Premierenkritik: Giuseppe Verdis „Rigoletto“ – Staatstheater am Gärtnerplatz in München – 2020

Wo der Joker sein Unwesen treibt 

– Verdis „Rigoletto“ im Staatstheater am Gärtnerplatz in München als Reminiszenz an Gotham City – 

von Klaus J. Loderer

Die Partys des Herzogs von Mantua sind legendär. Eingeladen sind nur Männer. Genossen werden Whiskey und Frauen. Security sorgt dafür, dass eventuelle Ehemänner dieser Frauen nicht zu lästig werden. Für makabre Späße hat sich der Herzog den Joker engagiert. Er serviert ungelittene Personen ab. Eine Art Gotham City bildet den Schauplatz von Verdis Oper „Rigoletto“ im Gärtnerplatztheater in München. Walter Vogelweider hat dazu eine düstere Architektur auf die Drehbühne gestellt und mit Bogendurchgängen, Treppen und Wasserbecken eine dunkle Krimiatmosphäre geschaffen. Als knallharten Krimi geht Regisseur Herbert Föttinger die Geschichte an. Rigoletto ist der Joker, in Comic und Filmen der bösartige Gegenspieler von Batman und legendär verkörpert von Jack Nicholson. Es ist aber ein Joker, der eine gutmütige Seite hat, die des liebevollen Vaters. In diesen Szenen kann Aris Argiris seinen warmen wohltönenden Bariton mit zartem Timbre anbringen. Doch kann Aris Argiris auch den perfiden Ton des bösartigen Spötters. Nach Gildas Ermordung könnte man sich vorstellen, dass dieser Joker mit dem Ende der Oper auch zu einem Monster wird wie jener im neuesten Film von Todd Philipps. An diesen angepasst trägt Rigoletto als Dienstkleidung grüne Weste und violetten Gehrock. Er fällt schon farblich auf zwischem dem Chor in dunklen Anzügen.

„Rigoletto“ im Gärtnerplatztheater München: 
Holger Ohlmann (Graf von Ceprano),  Aris Argiris (Rigoletto)
© Christian POGO Zach
Den Herzog hat Kostümbildner Alfred Mayerhofer aber mit einem knallroten Anzug ausgestattet. Dieser Duca ist so selbstbewusst, er muss nicht einmal eine Krawatte tragen. Lucian Krasznec gibt den Genießer durch und durch, der von allem nicht genug bekommen kann. Und lässt mit Nonchalence seinen strahlenden Tenor erklingen. Er rastet im zweiten Akt völlig aus, wenn er darüber klagt, dass Gilda verschwunden ist und beruhigt sich erst wieder, wenn ihm die Männer auf dem Laptop die Entführung vorspielen. Natürlich hat Krasznecs „La donna è mobile“ seine Wirkung. Will er Gilda im zweiten Akt eigentlich mit einem Champagnerpicknick überraschen, lässt er das schnell wegpacken, als er belauscht, dass sie sich gar keinen reichen Mann wünscht. So tritt er eben als armer Student auf.

„Rigoletto“ im Gärtnerplatztheater München:
Lucian Krasznec (Herzog von Mantua),  Herrenchor, Statisterie
© Christian POGO Zach
Eine Seite des Gebäudes soll das Heim Rigolettos vorstellen, wobei hier Innenraum und Straße etwas durcheinanderkommen. Eine Schachtel mit Erinnerungen packt Gilda aus. Die Sachen muss Ann-Katrin Naidu als Giovanna dann gleich wieder mühevoll einsammeln. Wenig naiv und erwachsener als Rigoletto sich das wünscht ist die Gilda der amerikanischen Sopranistin Jennifer O’Loughlin. Mit Gefühl für die Feinheiten der Partie singt sie einen mädchenhaften Ton. Dass sie dann auch noch im Gebäude herumsteigt, ist nicht so ganz nachvollziehbar und bringt sie bei ihrer Arie um den Effekt.

„Rigoletto“ im Gärtnerplatztheater München: Aris Argiris (Rigoletto),  Jennifer O’Loughlin (Gilda)
© Christian POGO Zach
Erfolgten die räumlichen Wechsel bisher durch Drehung des Bühnenbilds, wird das Gebäude für den dritten Akt umgestaltet. Die Atmosphäre ist noch kälter. Die Öffnungen sind durch Fensterläden verschlossen. Peitschenlaternen beleuchten hart die Szenerie. Die Zapfsäule einer Tankstelle steht im Vordergrund. Aus dem Möderwirt Sparafucile wurde ein Tankwart mit Nebenverdienst. Levente Páll ist ein düsterer aber klarer Bass. Der Straßenstrich ist auch gleich da. Anna-Katharina Tonauer tönt als Maddalena mit verführerischem Mezzosopran. Dass der Herzog sportlich die Fassade hinaufklettert, um dann gleich wieder unten aus der Tür zu kommen, weil er singen muss, das ist allerdings ein Regie-Fauxpas. Interessanter ist die Idee, dass wenn der Herzog auf offener Straße mit Maddalena herumknutscht Gilda das nicht etwa angewidert aus der Ferne beobachtet, sondern so davon angezogen ist, dass sie dazukommt und die Sache zu einem Dreier ergänzt. Das soll wohl nur einen Traum von ihr zeigen, denn real müsste die Geschichte dann anders weitergehen.

In weiteren Rollen hört man mit düsterem Bass Christoph Seidl als Graf von Monterone, den Bariton Ludwig Mittelhammer als Marullo, Gyula Rab als Borsa, Holger Ohlmann als Graf von Ceprano, Elaine Ortiz Arandes als Gräfin Ceprano, Martin Hausberg als Gerichtsdiener und Caroline Adler als Page.

Passend zu dem düsteren Krimi auf der Bühne schreckt Anthony Bramall auch vor harten Klängen nicht zurück. Gefühlsseligkeit vermeidet er mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Akkurat einstudiert hat Pietro Numico den Herrenchor.

Besuchte Vorstellung: Premiere am 30. Januar 2020
Gärtnerplatztheater München


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