Ausstellung „Ludwig II. und die Architektur“ – Pinakothek der Moderne München

Sein Festspielhaus konnte er nicht verwirklichen

– „Königsschlösser und Fabriken – Ludwig II. und die Architektur“, eine Ausstellung des Architekturmuseums der TU München in der Pinakothek der Moderne in München – 

von Klaus J. Loderer

Die Schlösser des „Märchenkönigs“ sind eine touristische Attraktion in Deutschland. Gerne wird der bayerische König Ludwig II. als wunderlich und verträumt oder gar verrückt dargestellt, der weltabgewandt wilde Phantasien pflegte. Beschäftigt man sich etwas genauer mit ihm, stellt man schnell fest, dass er Gestaltung, Bau und Einrichtung der Schlösser mit einer geradezu archäologisch genauen Akribie betrieb.

Schloss Neuschwanstein, Thronsaal, 1881-1886 (Julius Hofmann)
Foto: Ulrike Myrzik, © Architekturmuseum der TU München
Die Regierungszeit Ludwigs II. besteht aber nicht nur aus Schlossbauten. Und seine Regierungszeit besteht schon gar nicht aus der Verschwendung von Steuermitteln. Dass er das Königreich in den Bankrott getrieben haben soll, gehört ins Reich der Mythen. Ganz im Gegenteil hat Ludwig II. enorme Anstrengungen unternommen, um die Infrastruktur Bayerns zu modernisieren und auszubauen, um die Bildung zu verbessern und die Industrie zu entwickeln. Er förderte die Texilindustrie in Augsburg ebenso wie die Brauereien in München. Modernste technische Entwicklungen interessierten ihn und er sorgte für ihre Umsetzung. Und für gesellschaftliche Probleme suchte er Lösungen. Gleichzeitig wollte er den Verlust der regionalen Traditionen des Volks verhindern und initiierte den ersten Trachtenverein. Das zeugt von vielseitigen Bestrebungen zum Wohl von Volk und Land.

Diesen modernen „Märchenkönig“ stellt eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne in München vor. Sehr anschaulich lässt sich dieser moderne Ludwig II. anhand der Architektur vorstellen. So wartet das Architekturmuseum der TU München mit einer opulenten Schau auf, die das Architekturgeschehen in Bayern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt. In den nur zweiundzwanzig Jahren seiner Regierungszeit (1864 bis 1886) wurde in Bayern enorm viel gebaut. Auch München veränderte sich in dieser Zeit stark.  Markante Großbauten entstanden eben nicht nur in der Zeit Ludwigs I. oder der Prinzregentenzeit. Dazu zählen die Akademie der bildenden Künste, die Technische Universität und das Rathaus.

Die Ausstellung setzt mit städtebaulichen Entwicklungen ein. Man sieht in historischen Stadtplänen die Erweiterungen bayerischer Städte. Für München wird eine nicht verwirklichte Gartenstadt um die Theresienwiese vorgestellt. Im ersten Teil der Ausstellung spaziert man durch Kabinette, die den verschiedenen Bautypen gewidmet sind. Als Ausstellungsarchitektur hat Studio Weave in London eine Folge kleiner Räume mit abgeschrägten Ecken gebaut. Man wähnt sich in einer Gemäldegalerie des 19. Jahrhunderts, die man da durchschreitet Sogar Fenster werden auf einer Seite angedeutet. Sind in den Kabinetten Pläne und Modelle ausgestellt, gewähren die Fenster gewissermaßen den Ausblick in die Gegenwart. Dort sieht man aktuelle Farbfotos der Bauten von Ulrike Myrzik.

Was er sich als Lieblingsprojekt für München ausgedacht hat, das konnte Ludwig II. allerdings nicht verwirklichen. Groß und eindrucksvoll steht es als Modell da: das für das östliche Isarhochufer in München geplante Richard-Wagner-Festspielhaus. Die Bavaria-Film-Gesellschaft hat dieses Requisit des 2012 entstandenen Films „Ludwig II.“ (Regie Peter Sehr und Marie Noëlle) für die Ausstellung ausgeliehen. Gottfried Semper hat das repräsentative Theatergebäude entworfen. Es hätte, schon alleine durch die Lage oberhalb der Isar, seine Wirkung entfaltet. Doch auch der Bau wäre ein damals noch nicht dagewesenes Theater geworden. Ungewöhnlich war schon der Zuschauerraum. Großzügig waren die Wandelhallen und Treppenhäuser geplant. Nach dem Scheitern des Projekts schenkte der König die Semper-Zeichnung der von ihm gegründeten Neuen Polytechnischen Schule.

