Ausstellung Simon Wiesenthal und das Café As – Jüdisches Museum Wien

„Das Zeichnen war für mich wichtig, weil ich mir gedacht habe, ich werde sterben“ 

– Eine Ausstellung über Simon Wiesenthal und seinen Entwurf für ein Café in Posen im Jüdischen Museum in Wien – 

von Klaus J. Loderer

Nicht von ungefähr kommt der Name „Café As“. Die Motive eines Kartenspiels bilden die Grundlage für das Entwurfskonzept der Inneneinrichtung. Konsequent ist alles diesem Thema unterworfen. Ausgeführt wurden die Entwürfe nie. Die Zeichnungen galten als verschollen. Als das Konvolut mit 80 Blätter auftauchte, konnte es vom Jüdischen Museum Wien erworben werden. Nun sind die Zeichnungen in einer von Michaela Vocelka kuratierten Ausstellung zu sehen. Schon die Umstände der Entstehung sind spannend. Die ersten Skizzen entstanden im Konzentrationslager Mauthausen. Der Häftling Edmund Staniszewski träumte davon, später in Posen (Poznan) ein Kaffeehaus eröffnen zu können. Ein Mithäftling, der Architekt studiert hatte, half ihm dabei. Bei diesem Architekten handelte es sich um Simon Wiesenthal.

Bühne des Tanzsaals im Café As, Zeichnung von Simon Wiesenthal 1945
Foto: Jüdisches Museum
Es ist wenig bekannt, dass Wiesenthal Architekt war. Eher noch kennt man von ihm die beklemmenden Zeichnungen, die den Alltag im Konzentrationslager Mauthausen dokumentieren. Den Hauptteil seines Lebens widmete er sich den Opfern der Schoah und dafür, dass ihnen Gerechtigkeit widerfahren konnte. So spürte er zahlreiche Nazi-Verbrecher auf und lieferte Material für Gerichtsverfahren. Der berühmteste Fall war sicher die Verhaftung von Adolf Eichmann. Zeit seines Lebens war er der Gerechtigkeit verpflichtet. In Deutschland und Österreich konnte der Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums Wien als unbequemer Zeitzeuge und Mahner durchaus anecken. 2005 starb er hoch geehrt in Wien.

Milchbar As, Zeichnung von Simon Wiesenthal 1945
Foto: Jüdisches Museum
Simon Wiesenthal wurde 1908 im damals zu Österreich gehörenden Butschasch (Buczacz) in Galizien geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Stadt zu Polen, heute gehört sie zur Ukraine. Wiesenthal ging zum Architekturstudium an die Technische Hochschule Prag und setzte es 1932 in Lemberg fort. Mit der Besetzung durch die Rote Armee 1939 arbeitete er als Techniker in staatlichen Betrieben. Problematisch wurde seine jüdische Abstammung mit der deutschen Besatzung. Er wurde deportiert und kam ins Konzentrationslager Mauthausen. Dort konnte er als Zeichner von Ansichtskarten als kleines Privileg einen zusätzlichen halben Teller Suppe bekommen. Diesen brachte ihm Edmund Staniszewski, ein inhaftierter polnischer Kaufmann, der nach seiner Entlassung in Posen ein Café eröffnen wollte. Mit den Ideen für das Café As gewann Wiesenthal neuen Lebensmut. „Das Zeichnen war für mich wichtig, weil ich mir gedacht habe, ich werde sterben“, dieses Originalzitat steht als Motto über der Ausstellung. Die Skizzen arbeitete Wiesenthal nach der Befreiung zu richtigen Entwürfen aus. Doch konnte das Café nicht verwirklicht werden, da die Kommunisten das Haus in Posen enteigneten. Edmund Staniszewski hob die Zeichnungen allerdings auf und vererbte sie.

Simon Wiesenthal arbeitete die Einrichtung des Cafés in drei Varianten detailliert aus. Eine Konditorei, eine Milchbar, Schach- und Bridgeclub, ein Tanzsaal mit Bühne und ein Straßencafé gehörten zum umfangreichen Raumprogramm, mit dem das Erdgeschoss eines Eckhauses neu gestaltet werden sollte. Die dem Café den Namen gebende Spielkarte As bildete die Grundidee des Entwurfs. Stark vergrößert flankiert das Herz-As die Orchesterbühne des Tanzsaals. Die Spielkartenfarben dienten als Inspiration für die Innengestaltung, für Motive an Wänden, Decken und Möbeln. Im Schachzimmer waren die Schachfiguren das Thema der Raumgestaltung. So sollten die Stühle Lehnen in Form von Türmen bekommen. Auf der Wandvertäfelung waren Bauernfiguren abgebildet. Bei diesem doch sehr spielerischen Umgang staunt aber dann doch über ein Wandbild im Schachclub, das die Grausamkeit des Kriegs unvermittelt thematisiert und die Stilisierung des Schachspiels unverblümt aufhebt: man sieht einen zum Panzer ausgebauten Turm, zwei Figuren, die einen Bauern auf einer Bahre mitnehmen und einen umgefallenen Bauern mit Blutlache.

Wiesenthal entwarf neben den Uniformen für das Personal aber sogar Torten. Auch der Werbeschriftzug an der Fassade, Plakate und andere Werbematerialien wurden von ihm mitgestaltet. Man ist schon geneigt, von einem Gesamtkunstwerk zu sprechen. Bei den Stilformen nahm Wiesenthal Motive des Art Deco aber auch der Moderne der Zwischenkriegszeit auf. Und man findet schon den Schwung der Fünfzigerjahre. Es wäre ein elegantes Café geworden, das Café As.

Blick in die Ausstellung „Café As“ im Jüdischen Museum Wien
Foto: wulz.cc
Für die Ausstellung wurden übrigens vier Stühle geschaffen, deren Lehnen die Farben der Spielkarten zeigen. Um die zeichnerischen Entwürfe räumlich erfahrbar zu machen, ließ Ausstellungsgestalter Cheko Sterneck sie stark vergrößern und tapezierte mit ihnen regelrecht die Wände. Darauf sind dann die gerahmten Originale gesetzt, fein gesetzte Bleistiftzeichnungen, die mit Buntstiften koloriert sind. Einige Texttafeln liefern Informationen zum historischen Hintergrund und zu den Biographien. Die kleine Ausstellung schließt nicht nur eine Lücke in der Biographie Simon Wiesenthals sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Innenarchitektur.


Ausstellung
Café As
Das Überleben des Simon Wiesenthal

29. Mai 2019 bis 12. Januar 2020
Jüdisches Museum Wien
Palais Eskeles
Dorotheergasse 11, Wien, I. Bezirk

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