Ausstellung: „Tiepolo, der beste Maler Venedigs“ – Staatsgalerie Stuttgart – 2019

Barocker Himmel 

– Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt mit 120 Werken das Lebenswerk des venezianischen Malgenies Giovanni Battista Tiepolo – 

von Klaus J. Loderer

Liebhaber barocker Opern kennen natürlich die Geschichte von Rinaldo, der von der Zauberin Armida in Liebesbanden gelegt und so von seinem eigentlichen Metier, dem Heldendasein vulgo Kriegshandwerk abgehalten wird. Beide gehören zum Themenkomplex von Torquato Tassos Epos „Gerusalemme liberata“ um die Jerusalem erobernden Kreuzritter. Auch der venezianische Maler Giovanni Battista Tiepolo hat sich des Themas angenommen. In seiner Zeit in Würzburg Anfang der 1750er-Jahre malte er auch Leinwandbilder, da im Winter die Arbeit an den Deckenfresken in der Residenz nicht möglich war. Im Zentrum der Ausstellung „Tiepolo, der beste Maler Venedigs“, die ab Freitag in der Staatsgalerie in Stuttgart zu sehen ist, findet man ein Bildpaar aus der Residenz Würzburg, das Rinaldo und Armida zeigt. Im Bild „Rinaldo im Zauberbann Armidas“ sieht man Rinaldo in Armidas Armen liegen. Verliebt blickt er zu ihr. Ein Putto hat seinen Mantel und einen Köcher mit Pfeilen zur Seite geschafft. Ein Hermenpilaster in Form eines Satyrs begrenzt das Bild rechts. Ein architektonisch gestaltetes Portal öffnet sich in die Landschaft. Durch ein vergittertes Fenster sieht man aber auch die Gefährten Rinaldos. Im anderen Bild, „Rinaldos Trennung von Armida“, sind die Figuren anderes gruppiert. Links ziehen die Gefährten Rinaldo von Armida weg, die rechts schluchzend liegt. Zwischen den Figuren türmen sich die Trümmer ihres Schlosses auf. Das Bild wird von den steil aufragenden Zypressen regelrecht halbiert, allerdings sind Armida und Rinaldo durch den gegenseitigen Blick miteinander verbunden.

Giovanni Battista Tiepolo: Rinaldo und Armida im Zaubergarten
Foto: Bayerische Schlösserverwaltung
Im Rahmenprogramm darf ich die Barockmusikfreunde auf das Konzert „Venezia barocca“ mit Musik aus der Zeit Tiepolos hinweisen. Das Ensemble Diderot musiziert am 23. Januar 2020 unter der Leitung von Johannes Pramsohler mit der Mezzosopranistin Diana Haller.
Die Ausstellung in Stuttgart bietet einen abwechslungsreichen Querschnitt durch das Schaffen Tiepolos. Insgesamt 120 Werke, darunter 25 Gemälde, sind in der Ausstellung zu sehen. Der bedeutende Tiepolo-Bestand der Staatsgalerie bildet die Basis. Immerhin besitzt die Staatsgalerie die größte Tiepolo-Sammlung außerhalb Italiens.

Giovanni Battista Tiepolo: Der heilige Jakobus
Foto: Szépmüvészeti Múzeum Budapest
Das Motiv auf Plakat und Katalog ist ein Ausschnitt aus dem größten Exponat der Ausstellung. Es handelt sich um eine Leihgabe aus dem Museum der bildenden Künste (Szépmüveszeti Múzeum) in Budapest. Diesen heiligen Jakobus malte Tiepolo für die Kapelle der spanischen Gesandtschaft in London. Da der Botschafter die deutliche Bildaussage einer Vorherrschaft Spaniens aber für zu provokant hielt, wurde das Bild nicht aufgehängt und nach Madrid zurückgeschickt. Das Bild zeigt den heiligen Jakobus in weißem Mantel mit wehender Fahne auf einem Pferd. Dies entspricht der Überlieferung des Wunders der Schlacht von Clavijo im Jahr 844, als der Heilige – auf weißem Pferd und mit weißer Fahne – dem christlichen Heer den Sieg über die Sarazenen beschert habe.  Auf dem Bild sieht man Hintergrund eine Burg und Schlachtengetümmel. Links kniet ein prächtig gewandeter Mann mit dunkler Hautfarbe, dem der Säbel entglitten ist. Dieser afrikanische Fürst ist eine Erfindung Tiepolos. Man könnte auf den ersten Blick meinen, der spanische Nationalheilige ist als „Maurentöter“ dabei ihn zu enthaupten, doch deutet Kuratorin Annette Hojer die Geste als Ritterschlag. Der heilige Jakobus macht sich dadurch die Welt zum Untertan. Dies ist christlich gemeint im Sinne der Katholisierung der Neuen Welt. Dies ist aber durchaus auch politisch gemeint, da Jakobus gewandet ist wie ein Komtur des Santiago-Ordens, dessen Hochmeister der König von Spanien ist. Der König von Spanien als Herrscher der Welt, diese Botschaft wäre in England, das gerade dabei war sein Kolonialreich auszubauen und in Konkurrenz zu Spanien stand, nicht gut angekommen.

