Klein aber fein: Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ – Hamburger Kammeroper – 2019

Bei Liebe glüht es rot 

– Stefan Haufe gestaltet die Operette „Die lustige Witwe“ an der Hamburger Kammeroper im Alleetheater als intimes und kurzweiliges Kammerspiel – 

von Klaus J. Loderer

„Die lustige Witwe“ der Hamburger Kammeroper ist in der Regie von Stefan Haufe kurzweilig und amüsant. Ettore Prandi sorgt für schmissige Musik. Optisch bietet das Bühnenbild von Michael Haufe einen schönen Hintergrund und Barbara Hass spielt bei ihren Kostümen ironisch mit historischer Kleidung der 1920er-Jahre.

Tom Wodak als Njegus
Foto: Joachim Flügel
Zwanzig Millionen – Tom Wodak lässt als Conferencier und Diener Njegus einen Sack demonstrativ auf die Bühne knallen. Das Publikum schreckt auf und weiß damit auch gleich, worum es in dieser Operette geht. Das ist dann aber auch schon die einzige harte Stelle in dieser Operette voller weich fließender Ohrwürmer. So wiegen sich Valencienne und Camille nicht nur singend, Natascha Dwulecki und der Richard Neugebauer flirten auch gleich tanzend. Denn Regisseur Stefan Haufe, seines Zeichens auch Ballettchoreograf, lässt tanzen. Liebe ist hier Tanz. Und da wir in der Hamburger Kammeroper sind, die kein eigenes Ballett hat, müssen die Sänger eben selbst tanzen. Auch den Grisetten-Cancan, der in diesem Fall einen deutlichen Herrenüberschuss hat. Das Publikum zeigt sich begeistert und klatscht munter mit. Tom Wodak flötet mit roter Federboa „et moi“. Überhaupt ist seine Rolle in dieser Inszenierung sehr aufgewertet. Er fungiert immer wieder, wenn das Bild gewissermaßen gefriert, als Conferencier und erläutert oder kommentiert Details der Handlung. Dafür wurden die Rollen von Kromov und Bodganowitsch samt koketter Ehefrauen komplett gestrichen, was auch ein paar Änderungen der Handlung erforderlich machte. So machte man sich mit einigen Textanpassungen und -modernisierungen gleich an eine eigene Fassung. Im Marsch „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ erklingt eine dazugedichtete Strophe, in der sich die Männer nun selbstkritisch beleuchten.

Für das genannte Liebespaar ist die Situation nicht unproblematisch, denn da steht ein Ehemann im Weg, und darum darf die Affäre nicht rauskommen. Schauspieler Gregor Nöllen mimt einen leicht vertrottelten Ehemann und Gesandten Baron Zeta, über den das Publikum herzlich lacht. Mit jugendlichem Sopran lässt Natascha Dwulecki als seine Ehefrau nicht ohne Koketterie die Töne fließen, charmant umworben vom bezaubernden Tenor Richard Neugebauer. Gut getroffen sein „Wie eine Rosenknospe“. Als schöne Idee wird die Dreiecksgeschichte später das Vilja-Lied illustrieren.

Natascha Dwulecki als Valencienne, 
Richard Neugebauer als Camille du Rosillon
Foto: Joachim Flügel
Für die schwungvolle „Tanzmusik“ sorgt Ettore Prandi. Auf den kleinen Orchestergraben im Alleetheater ist die Orchesterfassung angepasst. Ettore Prandi hat die Partitur entschlackt und eine eigene Version für Geige, Bratsche, Cello, Klarinette und Flöte erarbeitet. Das überzeugt durchaus. Das Stück wird dadurch kammermusikalisch, ist an manchen Stellen intim zart und nimmt besonders in den Finalszenen beschwingt Fahrt auf, um das Publikum mitzureißen. Die kleine Besetzung passt gut zu dem Kammerspiel, das Regiesseur Stefan Haufe auf der Bühne entfaltet.

Intim wirkt das Stück im Alleetheater natürlich sowieso. Das Bühnenbild von Michael Haufe deutet mit stilisierten ionischen Säulen ein herrschaftliches Ambiente an, das alle drei Akte überbrückt. Silhouettenmotive wechseln im Hintergrund. Mit wechselnder Hintergrundfarbe verändert sich die Stimmung. Die Farbe wird aber auch als Gefühlsbotschafter eingesetzt. Und zwar für das Hauptliebespaar und dieses ist in der Operette: Hanna Glawari und Graf Danilo. Svenja Schicktanz macht in dieser Inszenerung als Hanna eine Wandlung mit. Ist sie am Anfang die aufgedonnerte neureiche Witwe (und deshalb von Kostümbildnerin Barbara Hass schwarz eingekleidet), wird sie später im Charlestonkleid zur eleganten Pariserin. Als Sopran betört sie schon mit ihrem Aufrittslied. Robert Elibay-Hartog, der in der anderen Besetzung den Cascada singt, ist als Danilo zu sehen und zu hören. Es ist ein Vergnügen diesem warmen Bariton und lässigen Latin-Lover zuzuhören, sehnsüchtig sein „Da geh’ ich zu Maxim“ und spitzbübisch sein „O Vaterland“.

Die Musik weiß zwar, dass sich Hanna und Danilo lieben, und die beiden wissen das auch. Nur er sagt es halt nicht. Und darum glüht es immer rot, wenn es recht innig wird – oder innig werden könnte, was der Graf immer abblockt. Und warum tut er das, wo er die Hanna doch eigentlich auch liebt?

Die zwanzig Millionen stehen im Weg. In der Inszenierung werden bei der Erwähnung des Geldes gleich zwei Pariser hellhörig. Stephen Barchi (Cascada) und Stefan Hahn (St. Brioche) geben zwei herrlich zwielichtige Vögel. Doch auch die zugehörige Witwe weiß, dass die Komplimente nicht ihr sondern ihnen, nämlich den zwanzig Millionen gelten. Das reibt sie Graf Danilo unter die Nase, der als Ehrenmann von Welt sofort beteuert, dass er ihr nie sagen werde, dass er sie liebe.

Es folgen drei Akte Geschlechterkrieg. Und dann kommt heraus, dass Hanna bei einer Wiederverheiratung ihr ganzes Geld verliert: Liebeserklärung. Happy End. Rot glüht die Bühne, die Diskokugel dreht sich. Aber was passiert mit den zwanzig Millionen? Die bekommt der Ehemann. Und wieder eine dieser netten Textanpassungen: der zu Verschwendung neigende Ehemann überlässt die Geldverwaltung seiner Ehefrau.

Besuchte Vorstellung: 6. Januar 2019
(Premiere am 7. Dezember 2018)
Hamburger Kammeroper im Alleetheater Hamburg-Altona


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