Ausstellung: „János Bella – Spätlese“ – Galerie im Helferhaus in Backnang – 2020

„Mit jedem Gedicht und Gemälde verlängere ich mein Leben“ 

– Ausstellung „János Bella – Spätlese“ in der Galerie im Helferhaus in Backnang – 

von Klaus J. Loderer 

„Wenn in die Ferne geht der Menschen wohnend Leben.“ Diese Zeilen des vor 250 Jahren geborenen Dichters Friedrich Hölderlin inspirierten János Bella zu einem Bild. Überhaupt fasziniert der schwäbische Dichter den Maler János Bella . Bei der Eröffnung seiner Ausstellung in der Galerie im Helferhaus in Backnang erzählt er, dass er nach seiner Ankunft in Deutschland schnell den Hölderlinturm in Tübingen entdeckt habe. Schon damals habe ihn das Gebäude fasziniert, von dessen berühmtem Bewohner er schon in der Schulzeit in Ungarn Gedicht gelesen habe. Nun setzte János Bella den Dichter Hölderlin ins Zentrum eines Bilderreihe, die Werke der Literatur reflektieren und in Bildmotive umsetzen. Die Bilder zu Hölderlin wurden selbst zu einem kleinen Zyklus.

János Bella vor dem Bild „Was man nicht mit Worten sagen kann“Foto: Klaus J. Loderer
Da sitzt der Dichter an einem Tisch mit einem Glas Rotwein und einer Sonnenblume. Doch scheint der Tisch im Wasser zu stehen. Im Neckar schwimmen zwei Schwäne, deren Hälse sich zu einem Herz formen. Hinten sehen wir links herbstliches Laub, während rechts der Turm in Tübingen mit Schnee bedeckt ist. „Hälfte des Lebens“ hat Bella das Bild betitelt. Die Textzeile „Am Ende wirst Du es finden“ hat Bella gleich zu zwei Bildern inspiriert. Man könnte das Glück zu zweit finden, so sieht man auf einem Bild ein eng beieinander sitzendes Paar mit einer Sonnenblume. In der anderen Variante spielt Bella auf das literarische Glück an: hier ist der Dichter Hölderlin auf einem Hocker sitzend und schreibend dargestellt. Doch ist sein Blick nicht auf das Blatt gerichtet, sondern, als habe er gerade eine Eingebung, auf eine weiße Frauenfigur, vielleicht eine ihn inspirierende Muse. Mystisch verschwommen bleibt die Frauenfigur. Eine Art weißen Nebel hat Bella zwischen sie und Hölderlin gesetzt. Um die Traumsituation noch zu verstärken, bleibt der Raum verwischt. Im Thema ähnlich, doch in der Darstellung viel detaillierter ist das Bild mit der Textzeile „An die Hoffnung“. Wie auf der Rast bei einem Spaziergang sitzt Hölderlin auf einer Bank im Grünen. Leuchtend grün ist auch der Wald im Hintergrund, doch blutrot ist der Himmel dahinter, aus dem eine Teufelsfratze zu Hölderlin blickt. Wieder gibt es eine geisterhafte Erscheinung, eine verschleierte Frauenfigur, des Äthers Tochter, die, mit kalten Farben versehen, mehr schwebt als steht.
Auch andere Dichter setzte Bella in Bilder um, Hans Sahl und Bert Brecht etwas. Eindrücklich ist das Porträt Heines, der markant reduziert auf wenige skizzenhafte gesetzte schwarze Pinselstriche, den Kopf auf eine Hand gestützt, über Deutschland nachdenkt: „Denk ich an Deutschland in der Nacht ...“ Kopf und Körper hat Bella mit einem kühlen Türkiston unterlegt, der dramatisch vom glutroten Hintergrund absticht. Und dann ist da noch Goethes „Erlkönig“ mit einem galoppieren Reiter.

Hölderlin hat János Bella zu zahlreichen Bildern inspiriert
Foto: Klaus J. Loderer
Auch im Alter malt János Bella eifrig. Die Ausstellung zum 85. Geburtstag im Backnanger Helferhaus war ein neuerlicher Ansporn. Zwei Etagen sind gefüllt mit den Arbeiten der letzten Jahre. Und János Bella dichtet seit vielen Jahren auch. Bei der Ausstellungseröffnung am 1. März trägt er einige Gedichte vor, musikalisch unterlegt von seinem Sohn Markus Bella. Eines davon mit dem Titel „Wahrlich“ macht sein Lebensmotto deutlich: „Mit jedem Gedicht und Gemälde verlängere ich mein Leben. Denn während ich damit beschäftigt bin, hab ich nicht mal zum Sterben Zeit.“ So spricht der unermüdliche Künstler. Das Helferhaus ist voll bei dieser Ausstellungseröffnung. Angesehen und bekannt ist Bella in Backnang als Künstler. Seit vielen Jahren lebt er hier. Er stammt aber aus Ungarn, wurde 1935 in Endröd geboren, einer kleinen Gemeinde im Flachland im Südosten Ungarns. Das Kunstgymnasium in Budapest legte für Basis für eine künstlerische Ausbildung. Die Hochschule für Kunstgewerbe in Budapest und die Pädagogische Hochschule in Szeged prägten den weiteren Weg. Die ungarische Revolution im Oktober 1956 veränderte sein Leben. Er floh im Anschluss in den Westen. In Stuttgart besuchte er die Kunstakademie und war am Staatstheater als Theatermaler tätig. In Backnang unterrichtete er viele Jahre als Kunsterzieher an der Schickhardt-Realschule und prägte so ganze Generationen junger Menschen. Bei ihm konnte man die handwerklichen Fähigkeiten des Zeichnens erlernen. Mit Blechkannen schulte er das räumliche Sehen. Auch Erwachsene führte er zur Kunst. Die Künstlergruppe „Maler der Baracke“ entstand aus einem Malkurs bei ihm und wurde über viele Jahre künstlerisch von ihm geschult und begleitet. Der Name rührt übrigens von den Räumlichkeiten her, einer „Baracke“ im Hof der Schillerschule. Und er war selbst als Künstler tätig. Sein Malstil mit den kräftigen Konturen war und ist markant.

