Opernkritik: Doppelabend „Die schöne Galathée“ und „Gianni Schicci“ – Staatsoperette Dresden – 2019

Weiß und schwarz

Doppelabend „Die schöne Galathée“ von Franz von Suppé und „Gianni Schicci“ von Giacomo Puccini an der Staatsoperette Dresden

von Klaus J. Loderer

Weiß und schwarz bilden nicht nur farbliche Kontraste, man verwendet sie auch zur Charakterisierung der Seele. So ist das auch an der Staatsoperette Dresden. So kontrastiert Franz von Suppés Operette „Die schöne Galathée“ mit Giaciomo Puccinis komischer Oper „Gianni Schicci“, die beide zu einem Opernabend zusammengefasst sind. In „Die schöne Galathée“ sind nicht nur die Statuen antikisch weiß, sondern gleich das ganze Bühnenbild. Abgesehen davon, dass man durch viele Fenster in die arkadisch grüne Landschaft schaut. Den zweigeschossigen Raum mit Treppe verwendet Bühnenbildner Arne Walther scheinbar auch gleich für „Gianni Schicci“. Doch halt. Nun ist der Raum glänzend schwarz. Und ebenso schwarz ist die Geschichte, die sich Regisseur Axel Köhler dafür ausdenkt und mit der er diese komische Oper makaber überspitzt. Die Seelen der Mitspieler sind ebenso schwarz wie die unergründlichen Schubfächer, mit denen dieser Raum nun versehen ist. Stärker könnten die Kontraste gar nicht sein.

„Die schöne Galathée“: Anna Werle (Ganymed) und Maria Perlt (Galathée)
Foto: Kai-Uwe Schulte-Bunert

Doch zuerst zur lieblich-weißen Antike. „Die schöne Galathée“ ist berühmt. Doch ist gar nicht die Operette berühmt, sondern nur die viel gespielte Ouvertüre. Die durfte früher bei keinem Operettenkonzert und bei keinem Kurkonzert fehlen und war fast so populär wie die Ouvertüre zu „Leichte Kavallerie“, beide vom ansonsten völlig vergessenen Komponisten Franz von Suppé. Doch was passiert eigentlich nach der Ouvertüre. Es geht um den antiken Bildhauer Pygmalion, der eine Statue der Nymphe Galateia (in der französischen Fassung Galathée) erschafft, in die er sich verliebt und die Dank der Göttin Venus lebendig wird. In direkter Nachfolge von Offenbachs „Die schöne Helena“ 1864 komponiert Franz von Suppé 1865 „Die schöne Galathée“. Beiden gemeinsam ist ja die gnadenlose Karikierung eines antiken Stoffes und die nicht geringere Karikierung der Gegenwart. Verdienterweise hat die Staatsoperette Dresden die selten gespielte Operette „Die schöne Galathée“ ausgegraben. Sie ist ja handlich kurz und man kann sie mit einem zweiten Stück kombinieren. In Dresden nimmt Andreas Schüller mit dem Orchester der Staatsoperette Dresden gleich mit der berühmten Ouvertüre gefangen.

Bildhauer im Canabisrausch

Dass Statuen lebendig werden, das gab es nur zu Zeiten, als die Götter sich noch höchstpersönlich auf Erden herumtrieben, wenn sie sich gerade langweilten. Heute kommt man auf solche Ideen nur noch im Drogenrausch. Und so geht es in dieser Inszenierung denn auch Richard Samek als Bildhauer Pygmalion, als er eine Zigarette raucht, in der offensichtlich nicht nur Tabak enthalten ist. Erst einmal geht er aber ins Eros-Center Venus, was das moderne Adäquat zum antiken Venus-Tempel ist. Währenddessen treibt sich in seiner mit Mini-Ausgaben der Venus von Milo gefüllten Werkstatt Andreas Sauerzapf als Kunstmäzensmuttersöhnchen Mydas herum und bringt das Publikum mit seinem herrlichen Auftrittsarienohrwurm zum Kichern. Anna Werle lässt als Praktikant Ganymed (sie glänzt mit einer Griechenlandvorlesung als Ohrwurmcouplet) ihn auch hinter einen Vorhang gucken, wo sich eine geheimnisumwitterte Statue befindet. Da sich auch Anna-Luysa Grumbt sich als goldgeflitterte Liebesgöttin Venus im Haus herumtreibt, geschehen wundersame Dinge. Die Statue der Galathée erwacht nach der Berührung mit einer goldenen Lyra: heil Dir Licht, heil ... äh nein, falsche Oper. Im Gegensatz zur unterkühlten Nordländerin stürzt sich Maria Perlt als Galathée gleich ins pralle Leben, betört mit ihrem Sopran, prüft am Spiegel den kalten Kuss mit dem Spiegelbild, bei Pygmalion den heißen männlichen Kuss und was er zwischen den Beinen hat und schließlich hat sie einen Bärenhunger. Pygmalion holt Pizza. Im herrlichen Kuss-Duett stellt Galathée schnell fest, dass Ganymed der noch viel bessere Küsser ist. Noch so ein Ohrwurm. Sie vernascht Ganymed gleich richtig. Mit Schmuck versucht der Kunstmäzen erfolglos Galathées Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Den Schmuck kassiert Galathée gerne ein. Dann spachtelt man auf einem Statuenhintern Pizza, die Ganymed mit dem Meißel zerlegt. So richtig froh ist Pygmalion aber nicht mit seiner lebendigen Angebeteten. So bittet er Venus, Galathée wieder zu marmorieren. Was sofort geschieht. Wir sehen sie in der Flucht erstarrt. Mydas bedauert, dass sein Schmuck auch versteinert ist, darf das Marmorkunstwerk aber mitnehmen. Dann schmauchen Pygmalion und Mydas noch einen Joint zusammen. Und alle sind glücklich. Axel Köhler hat ein Händchen für die leichte Muse.


