Ausstellung: 120 Jahre Volksoper Wien

Vom Kaiserjubiläums-Stadttheater zur Volksoper 

– Ausstellung zum Jubiläum 120 Jahre Volksoper Wien – 

von Klaus J. Loderer

Das hundertzwanzigjährige Jubiläum des Gebäudes nahm die Volksoper zum Anlass mit einer Ausstellung der Geschichte des Hauses zu gedenken. Im Umgang von Parkett und Balkon sind 22 Tafeln aufgehängt, die mit kleinen Texten und zahlreichen Fotos einen Rundgang durch die Geschichte bieten. Sind es in den ersten Tafeln eher Fotos und Zeichnungen des neuen Gebäudes, dominieren in den späteren Tafeln die Fotos von Aufführungen, Darstellern und Intendanten. So kann man den Werdegang der Volksoper bis heute nachvollziehen.

Ansichtskarte des Kaiserjubiläums-Stadttheaters
© Archiv Volksoper

Im Gegensatz zu Staatsoper und Burgtheater mit ihren großen repräsentativen und städtebaulich wirksam platzierten Gebäuden ist die Volksoper eher bescheiden. Auch der Standort wirkt etwas eingequetscht zwischen den großen Mietshäusern und der hier oberirdisch verlaufenden Stadtbahn. Dieser streckt die Volksoper auch ihre Rückseite zu, die zudem durch die moderne Erweiterung nicht so arg ansehnlich ist. Doch von dieser Seite kommen heute mit Tram und Stadtbahn die meisten Besucher. Doch eigentlich müsste man die Währinger Straße stadtauswärts gehen, um die Vorderseite des Theaters wahrzunehmen. Mit Giebel und Türmchen erkennt man die Reste einer repräsentativen Fassade. Man merkt aber auch, dass die Fassade wohl einmal mehr geschmückt war. Interessanterweise wirkt das Gebäude auch von vorne asymmetrisch, weil man die rechte Seite leicht übersieht. Doch genau wie links schwingt auch rechts die Fassade nach hinten.
Vor hundertzwanzig Jahren wurde dieses Theater eröffnet, damals übrigens noch nicht für Musik- sondern für Sprechtheater. Und es war auch kein staatliches Theater wie heute sondern eine private Initiative.

Finanziert wurde das Theater durch den Verein des Jubiläums-Theaters, der aus Anlass des fünfzigjährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph ein Theater errichten wollte. Das Kaiser Franz Joseph-Jubiläums-Theater sollte „als rechte Volksbühne [...] das Theater den Statuten zufolge das Schauspiel, das Trauerspiel, das Lustspiel und die Posse zu pflegen haben.“ 6000 Anteilscheine im Wert von je 100 Gulden wurden aufgelegt. Die Ausstellung zeigt einen der schn gestalteten Anteilscheine. Das Theater sollte im Gegensatz zu den beiden Hoftheatern (Burgtheater und Hofopernhaus) und den Theatern im Ringstraßenbereich ganz bewusst weiter außerhalb seinen Standort haben, um die Bewohner der Vorstädte zu erreichen. Die Stadt Wien schenkte dem Verein ein Grundstück an der Währinger Linie. Dort stand das Linienamt, das an den 1704 angelegten Linienwall erinnert, die äußere Stadtgrenze mit zahlreichen Mautstellen, an denen Bauern, die Waren in die Stadt bringen wollten, eine Verzehrsteuer zahlen mussten. Bürgermeister Dr. Karl Lueger machte für die Schenkung allerdings zur Auflage, dass das Theater nur deutsche Autoren aufführen dürfe. Werke ausländischer Autoren sollten nur in Ausnahmefällen gespielt werden.

Nicht ausgeführter Entwurf des Kaiserjubiläums-Stadttheaters, Zeichnung des Architekten Alexander Graf
© Bezirksmuseum Währing
Man ist nicht erstaunt, dass in der Ausstellung der Name Fellner & Helmer fällt. Die Architekten legten für das Theater einen Entwurf vor, sie waren schließlich die Wiener Theaterbauspezialisten. Sie wurden von der Jury auch auf den ersten Platz gesetzt. Den Auftrag erhielt allerdings ein ehemaliger Mitarbeiter von Fellner & Helmer, Alexander Graf, der den Bau dann zusammen mit Franz Freiherr von Kraus, noch ein ehemaliger Fellner & Helmer-Mitarbeiter, ausführte. Kraus plante noch weitere Theater in Mährisch-Ostrau, Aussig, Laibach und Znaim. Was sehr stark an die Theater von Fellner & Helmer erinnert, sind die diagonal verlaufenden Treppen ersten Rang. Auch der Aufbau des Zuschauerraums mit zwei tiefen Sperrsitzrängen und einem Logenbereich zur Bühne erinnert stark an das Volkstheater Wien.

