Ausstellung: Sagmeister & Walsh: Beauty – MAK Wien
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| Der Pfau als Symbol des Schönen: Ausstellung Beauty im MAK © Aslan Kudrnofsky/MAK |
Auf der Suche nach dem Schönen
– Stefan Sagmeister und Jessica Walsh bespielen das MAK Wien mit ungewöhnlicher Ausstellung –
von Klaus J. Loderer
Das Schöne ist nicht unbedingt ein Kriterium der Moderne. Moderne Kunst bricht Seh- und Hörgewohnheiten, rüttelt auf, verstört, ist politisch, ist innovativ, nagt an Traditionen, zerstört Tabus – aber schön, nein, schön muss moderne Kunst nicht sein. Und auch für Design sind die Kriterien eher praktisch, geometrisch, schlicht, materialgerecht etc. Deshalb suchen Stefan Sagmeister und Jessica Walsh nach dem Schönen. Und dazu haben Sie das Österreichische Museum für angewandte Kunst in Wien, kurz MAK genannt, komplett unterwandert. „Beauty“ ist der Titel des ungewöhnlichen Ausstellungskonzepts. Die Überformung des Museums erlebt man schon am Eingang. Doch ist dieser Eingang versperrt? Von den drei Türen, die normalerweise von der Vorhalle in den Arkadenhof führen, sind zwei verstellt mit der Ankündigung der Ausstellung in barock wirkenden Ornamenten, fein weiß ziseliert auf schwarzem Grund – ein Motiv, das sich auf allem Material zur Ausstellung befindet. In der Mitte erkennt man ein „B“, B wie Beauty. Doch was ist das für ein merkwürdiger Vorhang an der Stelle des Haupteingangs? Der Vorhang stellt sich als eine Projektion auf einer Nebelwand – Fog Screen – heraus. Der Eindruck ist überraschend. So dringt man ein in die Welt der Schönheit.
Weiter geht es intellektuell. Die Ausstellung arbeitet mit vielen Fragestellungen. Manchmal geben die Ausstellungsmacher die Antwort gleich dazu. Die Antwort ist dann visuell eindrucksvoll aufbereitet. Gleich in der großen Halle verdeutlicht man das Vorkommen des Begriffs Schönheit in Büchern. Hoch sind die Bücherstapel für das 18. und 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert sinkt der Stapel auf ein winziges Häufchen zusammen. Der Tiefpunkt ist 1980. Das Stapelchen für das Jahr 2000 ist dann schon etwas höher aber im Vergleich zur Geschichte immer noch kläglich. Stefan Sagemeister und Jessica Walsh wollen zeigen, warum diese Abkehr von der Schönheit so unsinnig ist: „Mit der Ausstellung wollen wir beweisen, dass Schönheit keine Oberflächenstrategie ist, sondern ein zentraler Bestandteil des Menschseins. Wir werden demonstrieren, dass schöne Werke nicht nur mehr Freude machen, sondern auch viel besser funktionieren.“ Für diesen Anspruch kann man keinen besseren Ort wählen als ein Kunstgewerbemuseum und so setzt man die Sammlung ein, um ein Plädoyer für Schönheit zu halten. Immer wieder findet man in der Dauerausstellung die blauen Schilder an ausgewählten Objekten. Überhaupt zeigen uns die blaue Beschilderung und blaues Licht den Ausstellungsverlauf an. Wobei die exakte Abfolge der Stationen gar nicht wichtig ist. Man kann sich auch einfach durch das Museum treiben lassen und immer wieder Objekte und Objektgruppen zur Ausstellung entdecken.
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| In der MAK-Säulenhalle schwebt „Two Hundred and Seventy“ von Nils Völker © Aslan Kudrnofsky/MAK |
Doch zunächst versucht man in der zentralen Halle Schönheit zu erläutern. Wir lernen, dass Symmetrie eine universelle Komponente der Schönheit sei. Dazu darf man runde Strukturen schaffen, die an Spitzenmuster erinnern. Mit dem selbst geschaffenen Muster kann man dann sogar eine Stofftasche bedrucken lassen. Beispiele sind in der Haupthalle zu sehen. Auf einer großen Leinwand fliegt ein Vogelschwarm. Mit Drehknöpfen kann man den Schwarm manipulieren, doch immer entsteht ein ausbalanciertes Muster. Dass Schönheit ein wichtiger Faktor in der Auswahl des Lebens- oder Fortpflanzungspartners ist, soll ein männlicher Pfau verdeutlichen. Obwohl sein Selbstschutz durch den Federschmuck eher schwierig ist, hat er dieses prächtige Federkleid. Überspannt wird die Arkadenhalle von einer geschwungenen Installation, die im Raum zu schweben scheint: „Two Hundred and Seventy“ von Nils Völker. Es ist eine Art riesiger Baldachin, bestehend aus „atmenden“ weißen Plastiksäcken.
