Ausstellung: Koloman Moser, Universalkünstler zwischen Gustav Klimt und Josef Hoffmann – MAK Wien

Der „Tausendkünstler“ 

– Ausstellung „Koloman Moser, Universalkünstler zwischen Gustav Klimt und Josef Hoffmann“ im Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien – 

von Klaus J. Loderer

Die Modernität einiger Exponate lässt erstaunen. Die Quadratraster mancher Möbel hätte man eher ins Bauhaus eingeordnet, den Blumenständer aus Lochblech noch viel später datiert. Und doch sind all diese Dinge kurz nach 1900 entstanden, entworfen von Koloman Moser. Diesen wichtigen Wiener Künstler in den Secessionsstil einzuordnen, ist natürlich richtig, er greift aber viel weiter hinaus und bildet eine Brücke vom Historismus bis zur Moderne. Moderne in Wien ist eben nicht nur Adolf Loos, dazu gehört eben auch Koloman Moser mit seinen bemerkenswerten Möbelentwürfen. Als „Tausendkünstler“ hat der Schriftsteller Hermann Bahr den vielfältig tätigen Künstler bewundert.

Koloman Moser, wandfeste Einrichtung für ein Schlafzimmer im Haus Moser, 1901
© Aslan Kudrnofsky/MAK
Das Österreichische Museum für angewandte Kunst in Wien, besser als MAK bekannt,  zeigt nun in einer großen Ausstellung Werdegang und Schaffen Mosers. Anlass ist der hundertste Todestag Mosers, der am 18. Oktober 1918 in Wien verstorben ist, und sein hundertfünfzigster Geburtstag.

Porträtfotografie Koloman Moser, um 1903
© MAK
Rückgrat der von Christian Witt-Döring und Elisabeth Schmuttermeier kuratierten Ausstellung ist eine rote Wand mit einer Chronologie zum Lebens Mosers, illustriert mit historischen Fotos und versehen mit Vergleichsdaten zur kulturellen und historischen Entwicklung. Man könnte in einer ersten Runde die gesamte Biographie abgehen, mit der man automatisch wieder zum Ausgangspunkt zurückkommt und dann erst die Exponate anschauen. Man kann von der Biographie aber auch quer gehen und sich parallel die passenden Ausstellungsstücke betrachten. Oder man stürzt sich ohne den biographischen Hintergrund Mosers in die Ausstellung und lässt sich beeindrucken lassen von der Vielfalt der Formen und Muster, von Formgenese und Musterentstehung. Und egal ob man nun im Gegenuhrzeigersinn sich im zeitlichen Ablauf vorwärts arbeitet oder ob man im Uhrzeigersinn rückwärts durch die Ausstellung geht, man kann die entwerferische Entwicklung Mosers gut nachvollziehen.

Geboren am 30. März 1868 in Wien, erhielt er seine künstlerische Ausbildung als Maler an der Allgemeinen Malerschule, der Malschule für Historienmalerei an der Akademie der Bildenden Künste und schließlich 1893 bis 1895 an der Kunstgewerbeschule. Ab 1888 war er zur Finanzierung seines Studiums ab 1888 als Illustrator für Bücher und Zeitschriften tätig. Nicht zuletzt Gustav Klimt und japanische Kunst haben einen großen Einfluss auf ihn. Trotz seiner Ausbildung ging er dann doch nicht den Weg des Malers sondern wurde schnell zum Gestalter. In einer Vielzahl von Studien und Skizzen kann man sehen, wie er Motive der Natur zeichnete. Blätter und Ranken inspirierten ihn zu Mustern, die sich in seinen Stoffentwürfen niederschlagen. Eine schöne Auswahl dieser wunderbaren Stoffe ist in der Ausstellung zu sehen.

Koloman Moser, Plakat für die
XIII. Secessionsausstellung, 1902

© MAK
Moser gehörte 1892 schon dem Siebener-Club an und war 1897 zusammen mit Gustav Klimt, Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich, Adolf Hölzel und anderen Künstlern Gründungsmitglied der Künstlervereinigung Secession, deren erste Ausstellung 1898 stattfand. Seine Erfahrungen mit Typographie und Buchgestaltung brachte Moser in die Zeitschrift „Ver sacrum“ (Heiliger Frühling) ein – der Titel ziert als Schriftzug auch die Fassade des Secessionsgebäudes. Dieses ist als großes Modell in der Ausstellung präsent. Regelmäßig war Moser an den Ausstellungen der Secession beteiligt. Als Beispiel zeigt die Ausstellung einen kubischen Zigarrenschrank, der auf der VIII. Ausstellung 1900 zu sehen war.

Für Architekten wie Otto Wagner und Josef Hoffmann entwarf er Dekorationen, Möbel und Innengestaltungen. Wagner ließ sich von Moser auch Möbel für seine eigene Wohnung entwerfen. Die Ausstellung zeigt einen Vitrinenschrank. Und wieder war es Otto Wagner, der Moser und Hoffmann als Professoren an der Kunstgewerbeschule durchsetzte. Es war wohl diese Berufung 1899, die verhinderte, dass Moser mit Olbrich nach Darmstadt abwanderte. Moser veränderte den Lehrplan stark und führte die praktische Ausbildung in materialspezifischen Werkstätten ein.

Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden natürlich die Produkte der Wiener Werkstätte, für die Moser nicht nur das markante Signet sondern auch zahlreiche Möbel und sonstige Gegenstände entwarf. Zusammen mit Josef Hoffmann war Koloman Moser 1903 Gründer der Wiener Werkstätte. Große Aufträge kamen durch die Einrichtung des Palais Stoclet in Brüssel und das Sanatorium Purkersdorf, beide von Hoffmann entworfen. Die finanzielle Grundlage bot der Baumwollfabrikant und Kunstmäzen Fritz Waerndorfer, der von zahlreichen Künstlern der Secession Werke für seine Sammlung erwarb. Er ließ sich auch vom schottischen Architekten Charles Rennie Mackintosh einen Musiksalon in der Familienvilla einrichten. In der Ausstellung sehen wir natürlich einen 1904 von Moser entworfenen Schreibschrank für Berta Waerndorfer. Schon 1907 schied Moser aus der Wiener Werkstätte aus, nicht zuletzt wegen Unstimmigkeiten um die Finanzierung der Firma. Künstlerisch war die Wiener Werkstätte gut etabliert, die Rentabilität war eine andere Sache. Finanzielle Probleme versuchte Waerndorfer durch Einbringung seines eigenen Vermögens zu lösen, was aber 1913 zu seinem Privatkonkurs führte. Er wanderte 1914 in die USA aus. Mit der Weltwirtschaftskrise kam das Ende der Wiener Werkstätte, die 1932 in Konkurs geriet.

Koloman Moser, Stoffmuster Palmenblatt, 1898

Ausführung: Joh. Backhausen & Söhne
© MAK/Katrin Wißkirchen


Die Ausstellung zeigt einen schönen Querschnitt. Wieder findet man zahlreiche Stoffmuster. Wir sehen einen Prototyp für einen Buffetschrank und zwei Fassungen in Edelausführung. Als größtes Möbelensemble sind die Einbauschränke des Moserschen Schlafzimmers von 1901 zu sehen, das mit zahlreichen Spiegeln den Raum vergrößert, mit seinen strengen Rechteckmustern sehr modern aussieht, mit den Sprossen und Kassettierungen gleichzeitig in der Tradition steht und mit den verglasten Oberschränken fast eine Einbauküche vorwegnimmt. Moser befasste sich mit allen Bereichen eines Haushalts. Es war ja so ein Phänomen der Designer um 1900, alle Lebensbereiche zu gestalten. Moser entwarf auch Kleider, darunter sog. Reformkleider, also Kleider, bei denen der weibliche Körper nicht durch ein Korsett in Form gebracht wurde. Aber er entwarf auch Spielzeug für Kinder, darunter das Baukastenspiel „Die Spiel“. Zum Abschluss dieser Abteilung findet man zwei Möbel Mosers und ihre Neuinterpretation als moderne Designmöbel.

Koloman Moser, Entwurf für das Südfenster der Kirche St. Leopold am Steinhof, 1905/06
© MAK/Georg Mayer
Koloman Moser zog sich 1907 aus der Entwurfstätigkeit völlig zurück und konzentrierte sich auf die Kunst, unterrichtete aber noch bis 1917 an der Kunstgewerbeschule. Den Übergang bilden in der Ausstellung die Entwürfe für Glasfenster für Otto Wagners Kirche am Steinhof. Neben den großformatigen Entwürfen ist auch ein Karton in Originalgröße zu sehen. Die letzten Jahre seines Lebens malte er nur noch. Die Ausstellung zeigt einen Querschnitt durch seine Bilder. Darunter ist auch das große Aktbild eines Mannes, das nun erstmals öffentlich gezeigt wird. Nur knapp werden Mosers Bühnenbildentwürfe erwähnt. Dazu zeigt das Österreichische Theatermuseum Wien zeigt bis zum 22. April 2019 eine eigene Ausstellung: „Anwendungen. Koloman Moser und die Bühne“.

Am 19. Oktober 1918 starb Koloman Moser im Alter von 50 Jahren an Kehlkopfkrebs. Falls man sich fragen sollte, was die großen Secessionskünstler nach dem Ersten Weltkrieg gemacht haben. Nichts mehr. Vier von ihnen starben im Jahr 1918. Es ist das gemeinsame Todesjahr von Gustav Klimt, Otto Wagner, Koloman Moser und Egon Schiele.

Koloman Moser,
Schreibschrank für Berta Waerndorfer, 1903

Ausführung: Wiener Werkstätte
© MAK/Nathan Murrell
Zur Ausstellung ist im Birkhäuser-Verlag ein umfangreicher Katalog erschienen. Die Ausstellung wird vom 23. Mai bis 15. September 2019 im Museum Villa Stuck in München gezeigt.

19. Dezember 2018 bis 22. April 2019
MAK-Ausstellungshalle
Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Stubenring 5, Wien
www.mak.at

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