Konzert: Liederabend Oliver May in Ober-Ramstadt – 2019

Kling, meine Seele 

– Liederabend mit Oliver May in der Kammermusikreihe „Klein-fein: Klassik!“ im Prälat-Diehl-Haus in Ober-Ramstadt – 

von Klaus J. Loderer

Countertenor Oliver May
Foto: Klaus J. Loderer
„Klein-fein: Klassik!“ nennt sich eine Kammermusikreihe in Ober-Ramstadt, einer kleinen Stadt am nördlichen Rand des Odenwalds. Über der „Stadt der Farben“ ragt die historische evangelische Kirche auf, in deren Gemeindesaal am 3. November ein Arien- und Liederabend mit Oliver May stattfand. Hätte man vielleicht gedacht, dass das Konzert eines Countertenors zu speziell ist, so füllte sich der große Saal im Prälat-Diehl-Haus doch schnell. Der in Köln geborene Countertenor studierte in Darmstadt und Wiesbaden Instrumentalmusik und Gesang. Er sang am Badischen Staatstheater Karlsruhe, dem Theater Trier, dem Theater Görlitz und bei zahlreichen Opernfestivals. Daneben stand und steht eine umfangreiche Konzerttätigkeit. An der Hochschule für Musik in Mainz unterrichtet er als Dozent für Gesang.

Nach dem einleitenden „Di tanti palpiti“ aus Rossinis Oper „Tancredi“ konzentrierte sich May im ersten Teil des Programms auf Arien des 18. Jahrhunderts. Natürlich sind hier die glanzvollen Koloraturen zu nennen, mit denen May das Publikum beeindruckte. Eindrucksvoll gestaltete er „Ombra mai fui“ aus Händels „Xerxes“. Mit sehnsüchtig zartem Klang interpretierte May „Vedrò con mio diletto“ aus Vivaldis Oper „Il Giustino“.

Der zweite Teil des Konzerts entsprach nicht dem üblichen Standard-Repertoire von Countertenören und hatte dadurch den Reiz des Ungewöhnlichen. Oliver May sang hier Lieder von Richard Strauss. Man hört die Strauss-Lieder heute meistens mit großer Orchesterbegleitung. Doch komponierte sie Strauss zuerst für Klavierbegleitung. Sehr sensibel ging May „Morgen“ nach dem Gedicht von John Henry Mackay an (Opus 27 Nr. 4). Es waren besonders die weichen Klänge, die beeindruckten, etwa „Zueignung“ von 1885 nach dem Gedicht „Habe Dank“ von Hermann von Gilm. Zwischen den Strauss-Liedern gab Klavierbegleiterin Munhyang Park mit dem Andantino aus der Sonate Nr. 2 von Robert Schumann ein solistisches Intermezzo. Und auch die Nr. 1 aus den vier Liedern Opus 27 von 1894 gelang May gut, „Ruhe, meine Seele“ nach dem Gedicht von Karl Friedrich Henckell. Zum Abschluss sang May hmynisch „Kling! Meine Seele gibt reinen Ton“, das als Motto des Konzerts diente.

Mit stürmischem Beifall bedankte sich das Publikum. Mit „Guten Abend, gute Nacht“ revanchierte sich der Sänger.

Besuchte Vorstellung: 3. November  2019
Prälat-Diehl-Haus in Ober-Ramstadt

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