Opernkritik: Gaetano Donizettis „Maria Stuarda“ – Gärtnerplatztheater München – 2019

Wer im Glashaus sitzt ... 

– Michael Sturminger inszeniert mit Gaetano Donizettis Königinnenoper „Maria Stuarda“ am Gärtnerplatztheater in München einen spannenden Zickenkrieg – 

von Klaus J. Loderer

Das Bay Window gehört zum festen Bestandteil des englischen Wohnhauses. Die Paläste der elisabethanischen Zeit sind geradezu eine Orgie an Bay Windows. Von solchen Erkern ließen sich wohl die Bühnen- und Kostümbildner Andreas Donhauser und Renate Martin für ihren riesigen, von drei Glaswänden gebildeten Bühnenraum für „Maria Stuarda“ inspirieren. Mit Projektionen ließen sich auf den Glasscheiben wechselweise Fenstersprossen oder Bäume erkennen. So schlicht stilisiert das Bühnenbild ist – abgesehen von Kronleuchtern für königlich-elisabethanisches Ambiente – prunkt die Produktion mit üppigen Kostümen, Reifröcken und Halskrausen der Handlungszeit. Regisseur Michael Sturminger scheut das große Tableau mit symmetrisch aufgestellter Hofgesellschaft zum Auftritt der Königin nicht. Festlich-gülden und steif-königlich gekleidet Elisabeth I., in festlichem Schwarz Maria Stuart. Kontrastieren die beiden Königinnen schon im Kostüm, sind sie sich auch sonst nicht gerade sympathisch. Die schottische hält die andere für einen illegitimen Bastard und sich selbst für die rechtmäßige Königin Englands, die englische sieht in der schottischen eine Gattenmörderin, die allen Männern den Kopf verdreht. Beste Vorraussetzung für spannendes Musiktheater. Den Zickenkrieg in der zweiten Szene illustriert Regisseur Sturminger ziemlich deutlich. Ein markantes Detail ist, wenn Lord Cecil Maria Stuart einen derben Schubs gibt, wodurch sie Elisabeth vor die Füße fällt, was diese wiederum für ziemlich angemessen hält. Da kichert man innerlich durchaus.

Matija Meić (Sir William Cecil), Nadja Stefanoff (Elisabetta), Christoph Seidl (Georg Talbot), Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Foto: © Christian POGO Zach
Immer wieder dreht sich das Bühnenbild und ermöglicht so unterschiedliche Raumeindrücke. Auch sonst findet Sturminger passende Bilder für diese Oper. Schauen wir von außen auf das Glasgebilde sind wir bei Elisabeth, umfassen die Glaswände den Raum, bildet das Bühnenbild den Rahmen für Maria-Stuart-Szenen. Für die Beichtszene kommt ein kubischer Raum aus dem Bühnenfußboden und deutet einen nur spärlich von einer Kerze beleuchteten Kerker an. Das sind einfache aber nachvollziehbare Raumkonstellationen.

Von Donizetti waren im Gärtnerplatztheater in letzter Zeit nur „Liebestrank“ und „Don Pasquale“ zu sehen. Abgesehen von einer „Lucia di Lammermoor“ vor ewigen Zeiten kam bisher nie eine ernste Donizetti-Oper in diesem Theater, und Belcanto-Opern gehörten auch nicht gerade zum Schwerpunkt des Theaters. Dessen Hochburg war bisher das Nationaltheater. Die „Maria Stuarda“ von 2018 steht nun im Gärtnerplatztheater wieder auf dem Spielplan. Dafür hat das Gärtnerplatztheater das schon die Premiere singende, stimmlich und schauspielerisch überaus überzeugende Königinnenpaar wieder auf die Bühne geholt. Mit lyrischer Eleganz und Sinnlichkeit bezaubert Jennifer O’Loughlin als Maria Stuarda. Fein in der Stimmführung gestaltet sie eine ergreifende Schlussszene, Belcanto-gerecht die Koloraturen. Nadja Stefanoff betont die kühle Herablassung der Elisabetta und doch bedauert man sie hier als betrogene Königin. Stimmlich darf man ihr zu dieser Glanzleistung gratulieren. Schneidend scharf fertigt sie die Gegenspielerin ab.

Elaine Ortiz Arandes (Anna Kennedy), Jennifer O’Loughlin (Maria Stuarda), Christoph Seidl (Georg Talbot), Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz
Foto: © Christian POGO Zach
Gegenüber den beiden Damen bleibt Lucian Krasznec als Graf von Leicester trotz seines hellen und schmachtenden Tenors etwas blass. Christoph Seidl bildet als Talbot immer wieder den stimmlichen Ruhepunkt dieser Aufführung und überzeugt besonders in der Beichtszene. Erbarmungslos ist der Cecil von Matija Meić. Als Anna ist Elaine Ortiz Arandes zu hören.

Anthony Bramall leitet das Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz mit Elan. Stürzt er sich für Hofgesellschaft und Jagd besonders im Finale des ersten Akts geradezu in einen Galopp, gibt er den letzten Szenen den Rahmen für eine überaus traurige Abschiedsszene. Für die stimmungsvolle Einleitung vieler Szenen sorgen der exakte Chor und Extrachor des Staatstheaters am Gärtnerplatz (einstudiert von Felix Meybier).

Besuchte Vorstellung: 8. Februar 2019
(10. Vorstellung seit der Premiere am 20. März 2018)
Gärtnerplatztheater München


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