Buchbesprechung: Der Architekt Raimund von Doblhoff und das Drehparkett-Theater

Zwischen Bautradition und Moderne, zwischen Autobahnkirche und Theaterutopie 

– Das Buch „Raimund von Doblhoff 1914 – 1993“ stellt den in Augsburg tätigen Architekten vor – 

von Klaus J. Loderer

Die Autobahnkirche Maria, Schutz der Reisenden mit ihrer stilisierten Form einer Dorfkirche und der vollverglasten Wand hinter dem Altar, direkt an der Autobahn bei Augsburg gelegen, ist sehr bekannt. Es wird aber kaum einer der Besucher oder Vorbeifahrenden den Namen des Architekten kennen. Der Name des Architekten Raimund von Doblhoff ist in Augsburg vor allem verbunden mit dem Wiederaufbau des Neuen Baus, der Fuggerei und der Fuggerhäuser. Ihm ist die feinsinnige Rekonstruktion einiger wichtiger Bauten, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, zu verdanken. Sein Wirken ist insofern ungewöhnlich, als er sich sowohl mit einer handwerklich soliden Rekonstruktion historischer Bauten wie mit ganz modernen Neubauten beschäftigte. Allerdings ist der Name völlig in Vergessenheit geraten.

Der Nachlass des 1914 in Wien geborenen Architekten kam vor einiger Zeit als Dauerleihgabe ins Architekturmuseum Schwaben in Augsburg. Dort wurde von Wilfried Nerdinger eine schöne Monographie herausgegeben, die das Wirken des Architekten vorstellt und einordnet. Werner Lutz hat den kommentierten Werkkatalog erarbeitet. Werner Lutz geht in seinem Aufsatz „Doblhoff als Architekt und Stadtplaner“ auf die Auseinandersetzungen um Moderne oder Rekonstruktion in den 1950er-Jahren beim Wiederaufbau der Innenstadt von Augsburg ein. Er bezieht sich auf den Campus für die Universität und Doblhoffs wichtigen Einsatz für die Rekonstruktion des Goldenen Saals im Augsburger Rathaus. Den Wiederaufbau von Fuggerei, Fuggerhäusern und Neuem Bau untersucht Gregor Nagler. Unter den Titel „Noblesse oblige“ hat Barbara Wolf ihren Aufsatz über Doblhoffs Entwürfe für Inneneinrichtungen für gehobene Ansprüche gestellt.

Orientiert er sich bei den Rekonstruktionen an den Traditionen, ist er bei Neubauten ganz modern. Ungewöhnliche Ideen entwickelte Doblhoff Ende der 1950er-Jahre für das Theater. Franz Wimmer untesucht die Projekte für Drehparkett-Theater. Doblhoffs Idee sieht die völlige Auflösung der festgefügten Raumteile Bühnenhaus und Zuschauerraum vor. Vielmehr entwickelt er eine große Halle für freie Konzeptionen. Darin kann ein Zuschauerbereich zentral angeordnet sein und sich den verschiedenen Bühnenbildnischen, die rings herum angeordnet sind, durch Drehung zuwenden. Außer Konkurrenz reichte er parallel zum Wettbewerb für den Neubau des Kleinen Hauses der Staatstheater in Stuttgart einen Entwurf für ein „Raumtheater“ ein, der aber nicht berücksichtigt wurde. Auch in anderen Städten wurden seine Ideen wohl schlichtweg als zu modern angesehen. Für Trier entwarf er eine breite Halle neben den Kaiserthermen. Waren die Entwürfe für Recklinghausen und Düsseldorf kubisch, wählte er für Bonn und Zürich freie Formen. Auch diese Entwürfe blieben auf dem Papier. Im Buch ist auch eine von Doblhoff entwickelte Typologie des Zuschauerraums abgedruckt. Dazu analysierte er verschiedene andere historische und moderne Beispiele für drehbare Zuschauerräume, darunter natürlich Gropius’ Totaltheater.


Wilfried Nerdinger (Hg.)

Raimund von Doblhoff 1914 – 1993
Architekt zwischen Rekonstruktion und Innovation

Hrsg. vom Architekturmuseum Schwaben 
und der Arno-Buchegger-Stiftung
Dietrich Reimer Verlag 
Berlin 2009
(Schriften des Architekturmuseums Schwaben; 8)
ISBN 978-3-496-01403-4
191 S., zahlr. Ill.

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