CD-Besprechung: Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ aus dem Deutschen Nationaltheater Weimar

Hänsel und Gretel“ 

– Aufnahme aus dem Deutschen Nationaltheater Weimar unter der Leitung von Martin Hoff – 

von Klaus J. Loderer 

Schon ein paar Jahre alt ist diese Aufnahme aus dem Deutschen Nationaltheater Weimar. Im großherzoglichen Hoftheater Weimar wurde am 23. Dezember 1893 Engelbert Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“ uraufgeführt. Das war eher ein Zufall oder eine Verquickung unglücklicher Umstände. Eigentlich sollte die Oper am 14. Dezember 1893 im Nationaltheater München ihre erste Aufführung unter Hermann Levi erleben. Durch die Erkrankung der Gretel wurde die Premiere auf den 30. Dezember verschoben. Auch die in Karlsruhe angesetzte Premiere unter Felix Mottl fiel aus und wurde auf den 5. Januar 1894 verschoben. So wurde die von Richard Strauss dirigierte Premiere in Weimar zur Uraufführung. Einhundertzwanzig Jahre später entstand die vorliegende Aufnahme im Nationaltheater Weimar. Nun darf man allerdings nicht dem Irrtum unterliegen, dass damit eine Aufnahme im Raum der Uraufführung entstanden ist. Uraufgeführt wurde die Oper im alten großherzoglichen Theater, das zwar an der Stelle des heutigen Nationaltheaters stand, das aber für das neue Hoftheater von Max Littmann abgerissen wurde. Und auch dessen Zuschauerraum wurde nach den Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg nicht rekonstruiert sondern völlig verändert neu gestaltet. Aber selbst dieser Zuschauerraum wurde durch den jetzigen ersetzt.

Dass der Zuschauerraum eine sehr trockene Akustik hat, hört man auch der Aufnahme an, die entsprechend dem Konzept der Aufnahmefirma Dabringhaus und Grimm nicht bearbeitet wurde. Man kann dies in der immer wieder auftretenden Heterogenität der Lautstärke bemerken.

Bei der von Martin Hoff dirigierten Staatskapelle Weimar fällt vor allem die sehr hohe und gleichbleibende Qualität der Blechbläser auf. Auch mit den Streichern erreicht er einen schönen Klang. Differenziert artikuliert er die Motive und bringt einen spätromantischen Gesamtklang hervor. Und doch fehlt etwas zum Wow-Erlebnis. Alles ist etwas getragen, trocken und hat wenig Spannung. Das Orchesterfinale des ersten Akts mit der berühmten Pantomime bleibt trotz aufbäumender Fortissimi eher brav und flau. Und dann gibt es an dieser Stelle noch meinen persönlichen Qualitätsmesser: benötige ich ein Taschentuch? Nein. Die Äuglein blieben trocken.

Die gesanglichen Leistungen sind qualitätvoll. Elisabeth Wimmer singt Gretel mit schönem und mädchenhaftem Sopran. Das ist im ersten Akt sehr erfreulich und klar. Ihre klare Höhe lässt am Beginn des zweiten Akts in der Frische leicht nach. Bei der japanischen Mezzosopranistin Sayaka Shigeshima als Hänsel fehlt mir etwas die stimmliche Wärme, sehr trocken bleibt der Klang. Uwe Schenker-Primus singt den Besenbinder Peter mit klarem Bariton. Gut kann er mit die Stimmungen artikulieren. Launig trällert er vom Verkauf der Besen und gibt einen gutmütigen Vater. Mutter Gertrud ist bei Rebecca Teem in guten Händen.

Alexander Günther, der seit 1992 zum Ensemble des Nationaltheaters gehört, verleiht der Knusperhexe seine markante Tenorstimme. Mal lockend, mal neckend, mal ironisch, durchaus böse und im Hexengalopp mächtig auftrumpfend prägt er die Hexe.

Man kann den Gesang von Caterina Maier als Sandmännchen goutieren, allerdings neigt sie zu einem gewissen Vibrato, was zu einer völligen Unverständlichkeit des Texts führt. Kaum weniger Probleme hat die Koreanerin Hyunjin Park mit der Textverständlichkeit. Ihr Sopran neigt zu schrillem Klang in der Höhe. Als Kinderchor ist die Schola Cantorum Weimar zu hören (Einstudierung Cordula Fischer).

Zum Booklet, in dem man einen Text von Martina Stütz zur Uraufführungsgeschichte und die Biographien der Beteiligten findet, sei noch angemerkt, dass im Libretto leider keine Tracknummern angeführt sind.


Engelbert Humperdinck
Hänsel und Gretel
Staatskapelle Weimar
Martin Hoff
[recording 2013]
Dabringhaus und Grimm Audiovision
Detmold 2014
MDG 909 1837-6
DDD
CD 1 57:26
CD 2 40:56
Booklet in englisch, französisch und deutsch
Libretto in deutsch und englisch

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