Ausstellung „Surface to Air – Tanja Rochelmeyer“ – Galerie der Stadt Backnang – 2020

Imaginäre Räume 

– Tanja Rochelmeyer zeigt in der Ausstellung „Surface to Air“ in der Galerie der Stadt Backnang Bilder und Skulpturen – 

von Klaus J. Loderer

Spitz stoßen die Formen der farbigen Plexiglasobjekte in den Raum. Fast könnten sie Splitter gotischer Glasfenster sein, wie sie die Fenster des gotischen Chors einmal gehabt haben dürften. Heute sind die Fenster des gotischen Chorraums der ehemaligen Kirche St. Michael in Backnang klar verglast und haben eben nicht mehr die Farbwirkung, die sich gerade in den Skulpturen entfaltet. Die Galerie der Stadt Backnang, deren Hauptraum der Chor der längst verschwundenen Kirche St. Michael ist, zeigt diese farbenfrohen Objekte im Rahmen von Tanja Rochelmeyers Ausstellung „Surface to Air“. Arbeiten aus den letzten Jahren sind auf den drei Etagen der Galerie zu sehen.

Acrylglasskulpturen von Tanja Rochelmeyer in der Ausstellung „Surface to Air“ in Backnang

Möchte man die Bilder chronologisch betrachten, ist der Beginn des Rundgangs im zweiten Stock angesagt. Dort findet man großformatige Bilder in Acryl auf Leinwand. Farbige Flächen sind auf diesen Bildern so zusammengesetzt, dass der Eindruck changiert zwischen einer abstrakten Betrachtung und räumlichen Strukturen, die fantastische Architekturen ergeben. Man wähnt Schatten zu sehen, verglaste Flächen, in denen sich andere Teile dieses imaginären Gebäudes spiegeln, Rampen, Treppen, Balkon könnten das sein. Es mögen Fotos von tatsächlichen Gebäuden die Grundlage gewesen sein, die Tanja Rochelmeyer dann stark verfremdet auf Farbflächen reduziert hat. Sie entwirft ihre Bilder am Computer, gestaltet die farbigen Flächen und überträgt die Komposition dann auf die Leinwand. Akribisch lasiert sie mit Acrylfarbe feine Schichten auf die Leinwand, um eine perfekte Flächenwirkung zu erreichen, die keine Anzeichen von Pinselstrichen mehr trägt. Man muss schon genau hinsehen, um zu erkennen, dass die Bilder gemalt sind.

Bilder von Tanja Rochelmeyer in der Galerie der Stadt Backnang
Foto: kjl
Nicht von ungefähr erinnern diese aberwitzigen architektonischen Konstellationen an die Zeichnungen der Architektin Zaha Hadid, die oftmals auch näher an einem Kunstwerk als an der Darstellung einer baubaren Architektur waren. Auch bei Bildern aus dem Jahr 2017 findet man Assoziationen, die mit Zaha Hadid zusammenhängen. Deren spätere Entwürfe wurden weicher. Die runden Formen und Schwünge von Geländern – etwa des Dominion Office Buildings in Moskau oder des Museums Maxxi in Rom – findet man in einer Reihe von Bildern, die auf den ersten Blick nur aus Schwarz-, Weiß- und Grautönen zu bestehen scheinen. Hartkantig schwingen Formen durch den Raum. Wieder ergeben sich Assoziationen mit Räumen. Wieder reduziert Rochelmeyer durch den Verzicht auf eine räumliche Malweise die Architektur auf eine Grafik.

Falling (maxxi Rom), Gemälde von Tanja Rochelmeyer
Foto: kjl
Gänzlich abstrakt ist Tanja Rochelmeyer in einer Reihe von monochromen Bildern in zarten Farbtönen. Nur durch die Pinselführung ergeben sich hier geometrische Motive.

Die spitzen geometrischen Formen und Flächen der damals gemalten Bilder greift Rochelmeyer noch einmal auf, setzt die Formen nun aber aus Arcylglasscheiben zusammen. Sie stellt durchsichtige und undurchsichtige Flächen so zusammen, dass Verschränkungen und Kontraste entstehen. Diese Bilder besitzen durch ihre Tiefe eine gewisse Räumlichkeit. Die einzelnen Scheiben sind hintereinandergesetzt, sodass sich durch unterschiedliche Blickwinkel verschiedene Bilder ergeben.

Tanja Rochelmeyer wurde 1975 in Essen geboren. Von 2003 bis 2007 absolvierte sie ein Studium an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, wo sie heute lebt und arbeitet. Schon 2010 widmete ihr der „Loop – Raum für aktuelle Kunst“ in Berlin eine Ausstellung. Mehrmals stellte sie in der Galerie Fahnemann in Berlin aus. Die Galerie für internationale Gegenwartskunst in Landshut war 2016 und der Kunstverein Coburg 2018 Ort einer Ausstellung. Zuletzt waren ihre Arbeiten 2019 im Kunstverein Leverkusen in Schloss Morsbroich zu sehen.

Die neuesten Arbeiten sind im Erdgeschoss zu sehen. Eine Installation aus Plexiglasstücken in verschiedenen Farben nimmt eine Wand ein. Die einzelne Scheiben sind verkantet und verschiedenartig geformt, hintereinandergeschoben und ragen uns entgegen. Bei manchen Scheiben leuchten die Kanten stark als wären sie eine Lichtquelle. Dieses Phänomen kann man auch bei den Plexiglasobjekten beobachten, die in ihrer knalligen Farbigkeit einen interessanten Kontrast zum gotischen Chor bilden, in dem sie aufgestellt sind. Aus scharfkantigen Splittern scheinen die Objekte zu bestehen. Doch sind die Kanten akkurat abgerundet. Nur schwer in ihrer Form zu durchschauen sind diese Objekte, da das Hintereinander, die Überschneidungen der durchscheinenden Flächen schon kompliziert genug ist, aber auch noch die Spiegelungen dazukommen. Fast scheinen diese Objekte wie Umsetzungen der gemalten Fantasieräume aus Rochelmeyers früheren Arbeiten.

Ausstellung
Surface to Air
Tanja Rochelmeyer
22. Februar bis 3. Mai 2020
Galerie der Stadt Backnang
Backnang

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