Ausstellung: „Highnoon am Killesberg, Postmoderne versus Moderne“ – Weißenhofwerkstadt

Kampf der Architektursprachen – wenn Architekten zu Comic-Figuren werden 

– Ausstellung zur Diskussion um Moderne und Postmoderne in Stuttgart in den 1970er- und 1980er-Jahren – 

von Klaus J. Loderer 

Der Erweiterungsbau der Staatsgalerie sorgte in Stuttgart für eine heftige Diskussion um Moderne und Postmoderne. Dass nach einem ersten Wettbewerb 1974, in dem der Entwurf von Behnisch und Partner und Kammerer und Belz und Partner als Sieger hervorgingen, 1977 in einem zweiten Wettbewerb auch noch der schottische Architekt James Stirling mit dem Bau beauftragt wurde, das verkraftete die Stuttgarter Architektenschaft lange Zeit nicht. Der fertige Bau sorgte für Furore.

Ausstellung „Highnoon am Killesberg“ in der Weißenhofwerkstatt in Stuttgart: Projektion zu den Teilnehmern des Symposiums Architektur der Zukunft, Zukunft der Architektur“  1981
Foto: Klaus J. Loderer
Das Symposium Architektur der Zukunft, Zukunft der Architektur, das Jürgen Joedicke, Gründer und langjähriger Professor des Institut für Grundlagen der modernen Architektur an der Universität Stuttgart, 1980 unter internationaler Beteiligung namhafter Architekten durchführte, nahm Prof. Dr. Klaus Jan Philipp, Ordinarius für Architekturgeschichte an dieser Universität, zum Anlass vierzig Jahre später dieses Symposium mit seinen Studenten aufzuarbeiten. Herausgekommen ist eine schöne Ausstellung, die gerade in der Weißenhofwerkstatt in Stuttgart zu sehen ist.

Bei der Vernissage am 14. Februar begrüßte Friedemann Gschwind als Vorsitzender des Beirats der Freunde der Weißenhofsiedlung die zahlreichen Gäste. Der Galerieraum war dicht besetzt. Klaus Jan Philipp ging auf die Themenstellung der Diskussion um Moderne und Postmoderne in Stuttgart ein. Dieser Kampf sei besonders bei den Projekten der Erweiterung der Staatsgalerie und der Umgestaltung des sog. Kleinen Schlossplatzes öffentlich ausgetragen worden. Als besonderes Schmankerl wies Philipp auf drei Zeichnungen hin, die der übrigens unter den Gästen anwesende Eduard Schmutz von Jürgen Joedecke angefertigt hat. Denn diesem Architekturtheoretiker ist in der Ausstellung ein besonderer Platz gewidmet. Anschließend stellten Kübra Bayrakoglu, Timo Billhöfer, Philipp Deilmann, Felix Mönnich und Beyza Özkalp die einzelnen Teile der Ausstellung vor.
Highnoon

Ausstellungseröffnung in der Weißenhofwerkstatt in Stuttgart mit Friedemann Gschwind (links) und Klaus Jan Philipp (rechts) 
Foto: Klaus J. Loderer
Man mag bei einer Ausstellung über Architektur beim Titel „Highnoon“ stutzen. Ein Western-Film aus dem Jahr 1952 hieß so – „Zwölf Uhr mittags“ ist der deutsche Titel. Wenn man das Plakat der Ausstellung entdeckt man tatsächlich winzig klein zwei Kontrahenten beim Duell. Man schmunzelt und freut sich, dass heutige Studenten einen vor vierzig Jahren verbiestert geführten Streit so locker betrachten. Für die Einladungskarten ist ihnen eine Grafik gelungen, die die Sache auf den Punkt bringt, ein Muster von Klötzchenhäusern und Satteldachhäusern. Das war doch der Dauerstreit des zwanzigsten Jahrhunderts.

Zur Ausstellung ist auch ein kleines Faltblatt entstanden. Schlägt man es auf, begegnen sich die beiden Hauptkontrahenten des Streits um die Staatsgalerie, Sir James Frazer Stirling und Günter Behnisch. Letzterem ist ein Zitat beigestellt: „So muss diese Architektur [...] einer tauben Nuss ähneln“. Man ahnt schon, auf was sich das bezieht. Die beiden im Comicstil gezeichneten Köpfe begegnen uns in einer Bilderschau wieder, die knallig rot durch die Fenster der Weißenhofwerkstatt schon von der Straße die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das ist tatsächlich eine reizvolle Sache. Nacheinander werden die Architekten vorgestellt, die 1980 bei dem schon erwähnten Symposium in Stuttgart waren. Man sieht ein Porträt und in Sprechblasen ringsum ihren Namen, ihre Tätigkeit, ein typisches Gebäude und ein Zitat. Auf der benachbarten Wand sind die Skizzen aufgehängt, die die Architekten damals für eine potentielle Ergänzung der Weißenhofsiedlung anfertigten. Scheint das Porträt auf, werden passend dazu die Skizzen in helles Licht getaucht. Das ist eine schöne Idee für moderne Ausstellungsgestaltung.

Ausstellung „Highnoon am Killesberg“ in der Weißenhofwerkstatt in Stuttgart
Foto: Klaus J. Loderer

Eine Wand der Ausstellung ist Jürgen Joedicke (1925-2015) gewidmet, 1980 Organisator des Symposiums und ein wichtiger Beobachter zeitgenössischer Architekturströmungen. Und man sieht die drei Zeichnungen, in denen Eduard Schmutz Jürgen Joedicke in unterschiedlichen Räumen dargestellt hat.

Auf einem langen Tisch geht es dann um die Staatsgalerie und den Kleinen Schlossplatz. Zeitungsberichte und Darstellung aus der Zeit haben die Studenten gesammelt. Sie werden flankiert von vier von den Studenten angefertigten Modellen.

In der oberen Ebene findet man die Staatsgalerie. Durch die identische Gestaltung der Holzmodelle kann man die Entwürfe gut vergleichen, jenen von Stirling und jenen der Zusammenarbeit Behnischs mit Kammer und Belz. Man sieht, wie sehr jener die Stadt negiert und wie urban der Entwurf des schottischen Architekten ist. Dazwischen findet man Zeitungsberichte über die Diskussion um die Bauten.

Auch beim sog. Kleinen Schlossplatzes gab es heftige Diskussionen um Moderne oder Postmoderne. Um die durch die Umgestaltung der Königstraße zur Fußgängerzone nun überflüssig gewordenen hässlichen Tunnelöffnungen zu schließen, ging man 1986 an eine Neugestaltung des Bereichs. Die Ausstellung stellt den Schürmann-Entwurf jenem von Cobb aus dem Büro Pei gegenüber. Wieder ist es der Kontrast zwischen Moderne und Postmoderne. Der Cobb-Entwurf wurde allerdings nicht ausgeführt. Provisorisch entstand eine Freitreppe, um die Königsstraße mit der oberen Ebene zu verbinden, bis dann schließlich das Kunstmuseum errichtet wurde.

Ausstellung
Highnoon am Killesberg
Postmoderne versus Moderne
15. Februar bis 19. April 2020
Weißenhofwerkstadt
Am Weißenhof 20, Stuttgart

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