Buchbesprechung: „Boulevard Europe“ – Begleitband zur Wanderausstellung über Jacques Offenbach

„... sie in Ruhe ihren Schoppen trinken zu lassen“ 

– Begleitband „Boulevard Europe, Jacques Offenbach“ zur Ausstellung des Kölner Stadtmuseums „Von Köln über Paris in die Welt“ anlässlich des 200. Geburtstags des Komponisten Jacques Offenbach – 

von Klaus J. Loderer 

Der Zwicker ist ein markantes Element der Porträts des Komponisten Jacques Offenbach. Der Begleitband zur Wanderausstellung des Kölner Stadtmuseums nutzt ihn assoziativ als kleine typographische Spielerei auf dem Buchumschlag: über c und q ist ein kleiner Bogen angebracht, wodurch daraus Brille und Augen werden.

Zwei Stadtpläne findet man in den Umschlagdeckeln: vorn einen von Köln und hinten einen von Paris. Markiert sind wichtige Orte der Biographie des Komponisten Jacques Offenbach. Mit Nummern sind sie markiert, das Geburtshaus am Großen Griechenmarkt 1, die Synagogen von Deutz und Köln, an denen der Vater Isaac Offenbach wirkte, der jüdische Friedhof von Deutz. Wer sich allerdings aufmachen möchte zur Offenbach-Tour durch Köln, wird kaum etwas finden. Wohlweislich sind die Punkte blau – und das bedeutet nicht erhalten. Immerhin existiert das Grab des Vaters noch. Der andere erhaltene Punkt ist der Kölner Dom, zu dessen Fertigstellung Jacques Offenbach immerhin mit Konzerten beitrug. Der reich illustrierte Band liefert dann immerhin das Bildmaterial, damit man sich vorstellen kann, wie Köln und Deutz zu Offenbachs Jugendzeit ausgesehen haben. Der Band klärt auch den über Hintergrund des Familiennamens auf. Während der napoleonischen Besatzung mussten auch Personen einen Familiennamen tragen. Isaac – in seinem Reisepass von 1799 als Juda Eberst genannt – wählt als Familiennamen seine Geburtsstadt Offenbach am Main. Auch der Vater ist schon Musiker und komponierte einige Werke. Im Hauptberuf Buchbinder ist er Kantor an der Synagoge, zuerst in Deutz und dann in Köln. Der kleine Jakob, am 20. Juni 1819 geboren, lernte zuerst Violine und dann Violoncello. Im Band ist seine erste Komposition abgebildet, das Lied „An Minna“ von 1831.

Auf dem Paris-Plan findet man schon mehr rote Punkte – also erhaltene Offenbachstätten. Es steht in dem gerade städtisch werdenden Viertel am Fuß des Montmartre in der Rue des Martyrs noch das Haus, in dessen Mansarde als junger Mann zehn Jahre lang lebte, gewissermaßen in Wohngemeinschaft mit anderen aus Köln stammenden Musikern und in dichter Nachbarschaft zu vielen Künstlern aus Deutschland. Mario Kramp erläutert in seinem Beitrag „Von der Provinz in die Hauptstadt der zivilisierten Welt“, wie wichtig Paris für deutsche Auswanderer im 19. Jahrhundert war. Um 1848 lebten in Paris etwa 62000 Deutsche, das entsprach jedem zwanzigsten Einwohner der französischen Hauptstadt. Erhalten sind auch die Häuser, in denen Offenbach ab 1858 wohnte, inzwischen ist aus Jakob Jacques geworden, er ist zum katholischen Glauben konvertiert und hat geheiratet. Ebenfalls erhalten ist das Grab auf dem Montmartre-Friedhof (Cimetière Montmartre).

Zahlreiche historische und neue Fotos, Gemälde, Stiche, Karikaturen, Autographen, Titelblätter von Noten etc. illustrieren den Begleitband zur Wanderausstellulng, vom Kölner Stadtmuseum und der Kölner Offenbach-Gesellschaft herausgegeben. Der Band erzählt die Biographie Offenbachs nicht einfach chronologisch nach sondern mit vielen Nebenaspekten und parallelen Erscheinungen ein Bild der Zeit schafft, in das das Leben des Komponisten eingebettet ist. Durch den Band zieht sich der Farbcode der Ausstellung: violett für den familiären Hintergrund und die Jugendzeit in Köln, rot für die Zeit in Paris und türkis für den in der Welt bekannt werdenden Komponisten und den Nachruhm.

Das Zitat der Überschrift stammt übrigens von Offenbach und zeigt seine grammatikalisch französisch eingefärbte Sprache: „Die Einwohner von Cologne haben für ihre Compatrioten, die sich erworben haben la gloire, so wenig übrig, und es ist vorzuziehen, sie in Ruhe ihren Schoppen trinken zu lassen.“ Er lehnte 1860 mit diesem Brief an seinen deutschen Verleger eine Aufführung von „Orpheus in der Unterwelt“ in Köln ab.

Michel Güet, Mario Kramp, Ralf-Olivier Schwarz (Hg.)

Boulevard Europe
Jacques Offenbach
Von Köln über Paris in die Welt
= De Cologne en passant par Paris dans le monde
Jacques Offenbach zum 200. Geburtstag
Begleitband zur Ausstellung im Auftrag der Kölner Offenbach-Gesellschaft ...

Kölnisches Stadtmuseum und Kölner Offenbach-Gesellschaft
Köln 2019
ISBN 978-3-940042-15-6
109 S., zahlr. Ill.
Sprachen: deutsch und französisch

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