Die Gründung dieser Hochschule bildet den Anlass dieser schönen Ausstellung. Diese ist schließlich ein Beitrag zum 150-jährigen Jubiläum der Technischen Universität München. 1868 wurde sie als Neue Polytechnische Schule gegründet. Als Holzmodell erhalten wir einen Überblick über das nicht erhaltene Stammgebäude. Und wir sehen Pläne und Entwürfe des Architekten Gottfried von Neureuther für den repräsentativen Bau. Eingangshalle, Treppenhaus, Aula und Bibliothek bildeten im Mitteltrakt eine eindrucksvolle Raumfolge. Überhaupt engagierte sich Ludwig II. stark für die Verbesserung der technischen Bildung. Mit einer Schulreform sorgte er für die systematische Gründung von Realgymnasien, die eine Basis für die Ingenieursausbildung schaffen sollten. Nach Plänen Neureuthers wurde 1874 bis 1886 auch die Akademie der Bildenden Künste errichtet. Ludwig II. setzte sich durch Stiftung eines Bauplatzes auch für einen Neubau des 1559 gegründeten Wilhelmsgymnasiums ein.

Die Ausstellung zeigt aber auch deutlich das Interesse des Königs für soziale Dinge. Das mag vielleicht besonders überraschen. Eine fortschrittliche Sozialgesetzgebung (lange vor Bismarck) legte die Grundlage für den Bau von Krankenhäusern. Persönlich förderte er den Neubau des Haunerschen Kinderspitals. Und er veranlasste nach der Choleraepedemie 1873 den Ausbau eines fortschrittlichen Kanalisationssystems nach englischem Vorbild und die Versorgung Münchens mit frischem Wasser aus dem Mangfalltal. Nicht von ungefähr hatte einer der führenden Hygieniker, Max von Pettenkofer, einen Lehrstuhl an der Universität München.

Kasernen, Rathaus, Museen, Wohnbauten, Fabriken, Kurbäder, Verwaltungsgebäude sind weitere Themen. Der Raum zu den Sakralbauten schließt den Reigen der Bautypen ab. Zwei Modelle stehen einander gegenüber: eine Kirche und eine Synagoge: vieltürmig neoromanische Basilika zu maurisch anmutendem Kuppelbau.

Natürlich dürfen die Schlösser nicht fehlen. Denen ist ein großer Raum gewidmet mit einer Holzfachwerkarchitektur, die an die Ausstellungsgebäude der Weltausstellungen erinnern soll. Diese hat Ludwig II. ja persönlich besucht. Sie hatten sowohl mit den vorgestellten kunstgewerblichen Objekten wie technischen Neuerungen ja tatsächlich einen großen Einfluss auf die Königsschlösser. Den Maurischen Kiosk in Linderhof sah Ludwig II. auf der Pariser Weltausstellung 1867.

Der Raum setzt allerdings ein mit einem Schloßprojekt, das noch nichts mit Ludwig II. zu tun hat. Doch auch dessen Vater träumte schon von einem großen Schloß bei Feldafing. Dann kann man in Entwürfen und Plänen zu den Schloßprojekten Ludwigs schwelgen. Es zeigt sich, dass der Bau von Herrenchiemsee schon viel weiter war. Der Nordflügel stand schon und wurde nach Ludwigs Tod wieder abgerissen. Zwei Reliefs sind in der Ausstellung zu sehen. Für die Überprüfung von Raumwirkungen hatte Ludwig II. eine ganz eigene Methode. Er ließ Bühnenbilder für Aufführungen des Hoftheaters bauen. Als Beispiel sieht man das Modell eines barocken Schlafzimmers. Ein kleiner Pavillon im Zentrum der Schloßabteilung widmet sich dann der Rezeption der Königsschlösser und des Kitsches für Touristen. Neuschwanstein ist eben ein Werbeschlager.

„Königsschlösser und Fabriken – Ludwig II. und die Architektur“
Pinakothek der Moderne, Architekturmuseum der TU München
26. September 2018 bis 13. Januar 2019

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