 In der Ausstellung János Bella im Helferhaus in Backnang
Foto: Klaus J. Loderer
Die dunkle Kontur ist ihm immer wichtig. Selbst in einer Bildreihe, die fast monochrome farbige Flächen aneinandersetzt, trennt er diese mit schwarzen Linien. Obwohl die Farbflächen keinen realistischen Bezug haben, meint man in ihnen Landschaften, Himmel und Sonne zu erkennen. Auch die Figuren sind auf Flächen reduziert. Keine Gesichter haben diese Menschen, sie sind auf puppenhafte Wesen reduziert. Doch lässt uns die präzise Linienführung Bellas die Geschichten erkennen, etwa die Vertreibung aus dem Paradies oder die Geschichte von Kain und Abel. Adam und Eva müssen auf dem Bild die Ermordung ihres Sohnes miterleben. Adam beugt sich zum Erschlagenen hinter.
Die Vertreibung aus dem Paradies hat Bella auch noch in einer Technik dargestellt, mit der er auch seit vielen Jahren experimentiert, der Abklatschtechnik, die Décalcomanie. Er nimmt die dadurch entstehenden Zufallsergebnisse gerne als Basis für weitere Übermalungen und interpretiert die Farbflächen in Figuren um. „Ich sehe überall Gesichter“ erläutert er seien Vorgehensweise.

Immer wieder reflektiert Bella die Kunst und den Künstler. Das interessante Bild „Maler und Modell“ zeigt einen Maler, der auf sich auf seine Leinwand stützt und hinabblickt auf Kunstwerk und Modell, eine nackte Frauengestalt in üppigen Rundungen und auf der Leinwand dieselbe Figur kubistisch interpretiert. Noch weiter geht Bella in „Fantasie macht sichtbar“. Hier changiert der Eindruck, was der auf dem Bild mit Palette und Pinsel dargestellte Maler eigentlich gerade malt. Ist die nackte Frau im Fenster, aus dem der Vorhang wie ein Wasserfall herausquillt, gemalt oder ist sie real und nur ihre auf die Fassade gemalten Beine sind gemalt?

Das Bild „Tätowierter Maler“, zeigt einen mit Rosen tätowierten Maler, der ein Rosenbild malt. Die Rosen unterscheiden sich vom Malstil des restlichen Bilds, was daran liegt, dass es sich um eine Übermalung handelt. János Bella verrät, dass er sich einmal einen ganz banalen Druck auf Leinwand gekauft habe mit der Idee, das Bild einfach zu grundieren und dann zu übermalen. Dann fand er aber die Idee reizvoll, einen Teil des Druck mit Rosen durchscheinen zu lassen. Und so übermalte er den Druck nur teilweise.

János Bella vor dem Bild „Glasfenstermaler“

Foto: Klaus J. Loderer
Der „Glasfenstermaler“ malt interessanterweise selbst nicht. Der junge Mann mit der Sonnenblume steht vor einem Buntglasfenster und schaut uns an als wolle er uns mit der Blüte hypnotisieren. Wir entgehen ihm nicht, er folgt uns mit dem Blick. Es ist nämlich eines jener faszinierenden Porträts, dessen Augen uns durch den ganzen Raum verfolgen. Ist es der junge János Bella, der uns hier so eingehend betrachtet?

Zur Ausstellung ist ein Katalog mit Bildern und Gedichten erschienen. Mehr Gedichte und Zeichnungen sind im Band Nur aus klarer Quelle zu finden.


Ausstellung
János Bella – Spätlese
1. bis 22. März 2020
Galerie im Helferhaus
Petrus-Jacobi-Weg 5
Backnang

Katalog
János Bella
Gemälde 2017-2020
= Festmények 2017-2020
Red. Waltraud Bella
Markus Bella Verlag, Backnang 2020
ISBN 978-3-00-065010-9
79 Seiten
Text deutsch und ungarisch

János Bella
Nur aus klarer Quelle
Gedichte und Zeichnungen (2015-2019)
= Csak tiszta forrásból, versek és rajzok
Backnang 2019
ISBN 978-3-00-063497-0
139 Seiten
Text deutsch und ungarisch
+ 2 CD-Beil.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Skandal: Enrico Caruso und die spektakuläre Trennung von Ada Giachetti

Filmbesprechung: „Frühling in Paris“ (Seize Printemps) von Suzanne Lindon

Vor 111 Jahren eröffnet: das „Alte Schauspielhaus“ in Stuttgart war Sprechbühne und Operettentheater