Operettenkritik: Paul Linckes „Frau Luna“ – Staatstheater Cottbus – 2020

Der Traum vom Fliegen in Alt-Berlin 

– Paul Linckes Operette „Frau Luna“ am Staatstheater Cottbus – 

von Klaus J. Loderer

Alte Berlin-Postkarten stimmen im Staatstheater Cottbus auf die Operette „Frau Luna“ ein. Bühnenrahmen und Vorhang sind mit stark vergrößerten Bildmotiven versehen und zeigen das Berlin der Zeit um 1900. Das passt: 1899 hatte die erste Fassung von „Frau Luna“ in Berlin ihre Uraufführung (die ergänzte und heute übliche Fassung entstand 1920). Regisseur steffen Piontek und Bühnenbildner Mike Hahne bieten uns eine kurzweilige Alt-Berlin-Show. Entsprechend sind auch die Kostüme von Mike Hahne ganz Kaiserzeit: Pickelhaube, Zylinder, Rüschen und Cul-de-Paris. Ein weitere Themen der Ausstattung sind damals ganz neue Dinge wie ein Auto und Luftschiffe – LZ 1 absolvierte 1900 seinen Jungfernflug. Das liegt bei dieser Operette nahe, zumal man die Textfassung von Otto Schneidereit spielt, in der Fritz auf eine Anstellung beim Grafen Zeppelin hofft und die Reise auf den Mond nur träumt. Die Leute auf dem Mond spiegeln die Personen aus Fritzens Umgebung wider. Die Verwicklungen auf dem Mond fallen dabei weg, wodurch diese Szene fast nur aus den Musiknummern besteht. Leider fehlt aber auch die wunderbare Romanze Maries im ersten Akt „Schlösser, die im Monde liegen“. Dieses Motiv kommt, abgesehen davon, dass Fritz es einmal trällert, nur im Finale vor. Und auch „Das ist die Berliner Luft“ kommt in dieser DDR-Fassung nicht so oft vor wie in der in der alten Bundesrepublik üblichen Fassung. So dauert „Frau Luna“ in Cottbus auch gerade einmal zwei Stunden. Die am Anfang gestrichene Ouvertüre wird als Reprisen-Finale nachgestellt.

„Frau Luna“ am Staatstheater Cottbus
Foto: Marlies Kross

Als effektvolle Show in blau und silber ist das Leben auf dem Mond dargestellt (Choreographie Winfried Schneider). Frau Luna schwebt in einer Mondschaukel herab und drapiert sich dekorativ auf der Showtreppe. Und entschwindet dann gleich wieder dem Blick, weil ein böser Sternenvorhang unerwartet vor ihr herunterschwebt. Das ist natürlich so nicht geplant – schnell wird der Vorhang wieder hinaufgezogen. Sopranistin Gesine Forberger lässt sich nicht stören und singt ihre Auftrittsarie mit betörendem Schmelz.

Wieder erwacht kommt ein Stellenangebot des Grafen Zeppelin für Fritz. Frau Pusebach, von Carola Fischer als renitente Vermieterin gespielt, ist dadurch schon viel milder gestimmt. Zum großen Berliner Finale arrangiert sich das ganze Ensemble. Das Publikum klatscht eifrig mit. 

Auf die kurzweilige und witzige Regie lassen sich auch die Darsteller gut ein. Hardy Brachmann ist ein umtriebiger Fritz Steppke mit schöner Tenorstimme. Einen derben Portier Pannacke mimt Dirk Kleinke. Dessen vorlaute Tochte Lieschen ist Meike Funken. Als etwas unbeholfener Schneider Lämmermeier agiert Nils Stäfe. Rahel Brede spielt Marie. So nebenbei ist Gesine Forberger auch noch die Chansonette Flora Huschke. Mit preußischem Stechschritt stakst Jens Klaus Wilde mit schnarrendem Ton als Karikatur eines preußischen Offiziers über die Bühne. Heiko Walter ist als Theophil Schutzmann und Mondpolizist.

Die musikalische Seite gestaltet Johannes Zurl, der die musikalische Leitung von Christian Möbius übernommen hat, mit dem Philharmonischen Orchester des Staatstheaters Cottbus kurzweilig und beschwingt. Der Opernchor singt munter und sechs Tänzerinnen und Tänzer des Balletts mischen sich auch immer wieder in Handlung ein.

Besuchte Vorstellung: 5. Januar 2020
(Premiere 23. Februar 2019)
Staatstheater Cottbus

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