Am 14. Dezember 1898 fand die festliche Eröffnungsvorstellung statt. Da der Hof allerdings wegen der Ermordung Kaiserin Elisabeths in Trauer war, kam der Kaiser nicht zur Eröffnung des Kaiserjubiläums-Stadttheaters. Dabei war im Proszenium auf der linken Seite eine eigene Kaiserloge vorgesehen, die einen eigenen Zugang von außen besaß. Der Kaiserloge entsprach rechterhand die Bürgermeisterloge. Ein historischer Sitzplan zeigt in der Ausstellung das originale Aussehen des Zuschauerraums.

Der Kaiserjubiläums-Theaterverein verpachtete das Haus an den aus dem Banat stammenden Schriftsteller und Redakteur Adam Müller-Guttenbrunn. Mit Sprechtheater sollte die deutsche Kunst gepflegt und einer breiten Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Da das Theater keine öffentlichen Subventionen erhielt, war die Finanzierung schwierig. Schon nach fünf Jahren geriet das Theater in Konkurs. Man holte sich 1903 den Volksopern-Theaterverein mit ins Haus. Dieser Verein war 1900 gegründet worden und hatte Geld gesammelt, um im Bereich des Gürtels eine Volksoper zu errichten. Die Stadt Wien lehnte allerdings ein weiteres Theater ab. So nutzte man nun erst einmal das Kaiserjubiläum-Stadttheater mit, in der Hoffnung, dass man in absehbarer Zeit doch noch ein Grundstück für ein eigenes Volksopernhaus findet. Der Otto-Wagner-Schüler Carl Dorfmeister träumte visionär von einem Volksopernhaus auf dem Leopoldsberg. So wurde nun abwechselnd Sprech- und Musiktheater gespielt. Allerdings gewann unter der Leitung des Sängers und Regisseurs Rainer Simon schon bald die Oper die Dominanz. Alexander Zemlinsky wurde Musikdirektor. „Salome“ und „Tosca“ hatten hier ihre Wiener Erstaufführungen.

1919 bis 1924 war der ehemalige Direktor der Hofoper, Felix von Weingartner, Direktor. Schwierig war die Zeit der Inflation. 1928 wurde die Volksoper geschlossen. 1929 fand die Wiedereröffnung als Neues Wiener Schauspielhaus statt. Schon bald kamen wieder Oper und Operette.

Nach dem sog. Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurde der Volksopern-Theaterverein aufgelöst und das Vermögen eingezogen. Das Theater wurde zum Opernhaus der Stadt Wien und dadurch ein Theater der öffentlichen Hand. Dadurch war die Volksoper nun finanziell gut versorgt. Allerdings wurden schnell jüdische Künstler und Mitarbeiter entlassen und entsprechende Werke aus dem Spielplan gestrichen. Es fand eine Renovierung und Aufstockung des Gebäudes statt. Die Gestaltung wurde stark verändert, indem man außen wie innen zahlreiche dekorative Elemente und Malereien entfernte. Von der Stuckdekoration der Fassade blieb nicht viel übrig. Komplett wurden die Stuckelemente des Zuchauerraums entfernt, der nun eine kühle Atmosphäre in weiß und rot erhielt, eine Gestaltung, die bis heute erhalten blieb. Außerdem wurde eine Führerloge in die Mitte des Balkons eingebaut, wie ein Foto in der Ausstellung zeigt.

Am 14. Juli 1944 wurden alle Wiener Theater geschlossen. In der Volksoper spielte ab Februar 1945 ein Kino. Im Gegensatz zur Staatsoper wurde dieses Theater im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt. So nahm die Staatsoper schon am 1. Mai 1945 ihren Spielbetrieb mit „Die Hochzeit des Figaro“ hier auf. Als die Staatsoper im Oktober 1945 auch das Theater an der Wien bespielte, entstand in der Volksoper ein zweiter Schwerpunkt mit Operetten. 1955 wurden Staatsoper, Burgtheater und Volksoper als Österreichische Bundestheater zusammengefasst. Damals kam Marcel Prawy als Chefdramaturg ans Haus, der sich übrigens für das Musical stark machte. 1956 kam so zuerst „Kiss Me, Kate“ auf die Bühne, schon bald gefolgt von Bernsteins „Wonderful Town“, das gerade auch wieder läuft. Der Schwerpunkt Operette wurde weiter ausgebaut. 1991 wurde die Volksoper mit der Staatsoper fusioniert aber 1996 wieder eigenständig. Seit 2007 ist Robert Meyer Intendant, ein Kammerschauspieler, der 1993 in „Im weißen Rössl“ an der Volksoper debütierte. Zu seinen Schwerpunkten gehört der Ausbau von Produktionen für Kinder und Jugendliche. Für moderne Oper nutzt man das Kasino am Schwarzenbergplatz.

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