Buchbesprechung: Angola Cinemas

Vergangene Kinowelten 

– Ein Bildband des Goethe-Instituts über Kinobauten in Angola – 

von Klaus J. Loderer

Kinos waren im 20. Jahrhundert eine wichtige Einrichtung zur Unterhaltung der Menschen. Die Filmgeschichte befasst sich oft nur mit den Filmen, doch sind auch die Kinobauten interessant, da sie aus den normalen Bauten einer Stadt herausstachen. Zu den großen Filmpalästen in Amerika und Europa gibt es umfangreiche Dokumentationen, weniger bekannt sind die Kinopaläste in Afrika. Doch auch dorthin kam mit den Kolonialherren das Kino.

Um diese Lücke zu schließen, hat Walter Fernandes 2013 Kinos in Angola fotografiert. Diese Fotodokumentation hat das Goethe-Institut in einem schönen Bildband zusammengefasst. Die Fotos führen in eine ungewöhnliche Welt. Es erschließt sich ein Schatz der Architektur des 20. Jahrhunderts. Fernandes hat auch Ruinen von Kinos fotografiert. Sie mögen in einem der Bürgerkriege der letzten Jahrzehnte entstanden sein. Viele Kinos stehen leer. Andere Kinos sind liebevoll gepflegt. Man findet ungewöhnliche Architekturen, teilweise spektakuläre Bauten der verschiedenen Richtungen der Moderne. Eigenwillige Betonbauten mit künstlerisch gestalteten Formstücken wie das Cine Africa in Luanda findet man da. Oder noch eindrucksvoller beim Cine-Teatro Arco-Íris in Lubango. Bauten der klassischen Moderne sind darunter. Die ältesten abgebildeten Kinobauten scheinen aus den 1930er-Jahren zu stammen. Manche dieser Bauten könnten so auch in einer europäischen Stadt gestanden haben. Und manche würden auch in Europa auffallen. Auch Art-Deco-Motive entdeckt man wie beim Cine-Teatro Nacional in Luanda. Foyers und Bar gemahnen an Zeiten, in denen es in den Kinos eleganter zuging. Die Logen zeugen von einer einstmals wohlhabenden Schicht, die sich vom Volk separierte.

Spektakulär ist das Cine-Teatro Monumental in Benguela. Dieses wurde 1952 nach Plänen des Architekten Fernando Batalha errichtet und fasst 1300 Personen. An der Fassade wechseln sich geschlosse Flächen und mimt horizontalen Bändern gegliederte Öffnungen ab. Der Saal ist zwar verschattet aber nicht komplett geschlossen, da die Wände durch ein Gittersystem gebildet werden – eine Lösung, die eine natürliche Lüftung ermöglichte. Ganz ungewöhnlich ist das auf dem Schutzumschlag abgebildete Cine Estúdio in Província. Die flache Betonschale bedeckt den Kinosaal. Hinter den Lamellen verbirgt sich aber auch ein ausgeklügeltes Erschließungssystem.

Im Anhang wurde der Versuch unternommen, die zu ermittelnden Daten zu den Kinos in einem Katalog der Bauten zusammenzustellen. Von einigen Bauten konnten die Baudaten und sogar die Architektennamen ermittelt werden. Soweit bekannt findet man kurze Beschreibungen zur Geschichte des Kinos. Beim Cine Atlântico ist etwa bekannt, dass es 1966 mit dem Film „My Fair Lady“ eröffnet wurde. Allerdings ist die Benutzung dieses Katalogs nicht ganz einfach. Die Reihenfolge entspricht nämlich nicht der Reihenfolge der Fotos. Der Katalog ist nach Provinzen und Städten sortiert. Die Suche gestaltet sich also etwas mühsam, da die Provinzen noch nicht einmal alphabetisch angeordnet sind. Umgekehrt ist es aber praktisch fast unmöglich, von einem im Katalog beschriebenen Kino die Fotos zu finden, da keine Seitenzahlen angegeben sind.

Vorangestellt sind die Essays „From the closed to the open space“ von Maria Alice Correia und F. João Guimarães und „Heritage, Wealth“ von Paula Nascimento. Die Texte des Buchs sind in englischer und portugiesischer Sprache abgedruckt. Das ist durchaus sinnvoll für eine internationale Leserschaft. Man wundert sich allerdings, warum eine deutsche Institution als Herausgeberin auf eine Übersetzung ins Deutsche verzichtet hat. Das erscheint schon merkwürdig, zumal eine der Aufgaben des Goethe-Instituts doch die Vermittlung der deutschen Sprache sein soll. Ansonsten ein sehr schöner Bildband.


Walter Fernandes
Miguel Hurst

Angola Cinemas
Uma ficção da liberdade = a Ficton of Freedom

Ed. By Christiane Schulte, Gabriele Stiller-Kern, Miguel Hurst
Goethe-Institut
First Ed. Steidl Verl. Göttingen 2015
ISBN- 978-3-86930-784-7
237 S., überw. Ill.
Texte engl., port.

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