Konzertkritik: Marc-André Hamelin in Kattowitz (Katowice) – 2019

Neuer Konzertsaal in Kattowitz

Brillanz und Gefühl

– Marc-André Hamelin spielt im Konzerthaus des nationalen Sinfonieorchesters des polnischen Rundfunks in Kattowitz Werke von Castelnuovo-Tedesco, Schubert, Weissenberg, Fauré und Chopin – 

von Klaus J. Loderer 

Dank des nationalen Sinfonieorchesters des polnischen Rundfunks (Narodowa Orkiestra Symfoniczna Polskiego Radia w Katowicach) besitzt Kattowitz seit einigen Jahren neben der historischen Schlesischen Philharmonie auch einen großen modernen Konzertsaal. Hat der Saal äußerlich mit der Backsteinverkleidung Anklänge an die historische Industriearchitektur, soll die Anthrazitfärbung des Saalblocks an die Tradition des Kohlebergbaus erinnern. In warmen Holztönen schwingen die Brüstungen der Ränge durch den großen Konzertsaal.

Hier spielte kürzlich der in Montreal geborene Pianist Marc-André Hamelin Werke von Castelnuovo-Tedesco, Schubert, Weissenberg, Fauré und Chopin. Wie so oft begnügte sich Hamelin nicht dem bei Konzerten üblichen Standardrepertoire. Bei diesem Konzert standen einige bemerkenswerte Stücke des 20. Jahrhunderts im Zentrum, kontrastiert mit Werken der Romantik. Den Beginn machten die „Cipressi“ von Mario Castelnuovo-Tedesco. Es folgte die Sonate A-dur von Franz Schubert, deren ungewöhnliche Rhythmik im ersten Satz Hamelin klar herausarbeitete. Sehr eindrücklich und gefühlvoll glückte der langsame Satz. Brillanz und Gefühl zogen sich durch das gesamte Konzert und machten dieses zu einem Erlebnis. 

Ein Komponist, den Hamelin regelmäßig spielt, ist der eher als Pianist bekannte Alexis Weissenberg. Seine „Sonate en état de jazz“ hat er 2007 aufgenommen. Weissenburg wurde 1929 in Sofia als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Er erhielt schon als Vierjähriger Klavierunterricht von seiner Mutter. Sie brachte ihn 1941 in einer dramatischen Flucht nach Palästina. Nach seinem Studium in New York sorgten seine Auftritte für Aufmerksamkeit. In den 1960er-Jahren machte er international Karriere als Pianist. Später zog er sich in Schweiz zurück, wo er in Meisterkursen sein Wissen weitergab. Weissenberg starb 2012 in Lugano. Hamelin spielte von Weissenberg „Sechs Arrangements für von Charles Trénet gesungene Lieder“ (Six arrangements of songs sung by Charles Trénet), mit dem Weissenberg der französischen Chansonlegende ein Denkmal setzte.

Nach der Nocturne Des-dur von Gabriel Fauré spielte Hamelin als Referenz an Polen zwei Stücke von Frederic Chopin, die Polonaise-Fantasie und das Scherzo E-dur. Für den großen und herzlichen Beifall bedankte sich Hamelin mit einer eigenen Komposition als Zugabe. Den Abschluss bildete dann „Abschied“ aus Robert Schumanns „Waldszenen“.

Besuchte Vorstellung: 9. Juni 2019
Konzerthaus des nationalen Sinfonieorchesters des polnischen Rundfunks (Narodowa Orkiestra Symfoniczna Polskiego Radia w Katowicach) in Kattowitz

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