Mit diesem Bild ist der Typus des religiösen Bilds prominent vertreten. Wesentlich kleiner im Format ist „Das Martyrium der heiligen Agathe“. Diese Leihgabe aus den Staatlichen Museen zu Berlin schuf Tiepolo für den Konvent der Benediktinerinnen in Lendinara bei Rovigo. Das ungewöhnliche Format rührt daher, dass der obere bogenförmige Abschluss heute fehlt. Das ursprüngliche Aussehen des Bilds ist durch eine Radierung des Sohns Giovanni Domenico Tiepolo überliefert.

Die ausgestellten Gemälde zeigen den Reichtum an frisch leuchtenden Farben. Man sieht den Werdegang zum berühmtesten und wichtigsten Maler Italiens. Die Benennung „Der beste Maler Venedigs“ ist übrigens zeitgenössisch. Tiepolo wurde 1696 in Venedig geboren. Bereits im Alter von 21 Jahren war er als Mitglied der Malergilde Fraglia verzeichnet. Ein zweiter Schwerpunkt der Ausstellung liegt in der Graphik. Neben Zeichnungen sind Zyklen mit Radierungen zu sehen. Witz und Ironie finden sich in vielen dieser Graphiken. Opulent wie die Ausstellung ist der im Sandstein-Verlag in Dresden erschienene Katalog.

Ein eigener Raum ist der Würzburger Residenz gewidmet. Dazu ist ein Ölbild, das einen Entwurf des Deckenfreskos für den Kaisersaal zeigt, ausgestellt. Es ist umrundet von den Zeichnungen mit Motiven für das Deckenfresko des Treppenhauses. Rötel auf blauem Papier sind typisch für Tiepolo. Um den Vergleich der Zeichnungen mit dem ausgeführten Fresko zu ermöglichen, ist der Ausstellungsraum mit einem Foto des Originalbilds überspannt.

Den Abschluss bilden Werke aus Madrid, wo er die letzten Jahre im Dienst des spanischen Königs verbrachte, um im königlichen Schloss mehrere Deckengemälde auszuführen. Tiepolo starb 1770 in Madrid.

Zwischen den Tiepolo-Bildern sind außerdem vier moderne Kunstwerke zu sehen, in denen der Foto- und Videokünstler Christoph Brech das von Tiepolo aufgeworfene Wechselspiel von Bildfiguren und Betrachter aufnimmt. Im zweiten Raum irritiert Brech mit einem gewölbten Spiegel, der die Realität des Raums verzerrt abbildet. In Kontrast zum Deckenbild der Würzburger Residenz steht ein wandgroßes Video mit Vogelschwärmen im römischen Himmel.

Um die Zeichnungen Tiepolos besser einordnen zu können, hat Corinna Höper aus der umfangreichen Sammlung der Staatsgalerie eine begleitende Ausstellung im Graphik-Kabinett zusammengestellt. Darin kann man die besondere Tradition der Zeichenkunst in Venedig eingehend studieren. War in der Toskana die Zeichnung exakter, akkurater, dadurch aber auch steifer, wurde in Venedig ein lockerer Zeichenstil gepflegt. Die „Sprezzatura“ genannte Lässigkeit, eine leichte Skizzenhaftigkeit lässt sich als Grundthema feststellen. Ein durchlaufendes Motiv ist, dass die Konturlinien oft nicht durchgehen, der Strich immer mal wieder unterbrochen ist. Auch die Ausstellung „La Serenissima“ lohnt den Besuch. Der Titel ist ein Wortspiel: er bezieht sich vordergründig auf die durchlauchtigste Republik Venedig. „Sereno“ bedeutet aber auch heiter. Und eine heitere Stimmung haben viele dieser Zeichnungen allemal. Da war Tiepolo eben ganz Venezianer.


Ausstellung
Tiepolo, der beste Maler Venedigs
Stirling-Halle

Ausstellung
La Serenissima, Zeichenkunst in Venedig vom 16. bis 18. Jahrhundert
Graphik-Kabinett
11. Oktober 2019 – 2. Februar 2020
Staatsgalerie Stuttgart
Konrad-Adenauer-Straße 30-32

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