Mörderische Trauergesellschaft: „Gianni Schicci“ an der Staatsoperette Dresden
Foto: Kai-Uwe Schulte-Bunert

Wie beerbt man einen Mafia-Boss?

Nach der weißen Operette nun die schwarz-komische Oper. Man sieht wieder den Raum mit der Treppe. Aber er ist nun schwarz, mit vielen Schubfächern versehen, fast ganz geschlossen. Nur ein Fenster oben gibt den Blick auf Florenz frei. In Axel Köhlers Inszenierung von Puccinis „Gianni Schicci“ wartet die Verwandtschaft nicht brav auf das Ableben des Erbonkels. Nein. Man hilft nach. Während des Vorspiels lost Simone (Elmar Andree) aus, wer die Ehre hat Buoso Donati mit dem Kissen zu ersticken. Natürlich heuchelt die Verwandtschaft tiefe Trauer. Was für eine Gangsterbrut hat Judith Adam hier ganz im Mafia-Chic ausgestattet. Man stellt artig Kerzen und Lilien vor dem Toten auf. Bis ... ja, bis Silke Richter als herrlich zickige Zita entdeckt, dass Buoso sein Vermögen der Kirche hinterlässt. Das darf nicht sein. Richard Samek übezeugt als Rinuccio mit einer wunderbaren Florenz-Arie, dass nur Gianni Schicci helfen kann. Maria Perlt droht als Lauretta betörend mit Selbstmord, wenn sie ihren Rinuccio nicht bekommt. 


„Gianni Schicci“ an der Staatsoperette Dresden
Foto: Kai-Uwe Schulte-Bunert
Andreas Scheibner (Gianni Schicci)
Foto: Kai-Uwe Schulte-Bunert
Kammersänger Andreas Scheibner hilft schlitzäugig mit viel Sinn für Komik als Gianni Schicci tatsächlich ein neues Testament zu fälschen. Der Leichnam wird in einer herrlichen Slapstickszene vom Balkon geworfen. Vorsorglich sammelt Gianni Schicci erst einmal alle Waffen ein. Bevor er sich dann daran macht, die wichtigsten Vermögenswerte sich selbst zu vererben. Wie bringt man die im Text erwähnten Mühlen und das Maultier in eine Handlung, die in der Inszenierung in der Gegenwart spielt? Man macht aus den Mühlen das Modell einer Windkraftanlage und aus dem Maultier eine goldene Statue. An der zerren die geprellten Verwandten am Ende verzweifelt herum, wenn Gianni Schicci sie aus dem Haus rauswirft. Allerdings wird er in Dresden seines neuen Wohlstands nicht froh. Denn Mafia-Nachwuchs Gherardino (Julian Simat) hat sich im Bett versteckt und knallt Gianni schließlich ab. So kommt Gianni Schicci hier schneller als erwartet in die Hölle. Eine sehr makabre Deutung von „Gianni Schicci“, aber sehr amüsant.

Auch musikalisch ist diese komische Oper ein Kontrastprogramm zur einleitenden Operette. Doch auch den Puccini-Klang vermittelt Andreas Schüller mit dem Orchester der Staatsoperette gut. Gesungen wurde „Gianni Schicci“ übrigens in deutscher Sprache.

Besuchte Vorstellung: 19. Januar 2019
(Premiere 27. Oktober 2018)
Staatsoperette Dresden

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