Art Déco hat sich Bühnen- und Kostümbildern Markus Meyer inspirieren lassen. Regisseur Anthony Pilavachi möchte die Dekadenz der Roaring Twenties zeigen. Die Geschichte scheint in Amerika zu spielen, doch dieser Glatzkopf-Herodes könnte auch ein Gabriele d’Annunzio sein und die Turbane der beiden Soldaten verweisen auf den Orient. Es changiert alles etwas zwischen den Welten. Dieser Herodes lässt sich nun umschmeicheln und hat doch einen Widersacher im Keller versteckt. Für diese Seite hat das Bühnenbild eine zweite Ebene, die untere Ebene mit Mülleimern und Kisten mit Weinflaschen, auf der sich das Personal arbeitet und Sicherheitsleute ihre Zeit verbringen, während oben gefeiert wird. Zwei Spielebenen also: tiefschwarz die untere, die obere Ebene in herrschaftlich-goldener Pracht. Unten schuftet das Personal, oben schwelgt man in Dekadenz an der gedeckten Tafel. Diese und den golden-schwarzen Fußboden sieht man in der verspiegelten Decke.

„Salome“ des Theaters Krefeld Mönchengladbach:
Markus Petsch (Herodes), Dorothea Herbert (Salome), Statisterie
Foto: Matthias Stutte
Die soziale Schichtung würde auch so bleiben, käme Salome nicht heraus. So aber steigt sie zum Personal hinab. Herodias trägt Salomes Geburtstagstorte hinterher. Doch Salome ist das gleichzeitig. Sie entdeckt eine verbotene Sache. Die Zisterne ist hier ein Lichtschacht, abgedeckt von einer Glaskuppel. Der zottelbärtige Jochanaan ist das Gegenbild der dekadenten Welt. Und doch deuten sein weißes Hemd und die schwarze Hose an, dass er auch mal so elegant war wie die da oben. Was seine Vorgeschichte ist, erfahren wir nicht. Wie er sich Herodes zum Feind gemacht hat, bleibt offen. Das ist bei Übertragungen der Geschichte in das 20. Jahrhundert auch immer die Frage, wie man glaubhaft ein Verlies in einem Privathaus vermittelt, wenn Herodes nicht gerade ein Gangsterboss ist.

„Salome“ des Theaters Krefeld Mönchengladbach:
Dorothea Herbert (Salome), Johannes Schwärsky (Jochanaan), Woongyi Lee (Narraboth)
Foto: Matthias Stutte
Mit einleuchtender Personenregie entwickelt Anthony Pilavachi ein Spiel um Macht und erotische Sehnsüchte. Diese Salome kennt ihre Macht über Herodes und spielt diese aus. Frech lehnt sie nicht nur Torte, Früchte und Wein ab, sie gießt ihm den Champagner gleich über den Kopf. Die Iszenierung wartet mit einem ungewöhnlichen Schluss auf. Wenn Herodes befiehlt: „Man töte dieses Weib,“ wehrt sie sich und erschießt kurzerhand Herodes.

„Salome“ des Theaters Krefeld Mönchengladbach: 
Markus Petsch (Herodes), Dorothea Herbert (Salome)
Foto: Matthias Stutte
Die Besetzung ist hörenswert. Hervorragend ist Markus Petsch als Herodes und dies nicht nur mit bemerkenwertem und markantem Tenor sondern auch durch sein Spiel. Eva Maria Günschmann ist eine mondäne Herodias mit schwerem Mezzosopran.

Bei Johannes Schwärsky passt sogar der Vorname zur Rolle Jochanaan. Sein Bariton fließt warm und mächtig, wenn er den Erlöser prophezeit und wird hart und kalt bei den Gedanken an die Verderbtheit des Hofs von Herodes. Mit lyrischer Stimme singt Woongyi Lee (Mitglied des Opernstudios Niederrhein) die Tenorrolle des Syrers Narraboth. Um ihn besorgt ist der Page, gesungen von Susanne Seefing.

Auch das Quintett der Juden erklingt in gutem Zusammenklang durch Hyunhan Hwang, James Par, Markus Heinrich, Manfred Feldmann und Robin Liebwerth. Ihre Gegenspieler sind als Nazarener Hayk Deinyan und Kairschan Scholdybajew und der Cappadocier Guillem Batllori. Insgesamt erreichen diese einen spannungsgeladenen theologischen Disput mit einem gehörigen Schuss Ironie. Die Soldaten sind Matthias Wippich und Alexander Kalina.

„Salome“ des Theaters Krefeld Mönchengladbach: Dorothea Herbert (Salome)
Foto: Matthias Stutte
Ich wäre neugierig gewesen auf Dorothea Herbert als Salome. Allerdings ist sie kurzfristig erkrankt. Als Ersatz fand das Theater Manuela Uhl, eine erfahrene Salome. Allerdings ist Manuela Uhl auch eine Sängerin, bei der man sich durchaus fragt, was sie da eigentlich gerade singt. Sie forciert heftig und findet selten weiche Klänge. Durch die Umbesetzung ist auch der Schleiertanz nicht in der eigentlich geplanten Form möglich. Nach den Fotos sieht es eindrucksvoll aus, wie Dorothea Herbert, assistiert von Statistinnen mit Federfächern zuerst im erotischen Charlestonkleid präsentiert und später ein wallendes weißes Gewand aufbäumt, gierig belauert von Herodes und den im Vordergrund lüstern kauernden Männern. Nun erfolgt nur eine sparsame Version.

Generaldirektor Mihkel Kütson erreicht mit den Niederrheinischen Sinfonikern einen schönen Richard-Strauss-Klang. Mit Sinn für das Melodische geht Kütson die Partitur an, lässt uns in Wohlklängen schwelgen und kontrastiert diese doch mit scharfen Tönen.

Besuchte Vorstellung: 9. November 2019
(Premiere am 22. September 2019)
Theater Mönchengladbach




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