Operette „Wiener Blut“ von Johann Strauß – Staatstheater am Gärtnerplatz München – 2019


Johann Strauß spielt zum Happy End persönlich auf 

– Nicole Claudia Webers Inszenierung von „Wiener Blut“ wieder am Staatstheater am Gärtnerplatz in München – 


von Klaus J. Loderer

Als scheinen die Putti aus Raffaels Madonna lebendig geworden zu sein, begleiten zwei blondgelockte Engel die Handlung in Nicole Claudia Webers Inszenierung der Operette „Wiener Blut“ am Gärtnerplatztheater in München: ein weiß-rotes bayerisches (B)Engelchen mit Bierdurst und ein rot-weißes Wiener Engelchen mit Weindurst. Sie sind mal ein Herz und eine Seele und sie watschen sich auch ab oben in der himmlischen Höhe, von der sie die Handlung beobachten. Diese himmlische Höhe ist in einer Wiener Operette natürlich der obere Teil einer Barockarchitektur, wie man sie aus den Entwürfen des Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach kennt. Auf diesem barocken Bauwerk erhebt sich noch ein kleiner Rundtempel, der im Finale eine wichtige Bedeutung bekommt, wenn dort der Komponist Johann Strauß Sohn höchstpersönlich aufspielt und schließlich gülden erstrahlt, ganz so wie er in seinem Denkmal im Wiener Stadtpark steht.

Finale „Wiener Blut“: Chor und Solisten 

Foto: © Christian POGO Zach
Die Bühnenbildner Karl Fehringer und Judith Leikauf Bühne haben aber auch den Sezessionsstil – wie der Jugendstil in Wien genannt wird – adaptiert (wodurch die eigentlich um den Wiener Kongress spielende Handlung um hundert Jahre in die Zeit der Uraufführung der Operette 1899 verlegt wurde). Wenn sich der Pavillon dreht, sieht man Zitate aus dem Klimt-Gemälden von Adele Bloch-Bauer, was das Ambiente für die Villa des Grafen Sedlau bildet. In dieser Villa entwickelt sich eine Verwicklungsgeschichte, die durch die verpatzten Ausreden des Grafen immer noch komplizierter wird. Der deutsche Diplomat Graf Sedlau hat nämlich eine Wienerin geheiratet, vernachlässigt sie aber und hat in der Villa seine Geliebte einquartiert. Als sein fürstlicher Premierminister auftaucht, wird die Sache kompliziert: dieser hält die Geliebte für die Gräfin und die ausnahmsweise sich in der Villa aufhaltende Gräfin für die Geliebte. Abgesehen davon macht der Graf auch noch der Probiermamsell Pepi Avancen, für die aber auch sein Sekretär Josef entbrannt ist. Dass Pepi als Tänzerin auf dem Ball des Grafen Bitowski auftritt, macht die Sache noch komplizierter. Das Bühnenbild steigert sich noch mit dem Heurigenambiente mit Riesentrauben. Drei Herren, drei Damen, drei Logen beim Heurigen, das scheint für den Grafen mit einem heftigen Desaster zu enden. Doch schließlich arrangiert sich alles und die drei richtigen Paare finden zusammen. Graf und Gräfin finden sich wieder und besingen das Wiener Blut.  

 Alexandra Reinsprecht (Gabriele Gräfin Zedlau), Daniel Prohaska (Balduin Graf Zedlau)
Foto © Christian POGO Zach
Die mit vielen netten Details liebevoll gestaltete Produktion des Gärtnerplatztheaters aus dem Jahr 2014 ist immer noch ein Dauerbrenner, was sicherlich auch an dem sehr dekorativen Bühnenbild liegt. Nicht zu vergessen sind die zur Zeit um 1900 passenden eleganten Kostüme von Marie-Luise Walek. In der Spielzeit 2019/20 wurde „Wiener Blut“ mit der Wiederaufnahme am 24. Oktober 2019 wieder für sieben gut besuchte Termine und in teils neuer Besetzung in den Spielplan genommen.

Tenor Daniel Prohaska ist ein charmanter Graf Zedlau. Alexandra Reinprecht führt sich als Gräfin Zedlau mit ihrem Auftrittslied „Grüß Dich Gott mein liebes Nesterl“ mit strahlendem Sopran ein. Auch die gräfliche Geliebte Demoisell Franziska Cagliari ist Sopran. Sophie Mitterhuber erfreut mit guter Höhe. Mit dem Schauspieler Wolfgang Hübsch, einem markanten österreichischen Theater-Urgestein – erleben wir ihren Vater Kagler neureich und deftig wienerisch. Ein interessanter Ensemble-Neuzugang der vorigen Saison ist Ilia Staple. In „Wiener Blut“ erfreut ihr feiner jugendlicher Sopran als Pepi Pleininger. Bassbariton Daniel Gutmann kann als ihr Verehrer Josef kann gleich mit dem Anfangslied „Ich such jetzt da, ich such jetzt dort“ seinen Sinn für das Buffoneske zeigen. 

Bariton Hans Gröning gibt einen sonoren, wenn auch begriffsstutzigen Fürst Ypsheim-Gindelbach. Der in Wien geborene Sänger und Schauspieler Eduard Wildner darf als Fiakerkutscher derb wienern und sorgt auch als kurioser Graf Bitowski für Lacher. Und vom Publikum besonders beklatscht: die beiden Engelchen Sebastian Kießer und Alexander Merola.

Felix Meybier sorgt mit dem Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz für ein flottes Tempo in diesem munteren Walzerpasticcio. Zum Ball und beim Heurigen darf der Chor des Staatstheaters nicht nur singen sondern dreht auch zu Polonaise und Walzer seine Runden.

Besuchte Vorstellung: 15. November 2019
(34. Vorstellung seit der Premiere am 26. November 2014 im Cuvilléstheater in München)
Gärtnerplatztheater München

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