Opernkritik: Richard Wagners „Tristan und Isolde“ – Oper Köln – 2019

Verloren auf einem Schiff 

– Patrick Kinmonth inszeniert Richard Wagners „Tristan und Isolde“ an der Oper Köln als Geschichte vereinzelter Individuen –

von Klaus J. Loderer

Regelrecht umflutet ist dieses Orchester, von Wellen umgeben. Einen Orchestergraben gibt es im Staatenhaus in Köln ja nicht. Aber man kann die Bühne höher bauen. Und das hat Darko Petrovic auch getan. Er baut ein Meer aus pyramidenförmigen Zelten, die in ihrer Masse nicht von unbefähr an Wellen erinnern. Um das Meer geht es in „Tristan und Isolde“ ja immer wieder, zumal der erste Aufzug nach Wagner auf einem Schiff spielt. Regisseur Patrick Kinmonth lässt Tristan aber nicht ankommen. Drei Akte lang treibt er in Köln auf dem Meer.

„Tristan und Isolde“ an der Oper Köln: Ingela Brimberg (Isolde), Peter Seiffert (Tristan)
Foto © Bernd Uhlig
Von einem Schiff sehen wir einen aufgeschnittenen Ausschnitt: vier identische Kajüten sind aneinandergereiht, hineingequetscht zwischen die schwere genietete Eisenkonstruktion eines Schiffs. Spartanisch sind sie ausgestattet. Es ist kein Luxusdampfer, eher ein Frachtschiff oder eine Fähre. Eine Klapppritsche, ein Stuhl, ein Waschbecken mit Spiegel sind die karge Ausstattung. Immerhin gibt es frische Handtücher. Damit hat der Regisseur persönliche Erinnerungen eingebaut, wie man im Programmheft erfährt. Darko Petrovics nutzt aber auch die unglaubliche Breite dieser Bühne. Während das Zentrum sich nicht ändert, gibt es auf erhöhten Podesten rechts und links etwas Abwechslung: die Schiffsbrücke, das Büro König Markes und eine grüne Wiesen als Heimat Tristans – kleine Arrangements für die Nebenhandlungen und die Nebenrollen. Mit den aufwallenden Klängen des Orchesters tauchen immer wieder Videoprojektionen mit Wellen die Bühne in ein gespenstiges Licht. So realistisch das Bühnenbild scheinen mag, so surreal sind die Handlungen, etwa wenn ein Trupp Jäger durch das Meer streift. Während die Männer schlicht heutig gekleidet sind, haben Brangänes und Isoldes Kleidung Anklänge an irische Folklore (Kostüme Annina von Pfuel).

Kein Miteinander von Tristan und Isolde

Regisseur Patrick Kinmonth möchte uns keine realistische Liebesgeschichte zeigen. Vereinzelt sind die Menschen in den vier Zellen. Zwar sind die vier Kabinen durch Türen miteinander verbunden, doch scheinen sich die Menschen auf diesem Schiff gegenseitig nicht wahrzunehmen. Brangäne und Isolde interagieren und Tristan und Kurvenal – oder doch nicht? Weiß Isolde, dass Tristan in der Nachbarkabine ist? Gibt es außer diesem apathischen Tristan, der wie erstarrt in seiner Kabine sitzt, überhaupt jemanden auf diesem Geisterschiff? Wir sehen parallel verlaufende Handlungen, als ob sich Tristan und Isolde nicht treffen würden. Was für ein Zufall, dass dann alle gleichzeitig ein Glas Wasser trinken. Tristan träumt von einer Isolde und Isolde träumt von einem Tristan. „Tristan und Isolde existieren füreinander am intensivsten im Kopf des jweils anderen,“ erläutert Regisseur Kinmonth in einem im Programmheft abgedruckten Interview. Doch es bleibt die Wand konsequent zwischen ihnen. Auch im zweiten Akt keine Gemeinsamkeit. Sie nehmen sich auf dieser endlosen Kreuzfahrt schlichtweg nicht wahr. Und wenn, danns sieht er Isolde sogar mehrfach. Mit Hilfe von Statistinnen vervielfacht sie sich. So stirbt Isolde am Ende auch nicht, der „Liebestod“ ist ein Schlussmonolog. Dieses Konzept hat seinen Reiz und nimmt optisch immer wieder gefangen. Trotzdem kann man der Inszenierung eine gewisse Langatmigkeit nicht absprechen. Und verständlich ist die Sache eigentlich nur, wenn man zuvor die allerdings kurzweilige Einführung von Dramaturg Georg Kehren gehört hat.

„Tristan und Isolde“ an der Oper Köln
Foto © Bernd Uhlig
Tristan und Isolde kommen in Köln nur in der Musik zusammen. Da aber sehr intensiv. Dafür sorgt François-Xavier Roth mit dem bestens aufgestellten Gürzenich-Orchester. Ingela Brimberg singt ihr Isolde-Rollendebüt grandios. Eine eindrucksvolle und klare Höhe, gepaart mit schöner Tonbildung. Eine sehr ästhetische Stimme hat die schwedische Sopranistin. Am Ende dunkelt sie die Stimme ab, um einen wärmere Tonfall zu erreichen. Blass und angestrengt bleibt dagegen Claudia Mahnke als Brangäne. Für den erkrankten Peter Seiffert, der die Premiere gesungen hat und für die ersten Vorstellungen eingeplant war, springt in der dritten Vorstellung der für die restlichen Abende vorgesehene Heiko Börner ein. Allerdings ist dann auch dieser stark indisponiert, singt die Vorstellung – allerdings eben hörbar angeschlagen. Aber er rettet die Vorstellung. Man muss sein Durchhaltevermögen bewundern. Samuel Youn ist ein eindrucksvoller Kurvenal – ein wahrer Heldenbariton. Auch in dieser statischen Inszenierung ist sein Spieldrang nicht zu bremsen. Die anderen Rollen bleiben mehr oder weniger unsichtbar. Einfühlsam und mit wohliger Tiefe singt Karl-Heinz Lehner als König Marke. Tenor John Heuzenroeder singt Melot, Young Woo Kim ist ein Hirt und ein junger Seemann und Insik Choi ist der Steuermann. Der Chor der Oper Köln ist von Rustam Samedov präzise einstudiert.

Besuchte Vorstellung: 3. Oktober 2019
(3. Vorstellung, Premiere 21. September 2019)
Staatenhaus Köln





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