Opernkritik: Franz Lehárs Operette „Das Land des Lächelns“ – Oper Dortmund – 2019

Sachertorte schmeckt auch in China 

– Toto stattet Franz Lehárs „Das Land des Lächelns“ am Opernhaus Dortmund opulent aus – 

von Klaus J. Loderer

Auf die scheiternde Liebesbeziehung konzentriert sich der Blick in Thomas Enzingers neuer Inszenierung von Lehárs Operette „Das Land des Lächelns“ im Opernhaus Dortmund. Durch die Weglassung einiger komischer Passagen und der kompletten Streichung der Bufforolle des Obereunuchen tritt der tragische Charakter stärker in den Vordergrund. Für die Konzentration auf das Hauptpaar sorgt auch die Verdoppelung: ein Tänzerpaar in den Kostümen von Lisa und Sou-Chong deutet schon während der Ouvertüre pantomisch die Handlung an, während der chinesisch anmutenden Motive unterstützt von einem Tänzer und drei Tänzerinnen. Die fünf Tänzer untermalen während des ganzen Stücks die Handlung, verdeutlichen manchmal auch Wünsche und Sehnstüchte der Protagonisten (Choreographie Evamaria Mayer). Dazu gibt es viel China-Exotik. Wobei der Wien-Akt in Monarchiezeiten auf den heutigen Betrachter wahrscheinlich ebenso exotisch wirkt wie die Szenen in Fernost.

„Das Land des Lächelns“ an der Oper Dortmund: Fritz Steinbacher (Gustl) und Irina Simmes (Lisa) mit dem Opernchor
Foto: Björn Hickmann
Opulent bebildert setzt die Handlung ein. Ein in fünf Teile zerlegtes Pferdegemälde und Kronleuchter, samt zweiläufiger Freitreppe mit Goldgeländer deuten ein Wiener Palais vor dem Ersten Weltkrieg an oder einen Salon auf der Rennbahn. Zum Après-Pferderennempfang des Grafen Lichtenfels präsentiert Bühnen- und Kostümbildner Toto die Damen in großer Toilette mit ausladenden Hüten. Bei den Herren ist allerdings die Kombination von Cuthose und Frackjacke nicht wirklich elegant. Knallrot sticht Lisa in ihrem Reitdress heraus. Irina Simmes bezaubert mit lichtem Sopran. Sie hat die nötige Eleganz für diese Rolle und kann mit heller Höhe und Schönklang überzeugen. Und wir lernen mit „Von Apfelblüten einen Kranz“ den von der Maske asiatisch gemachten Martin Piskorski als chinesischen Prinzen kennen. Sehr angenehm zu hören ist er mit einer leidenschaftlichen Ariengestaltung. In der Mittellage erfreut er sehr. In der Höhe wird sein Tenor leider etwas eng und wirkt gepresst.

„Das Land des Lächelns“ 
an der Oper Dortmund: 
Martin Piskorski (Sou-Chong), Tänzer
Foto: Björn Hickmann
Eine Drehung des Bühnenbaufbaus, rote Laternen und ein Drachenschild im Hintergrund und wir sind in China. Von oben fährt das gelbe Prunkgewand herunter, das Sou-Chong als „gelbe Jacke“ verliehen wird, Symbol kaiserlichen Wohlwollens. Barsch lässt Hiroyuki Inoue seinen Bass als strenger Onkel Tschang klingen. Dass sie nicht an der Zeremonie teilnehmen darf, enttäuscht Lisa schon in den gängigen Inszenierungen. In Dortmund wird dies noch mehr betont, da vor der von seitlich auf die Bühne kommenden Lisa demonstrativ der Vorhang herabgeht. Sie bleibt deutlich außen vor. Erst nach der Pause folgt der Rest des zweiten Akts.

Die zweite Hälfte entwickelt sich schnell zur Tragödie, besonders durch die Heirat des Prinzen mit vier Mandschuprinzessinnen. Diese stattete Toto mit herrlich überzogenen Kostümen in einer Art neuem Rokoko aus. Da hat die Schneiderei des Theaters hervorragende Arbeit geleistet. Dekorativ stehen sie oben auf der Bühne vor einem Vorhang aus roten Laternen, der Chor mit leuchtenden Fächern ausgestattet. Der Operrnchor ist in dieser Szene zwar zum dekorativen Beiwerk reduziert, bietet insgesamt aber eine gute Leistung (Einstudierung Fabio Mancini).

„Das Land des Lächelns“ an der Oper Dortmund: 
Fritz Steinbacher (Gustl) und Anna Sohn (Mi)
Foto: Björn Hickmann
Die Heirat des Prinzen mit den vier Frauen ist für die Wiener Gräfin ein unverzeihlicher Affront. Da ist es ganz geschickt, dass gerade ihr früherer Verehrer Gustl auftaucht und ihr eine Sachertorte mitbringt. Die hat Gustl mit Sou-Chongs Schwester Mi beim Flirt schon angeknabbert. Fritz Steinbacher singt den Wiener Charmeur und liefert sich mit Anna Sohn als koketter Prinzessin ein reizendes Duettgefecht. Sehr schön gestaltet Anna Sohn ihr Lied „Stricken, waschen, kochen und dann wieder in die Wochen“. Nach großem Eklat bringt Gustl Lisa schließlich nach Wien zurück. Während sich Sou-Chong und Mi ihren Sehnsüchten hingeben. „Dein war mein ganzes Herz“ gestaltet Martin Piskorski ergreifend schön. Im Gegensatz zur ersten Fassung der Operette, die als „Die gelbe Jacke“ ein Happy End für Lisa und Sou-Chong hatte, scheitert die Beziehung ja bekanntlich in der 1929 uraufgeführten überarbeiten Neufassung „Das Land des Lächelns“.

Dass unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz der Orchesterklang zu Lisas Abschied klingt wie Elisabeths Scheiden aus der Welt in Wagners „Tannhäuser“ ist, ist ein netter Querverweis. Feltz leitet die Dortmunder Philharmoniker mit großem Elan. Die von Lehár eingebaute große Dramatik mit geheimnisvollen Klängen in den China-Akten kostet er aus und kontrastiert damit die süß dahinsäuselnden Walzerklänge. So sind die Show-Szenen auch musikalisch sehr effektvoll. Was akustisch bei der Aufführung allerdings irritiert ist der Einsatz der Headsets zur elektronischen Verstärkung.

Besuchte Vorstellung: 18. Januar 2019
(Premiere 12. Januar 2019)
Opernhaus Dortmund

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