Kunst: Atelierfest bei Mina Gampel in Stuttgart

Feurige Lichtstimmungen 

– Atelierfest bei Mina Gampel in Stuttgart – 

von Klaus J. Loderer 

Das neueste Werk empfängt die Gäste direkt gegenüber der Eingangstür. „Engel rettet die Welt“ ist der Titel dieser Arbeit, die schon durch ihren leuchtenden Rotton auffällt. Das aus zwei Leinwänden zusammengesetzte Diptichon, Acryl auf Leinwand, scheint auf den ersten Blick abstrakt zu sein: Leuchtende Gelbtöne im Zentrum, umgeben von heißen roten Flächen, die mit kalt-blauen Liniensystem kontrastieren. Und doch kann man links zwei Figuren, eine mit blauem, eine mit rotem Kopf erahnen. Die Figuren könnten in heftigem Disput sein. Ein undurchdringbares System, ein stählernes Netzwerk scheint über das Bild gelegt, durch das die zentrale Lichtgestalt, der „Engel“, in den Vordergrund drängt.

„Engel rettet die Welt“ – Gemälde von Mina Gampel, 2019
Fotos: Klaus J. Loderer
Mina Gampel lud zum Tag der offenen Tür in ihr Atelier in Stuttgart ein. Ich hatte sie im letzten Jahr bei ihrer Ausstellung in Esslingen kennengelernt. Die schöne Wohnung mit Ausblick über Stuttgart ist eine einzige Gemäldegalerie. Dicht an dicht hängen die Gemälde Mina Gampels im langen Flur. Alle Räume sind mit Kunst bestückt. Sogar in der Küche findet man Bilder. Der Sonntagnachmittag ist sonnig, so kommen besonders die warmen Farbtöne, die sie seit einiger Zeit so gerne verwendet, leuchtend zur Geltung. Die Sonne tut den roten Mohnblumen auf gelbem Grund gut, die im Atelier an der Wand hängen. Immer wieder findet man bei den neueren Bildern diese feurig roten und gelben Schattierungen, oft kontrastiert mit kalt-bläulichen Tönen. Auch für die anonymisierten Menschengruppen, die Mina Gampel in unterschiedlichen Anordnungen studiert, sind diese Farben typisch. Stark abstrahiert sind diese Menschen, unkenntlich ihre Gesichter. Doch fällt dazwischen ein Gemälde auf. Das Bild mit einem jungen Mann im Anzug stellt sich als Porträt eines Enkels heraus – auch dies ein ganz neues Werk. Er darf das Bild später mitnehmen, doch erst einmal bewundern es die Gäste.

Motive, die sich durch das gesamte Werk Mina Gampels ziehen, sind die Themen des jüdischen Lebens. Ein Gemälde aus diesem Jahr zeigt eine Familie beim Sabbat am Tisch versammelt. Mina Gampel verarbeitet auch familiäre Erinnerungen. Sie lässt ihre bewegte Biographie, die Lebensgeschichte einer jüdischen Frau, die viel erlebt hat, in ihre Bilder einfließen. Polen, Israel und Deutschland sind kurz umrissen die Stationen. Man findet einen ganzen Querschnitt durch das jüdische Leben, betende Männer ebenso wie Motive aus dem Schtetl – einen Rückblick auf die Zeit vor dem Holocaust. Diese historischen Motive sind dunkler, gegenüber den aktuellen Bildern fast düster in der Farbgebung. Doch liegt dies auch daran, dass die Bilder älter sind. Am Anfang war Mina Gampel eher brav in der Farbgebung; sie verwandte viele Brauntöne. Inzwischen ist sie freier und mutiger. Sie spielt mit Farben und Farbkontrasten. Feurige Lichtstimmungen brechen geradezu aus ihren Bildern heraus.

Die Gäste betrachten die Kunst, diskutieren über die Farben, flanieren in der Wohnung, unterhalten sich, beglückwünschen die Künstlerin, genießen den Ausblick, Nachbarn schauen herein – dazwischen eine quirlige Mina Gampel. Lächelnd erläutert sie ihre Bilder, ist besorgt, dass alle Gäste etwas trinken und vom Büffet kosten.

Mina Gampel mit Gästen in ihrem Atelier

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