Immer wieder darf man sich aktiv in die Ausstellung einbringen. Man darf sein eigenes ästhetisches Empfinden prüfen. An einer Station sieht man zwei Bilder. Eines davon ist ein Motiv von Piet Mondrian, das andere ist in den Proportionen verändert. Doch welches? Der Besucher darf wählen. Aus der Eintrittskarte kann man kleine Pappmünzen herausbrechen und damit die Wahl treffen. Die meisten Besucher wählen tatsächlich das richtige Bild aus. An einer anderen Station darf man seine Lieblingsfarbe aussuchen. Eine Station bietet geometrische Formen zur Auswahl. Kaum jemand wählt das Rechteck. Kreis, Sechseck und eine wilde Figur sind mit Abstand die Sieger.
Um das Rechteck geht es noch an anderer Stelle. Die Ausstellungsmacher rechnen mit der modernen Architektur ab. „Die hässlichste Farbe ist Braun. Die hässlichste Form ist das Rechteck“ provozieren die Ausstellungsmacher. Dazu gibt es entsprechende Fotos von Gebäuden zu sehen. In einem Tunnel sind Fotos der Untergrundbahnstationen von Moskau und München gegenübergestellt: Einheitliche Langeweile in München, Gestaltungsvielfalt in Moskau. Den zehn schönsten Städten der Welt werden acht Flughäfen gegenübergestellt, die irgendwo sein könnten. Auch bei der Station über die schönste und die hässlichste Ecke der Stadt arbeitet man didaktisch geschickt mit Kontrastierung.
An vielen Stellen der Ausstellung geht es um Farbe. Im Color Room kann man die Wirkung von Farbe testen. In einem blau-rosa gemusterten Wohnzimmer werden durch Beleuchtung mit speziellem Licht die Farben ausgeblendet und der Raum ist plötzlich kahl grau. Man darf selbst entscheiden, welche Farbwirkung angenehmer wirkt. Auch um Farbe in der Architektur geht es. Sagmeister & Walsh rehabilitieren die oft belächelte Müllverbrennungsanlage mit ihrer Hundertwasser-Gestaltung. Sie stellen die bunten Hausfassaden des bolivianischen Architekten Freddy Mamani in El Alto vor. Und sie zeigen die Umgestaltung einer öden Straßenunterführung in Brooklyn, die durch ein Wandgemälde mit einem Kraken, der ein riesiges „Yes“ bildet, zu einem beliebten Hintergrund für Hochzeitsfotos wurde.
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| „From Garbage to Functional Beauty“,
Installation von Sagmeister & Walsh
© Aslan Kudrnofsky/MAK |
Eine kuriose Kombination ist ein Raum mit pseudobarocken Möbeln und einem Kronleuchter. Dieser barockisierende Leuchter entstand aber aus Plastikmüll. Der französische Designer Thierry Jeannot hat ihn gemeinsam mit mexikanischen Müllsammlerinnen geschaffen.
Und dann findet man auf der Empore über der Abteilung 1900 in der Dauerausstellung noch das „Schönheitsarchiv“ mit ganz unabhängig von ihrem praktischen Nutzen von den Ausstellungsmachern als schön eingestuften Gegenständen aus den Museumsbeständen. Überragt wird dieses „Schönheitsarchiv“ von einem geradezu grotesk überzogenen Riesenleuchter, der wolkenartig über dem Raum schwebt und dessen Element an vergrößerte Viren erinnern. „Amatria“ nennt sich dieses Kunstwerk von Philip Beesley. Betrachtet man das Ausstellungssignet „B“ einmal genauer, erkennt man eine Schlange, die sich um einen Stamm windet, mit dem wiederum ein Rosenstock mit Blüten verflochten ist.
Es ist keine wissenschaftliche Ausstellung, die Stefan Sagmeister und Jessica Walsh gestaltet haben. Eher lassen sie uns erleben. Sie provozieren und stoßen uns auf Themen. Sie sensibilisieren. Sie wollen uns das Schöne nahe bringen. Das hat auch einen tieferen Hintergrund. Denn Schönheit fördert das Glücksgefühl. Und genau mit der Suche nach dem Glück hat der 1993 in Bregenz geborene Grafikdesigner Stefan Sagmeister 2015/2016 seine Ausstellung „The Happy Show“ im MAK gestaltet. Partner der Grafikagentur mit Sitz in New York ist seit 2012 Jessica Walsh.
Dass sich die Moderne der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu wenig um das Schöne gekümmert hat, ist keine neue Kritik. Genau daran setzte auch die Postmoderne an. Allerdings wurde die Postmoderne sehr belächelt und dann gleich wieder in den Hintergrund verbannt. Insofern kann man nicht oft genug an das Schöne erinnern. Die Ausstellung wird von Wien aus nach Frankfurt am Main gehen und dort im Museum angewandte Kunst (früher Museum für Kunsthandwerk) zu sehen sein.
24. Oktober 2018 bis 31. März 2019
Österreichisches Museum für angewandte Kunst Wien
www.mak.at




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